Die Diagenese -
Umwandlungen der molekularen Struktur von Fossilien

Wenn Lebewesen absterben, erfahren sie eine Reihe von stofflichen Umwandlungen, bevor sie zu Fossilien werden. Für diese Umwandlungen hat man den Begriff Diagenese geschaffen (griechisch dia, durch oder um; griechisch genesis, Entstehung, Bildung; also „Umbildung“ von einem Zustand in einen anderen).

Die Materie, aus der Lebewesen bestehen, ist recht instabil. Das zeigt sich am Verlauf der Verwesung von Weichteilen und des Abbaus von festen Bestandteilen. Hartes Gewebe wie Haut, Sehnen und Muskulatur wird plötzlich ganz weich. Harte Knochen und Schalen erweisen sich als chemisch recht labil (Bild 1).

Bild 1: Ein toter Vogel zerfließt innerhalb weniger Tage
(Foto: Blume)


Anders gesagt: Lebende Organismen befinden sich auf einem hohen chemischen Potential. Durch ständige Zufuhr von Nahrung, also letztlich durch Zufuhr von Energie, werden diese energetisch ungünstigen Zustände aufrechterhalten. Entfällt die Nahrungszufuhr oder stirbt der Organismus, so zerfallen die Strukturen recht rasch.

Anders gesagt: Das Leben ist wie eine Stahlfeder, die ständig unter Spannung gehalten werden muss. Erschlafft die Stahlfeder, ist es mit dem Leben zu Ende.

Chemiker drücken das so aus: Hochgeordnete Strukturen entstehen nur unter Energieaufwand; sie zerfallen ohne Energieaufwand zu ungeordneten Materiemassen.

Dahinter steckt ein Prinzip der Natur, das dem einen oder anderen als Entropie bekannt sein mag. Weitere Stichworte sind Freie Energie und Fließgleichgewicht. Genaueres dazu lies hier.

Das Streben nach Aufhebung dieses Ungleichgewichts ist Ursache für die Vorgänge der Fossil-Diagenese, also für die stoffliche Umwandlung der Reste der abgestorbenen Lebewesen in Anschluss an die Einbettung in die Sedimente. Sie „mineralisieren“ zu anorganischen Substanzen, also zu Salzen und zu Gasen.

Man muss dabei Verwesung (unter Luftzufuhr, Oxidation) und Fäulnis (unter Luftabschluss, Reduktion) unterscheiden. Im ersteren Fall erfolgt Mineralisierung vorrangig zu CO2, H2O, N2 (oder Nitrat), Sulfat, Phosphat und Eisen(III). Bei der Fäulnis entstehen vor allem Substanzen wie CH4, H2S, H3P, NH3 und Eisen(II). Wenn Substanzen wie Schwefelwasserstoff nicht abgasen, dann bilden sie Mineralien wie z. B. Schwefeleisen FeS2. Diese Substanzen sind also wichtig für das weitere chemisch beeinflusste Schicksal (Diagenese) der eingebetteten Körper.

Wenn wir Glück haben, ist das, was zurückbleibt, ein großer, kompakter Körperrest. Denn nur das, was nach den eben beschriebenen Prozessen übrig bleibt, kann zum Fossil werden. Dazu kommt es durch stoffliche Wechselwirkungen mit den Sedimenten, in die die „sterblichen Überreste“ eingebettet werden.


Zersetzung der Schale
Manchmal folgt die Zerstörung des Materials des ursprünglichen Lebewesens auch erst nach der Einbettung und Verfestigung des Sediments. So werden Kalkschalen durch kohlensäurehaltiges Poren- oder Sickerwasser zersetzt.

CaCO3 (schwer löslich) + H2CO3 ———> Ca(HCO3)2 (löslich)

Ihre Bausteine werden abtransportiert. Zurück bleibt eine Lücke im Stein. Wenn der Hohlraum des Fossils zuvor mit Sediment gefüllt war, bleibt ein Steinkern erhalten, der die Innenform der Schale wiedergibt (Bild 2).

Bild 2: Steinkern einer Turmschnecke (Tertiär/Dan). Höhe der Schnecke 1,2 cm
(Foto: Blume)


Die Erhaltung organischer Materie
Die Erhaltung organischer Substanz ist möglich, wenn die Einbettung rasch in völlig sauerstoffarme Sedimente wie bestimmte Tone erfolgt. Dort wird eher reduziert als oxidiert. So entstehen aus den Biomolekülen Kohlenwasserstoffe und Kohle. Ein Fundstück (Bild 3) aus dem Lias Epsilon, der wegen der Erdölvorkommen „Stinkkalk“ genannt wird, zeigt ein solches Fossil.

Bild 3: Fischkopf (Lias Epsilon). Länge 3 cm
(Foto: Blume)


Sammelkristallisation
Jeder, der schon mal Kristalle gezüchtet hat, sollte Folgendes beobachtet haben: Große Kristalle wachsen auf Kosten der kleinen. Es muss nur ausreichend Zeit dazu vorhanden sein.

Die Ursache ist der Unterschied der Oberflächengröße. Kleine Kristalle haben (verglichen mit einem großen Kristall der gleichen Masse) in der Summe eine viel größere Oberfläche. Hier rechnen wir das vor.

Je größer die Oberfläche ist, desto wirkungsvoller können die Dipole des Lösungsmittels Wasser angreifen und die Bausteine der Kristalle herauslösen.
Nun ist der Lösungsvorgang ein Gleichgewichtsprozess. Es herrscht ein ständiges Kommen und Gehen von Gitter-Bausteinen. Deshalb lösen sich die kleinen Kristalle in Gegenwart eines großen auf; ihre Bausteine werden auf der Oberfläche des großen Kristalls eingebaut, da der seine Bausteine, wenn sie einmal auf ihm gelandet sind, statistisch gesehen nicht so rasch wieder abgibt.

