Kurze Fragen - Kurze Antworten
Aus dem E-Mail-Korb von Professor Blume

E-Mail-Gruppe 255
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F: Warum weine ich beim Zwiebelschneiden?
Hoffentlich bin ich mit meiner Frage bei Ihnen an der richtigen Adresse?! Denn gerne würde ich diese Fragen meinen Kindern beantworten können.


A: Tränen gibt es immer, wenn sich das Auge bedroht fühlt. Die Tränenflüssigkeit soll den Reizstoff ausspülen. Außerdem enthalten Tränen auch noch verschiedene Substanzen zur Abwehr von Mikroorganismen wie das antibakteriell wirkende Lysozym.

Der Stoff, der die Tränendrüsen reizt, ist in den Küchenzwiebeln von vornherein gar nicht vorhanden. Den stellt die Zwiebel erst her, wenn sie verletzt wird. Das macht sie, um Fressfeinde abzuwehren. Diese Substanz namens Propanthial-S-oxid ist eine Art Tränengas. Wenn sie auf die Augen trifft, wirkt sie ätzend auf die Augenschleimhaut und auf die Nerven. Wir empfinden ein Brennen. Zur Herstellung dieser Substanz enthält die Zwiebel das Enzym Alliinase (von lat. allium, Zwiebel, Knoblauch). Außerdem benötigt sie als Cofaktor sogar das Vitamin B6 (Pyridoxal). Substanzen wie das Propanthial-S-oxid nennt man übrigens "lacrimotorisch" (lat. lacrima, Träne).

Propanthial-S-oxid

Die enzymatische Herstellung von abschreckenden Chemikalien durch verletzte Pflanzen kennen wir schon vom Gras oder Waldmeister (Cumarin) her sowie von verschiedenen Steinobstarten (Blausäure).


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F: Früher rochen die S-Bahnen in Berlin fürchterlich. Man sagte, das wäre Lysol. Was war das?


A: Lysol war ein Desinfektionsmittel, welches man früher – und lange Zeit auch noch in der DDR – benutzt hat. (Die S-Bahnen in Westberlin wurden von der DDR aus verwaltet!) Lysol bestand letztlich aus einer Tensidlösung (manche sagen auch: Seifenlösung) und einem Kresolgemisch. Kresole sind die drei stellungsisomeren Phenole des Toluols. Dabei ist das meta-Isomere antiseptisch besonders aktiv.

Bei uns im Westen gab es etwas Ähnliches: Sagrotan. Da Kresole gesundheitlich nicht unbedenklich sind und wohl auch, weil die Mischung so schrecklich stank, hat man auf ihre Verwendung mittlerweile verzichtet. Das moderne Sagrotan® ist daher ein hinsichtlich der Zusammensetzung völlig entschärftes Antiseptikum – was viele Leute bedauern…


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F: Auf einem Kinderfest wollen wir mit Helium Ballons aufblasen. Wir wollen die Kinder auch Helium einatmen lassen. Wie kommt es, dass sich danach ihre Stimmen so verändern? Ist das Ganze gefährlich? Helium soll ja nicht giftig sein.


A: Stimmen werden im Kehlkopf produziert. Hier werden die Stimmbänder der Stimmlippen zum Schwingen gebracht und durch Muskeln moduliert. Dies wiederum bewirkt Schwingungen der ausgeatmeten Luft. Diese Schwingungen gelangen an unser Ohr und bringen wiederum dessen Bestandteile (Trommelfell, Gehörknöchelchen usw.) zum Schwingen. Wir empfinden diese Luft-Schwingungen als Geräusche und nach Datenverarbeitung im Gehirn auch als Sprache.
Nun hat Helium andere Schwingungseigenschaften als Luft. Die Laute, die der Kehlkopf produziert, klingen ungewohnt verändert (irgendwie quäkend…), wenn die Kinder statt Luft Helium ausatmen.

Als Edelgas ist Helium nicht toxisch. Aber es kann erstickend wirken, wenn man zuviel davon aufnimmt. Dann geht einem verständlicherweise schlicht der Sauerstoff aus. Wenn Sie die Kinder aber nur mal kräftig einatmen lassen, ist das schon in Ordnung.


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F: Was ist die hydrothermale Carbonisierung?


A: Es handelt sich um ein Verfahren, bei dem Biomasse in Kohlenstoff und Wasser umgewandelt wird. Dazu wird die unbehandelte Biomasse (z. B. Grasschnitt, Holzabfall, Stroh…) mit Wasser versetzt und in einem geschlossenen Kessel bei 180 °C und dem sich entsprechend aufbauendem Druck zwölf Stunden lang umgesetzt. Hierzu ist ein Katalysator notwendig. Das ist merkwürdigerweise – Citronensäure.