Chemiker drücken das so aus: Große Oberflächen haben ein hohes chemisches Potential. Das abzubauen ist das Bestreben der Natur. Deshalb laufen die Vorgänge immer in die Richtung auf die Verringerung der Oberflächen. Somit wächst der größere Kristall auf Kosten der kleinen.

Das Umgekehrte ist auch bei der Verwitterung von fossilienhaltigen Gesteinen wichtig: Große Kristalle lösen sich schlechter als kleine. Auf diese Weise bleiben die aus gröberen Kristallen bestehenden Fossilien eher erhalten als die sie umgebenden Sedimente. Es kann sogar zu feinen Spalten zwischen Fossil und Sediment kommen, was die Präparation ungemein erleichtert. Das ist kaum zu unterscheiden von der Zersetzung der Schalen, wie wir sie bei der Steinkernbildung (Bild 2) besprochen haben.

Auf Sammelkristallisation beruht außerdem die Mineralienbildung in den Hohlräumen von Fossilien (Bild 4).

Bild 4: Kristallisiertes „Innenleben“ eines Ammoniten (Hectioceras; Dogger Zeta). Durchmesser 2 cm
(Foto: Blume)


Aber auch die Bildung von Geoden (Konkretionen) erfolgt durch Konzentrationsanreicherung von zuvor fein verteilten Ionen und Gitterbausteinen in den Sedimenten. Wichtig ist, dass es einen Kristallisationskeim gibt, an dem die Bausteine andocken können. Beispiele sind die Bildung von

- Schwefeleisen (FeS2; Modifikationen Markasit und Pyrit) (Klicke hier)

- Feuerstein (SiO2; Flint) (Klicke hier)

- Toneisenstein (Mergelgestein mit einem hohen Anteil an Eisenmineralien wie farbloser Siderit FeCO3)

- Phosphorit (Mischung verschiedenster Calciumphosphate wie Ca(H,Me)PO4; Ca2(OH,F)PO4 (usw.)).

Hier sind einige Beispiele:

Als Geode kann man schon Stücke wie das in Bild 5 bezeichnen.

Bild 5: Pyritisierter Schwamm (Maeandrospongia cavernosa; Kreide/Cenoman). Länge 6 cm
(Foto: Blume)


Bekannt sind die Kotsteine (Koprolithen). Bild 6 zeigt den typischen Wickelkot eines Fischs. Er besteht aus Phosphorit und verwitterndem Toneisenstein.

Bild 6: Koprolith (Kotstein eines Fischs; Kreide/Cenoman). Länge 4 cm
(Fotos: Blume)


Besonders schön sind die Feuerstein-Geoden der Kreide. Sie tragen oftmals wunderbar erhaltene Fossilien. Der Seeigelpanzer im folgenden Bild 7 ist in dem Zustand konserviert worden, in dem er im Begriff war, in seine Platten zu zerfallen.

Bild 7: Seeigelreste auf Flint (Cidaris; Kreide/Maastricht). Höhe 5 cm
(Foto: Blume)


Klassische Geoden sind aber solche kugeligen Steine mit erstaunlichen Innenansichten (Bild 8).

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Bild 8: Geode mit Krebs (Lias Epsilon). Durchmesser 7 cm
(Foto: Blume)


Konkretionen bilden sich immer in der Ebene der Schieferung, also senkrecht zum Druck, der auf das Gestein einwirkt. Der Grund hierfür ist, dass die auf Diffusion von Ionen beruhende Sammelkristallisation aus energetischen Gründen kaum gegen den Gesteinsdruck erfolgt. Deshalb liegen zum Beispiel Markasit- oder Pyritsonnen immer waagerecht im Schiefer (wie im Ornatenton, dem Dogger Zeta). Aus dem gleichen Grund sind die eben beschriebenen Geoden oft linsenförmig. Wegen ihrer Form nennt man sie auch Laibsteine (weil sie an einen Brotlaib erinnern). Aber auch die Dendriten des Solnhofener Schiefers folgen diesem Einordnungsprinzip.


Rekristallisation
Die Rekristallisation bedeutet Umwandlung von Mineralien ohne Änderung ihrer stofflichen Zusammensetzung. Das betrifft vor allem die Änderung der Modifikationen. So wird aus dem rhombischen Schalenmaterial Aragonit der trigonale Calcit. Ursache: Aragonit befindet sich chemisch auf einem höheren Potential als Calcit. Dieses Potential muss – um stabile Verhältnisse zu schaffen - abgebaut werden.

Gleiches gilt aber auch für diagenetische Mineralien wie Schwefeleisen, die das Material der Fossilien ersetzt oder eingehüllt haben. Ein leider wohl jedem Sammler bekanntes Beispiel ist die Umwandlung von instabilem rhombischen Markasit in die stabile kubische Modifikation Pyrit. Dabei kann durchaus die mineralische Tracht des Markasits erhalten bleiben. Die Umwandlung betrifft dann nur das Gitter.

Bleibt diese Umwandlung jedoch aus, zerfällt das Sammelstück innerhalb kurzer Zeit irreversibel durch autokatalytische Prozesse. Dabei entstehende Mineralien wie Eisen(II)-sulfat-Hydrat („Eisenvitriol“) haben ein größeres Volumen als der Markasit und sprengen das Stück förmlich auseinander.

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Bild 9: Zerfallender Markasit-Ammonit (Amaltheus; Lias Delta). Durchmesser 7 cm
(Foto: Blume)


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Letzte Überarbeitung: 06. Februar 2009, Dagmar Wiechoczek