Entsprechende Arbeiten wurden von einem Max-Planck-Institut (MPI) vorgestellt.

So richtig verstanden hat man den Mechanismus wohl noch nicht. Aber das Ganze funktioniert. Letztlich handelt es sich um die Beschleunigung des natürlichen, Millionen von Jahren dauernden geologischen Inkohlungsprozesses: Aus Biomasse wird Wasser abgespalten. Das Verhältnis von C zu H nimmt kontinuierlich ab. Aber statt Kohle entsteht Kohlenstoff. Zur Erinnerung: Kohle ist genau genommen ein hochkomplexer, heterocyclisch-aromatischer Kohlenwasserstoff.

Das so entstandene, äußerst feine Kohlepulver wird als Brennmaterial verwendet. Sie verbrennt (anders als die ursprüngliche Biomasse) schadstoffarm und hat dazu noch einen höheren Brennwert. Man kann mit dieser Kohle aber auch Brennstoffe herstellen.

Insgesamt ist die Energiebilanz des Verfahrens positiv. Zwar muss die Reaktion zum Starten aktiviert werden. Da der Prozess aber exotherm ist, trägt sich die Reaktion nach dem Anschieben selbst. Man muss nur für einen ausreichend druckstabilen Reaktor sorgen…


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F: Ich verstehe etwas nicht: Man sagt doch "Durch Sport verbrauchst du Kalorien" oder "Durch Sport baut man Kalorien ab", und Sie sagen, dass man beim Bewegen Kalorien freisetzt.


A: Das ist nur ein sprachliches Problem. Wenn der Volksmund von Kalorien spricht, meint er energiehaltige Stoffe wie Fette, Alkohol oder Kohlenhydrate. Motto: "Kalorien machen dick."

Wenn ein Naturwissenschaftler von Kalorien spricht, meint er damit eine nichtstofflich gemeinte Einheit der Energie (vor allem die Einheit der Wärme). Eine Kalorie (Symbol cal) ist die Wärmemenge, die notwendig ist, um 1 g Wasser von 14 °C auf 15 °C zu erwärmen.

Die Energie, mit der wir sprichwörtlich arbeiten, ist als chemische Energie in Nahrungsmitteln gespeichert. Bestimmte Stoffgruppen weisen charakteristische, spezifische (d. h. auf bestimmte Mengen bezogene) Energiewerte auf:

Mittlerer Brennwert der Nährstoffe
  Kcal/g kJoule/g
Kohlenhydrate 4,1 17,1
Eiweiße 5,6 23,4
Fette 9,4 39,2

Es hat sich deshalb eingebürgert, statt von den energiereichen Stoffen gleich von Kalorien zu sprechen. Man sagt also nicht: "Ich nehme 5 g Fett zu mir", sondern "Ich nehme 50 Kalorien zu mir". Wobei man noch wissen muss, dass das großgeschriebene Symbol Kal Kilokalorien bedeutet... Mit brennendem 5 g Fett (oder einer Tafel Schokolade) kann man eine Menge Wasser erwärmen. Versuchen Sie es einmal!

Letztlich dadurch, dass Ihnen beim Sport warm wird, merken Sie, dass Sie keine Kalorien abbauen, sondern eher welche erzeugen. Denn Sie wandeln hochwertige chemische Energie in minderwertige Schwitze-Wärme um. Man spricht ja gern von "kalorischer Energie". Außerdem produziert die von Ihnen gestoßene Kugel beim Aufschlag Reibungswärme... (usw.).

Aber Sie haben in dem Sinne Recht, dass Sie energiereiche Stoffe wie die Fette ("Kalorien") stofflich und oxidativ abbauen und zu CO2 und Wasser umwandeln. Die lagern dann nicht mehr auf der Hüfte oder in der Leber.

Korrekt muss Ihr Satz deshalb in etwa so lauten: "Ich treibe Sport und dazu benötige ich Energie. Um die zu bekommen, "verbrenne" ich mit Hilfe meines Stoffwechsels energiehaltige Nährstoffe. Die darin enthaltene chemische Energie wird in Kalorien angegeben. Einen Teil dieser Energie wandele ich in kinetische Energie zum Laufen oder zum Kugelstoßen um. Ein anderer Teil wird in Wärme umgewandelt, das heißt schlicht: "Ich schwitze"."

Heute hat man die Kalorien durch die Energie-Einheit Joule ersetzt. Aber es wird noch lange dauern, bis die guten sprichwörtlichen Kalorien "out sind". Denn das klingt irgendwie komisch: "Ich verbrauche Joule". Der arme Kerl... Zur Erinnerung: James Prescott Joule war ein englischer Physiker. Für die Statistiker: Er lebte von 1818-1889. Übrigens wurde er an einem Heiligen Abend geboren.

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Letzte Überarbeitung: 19. Februar 2008, Dagmar Wiechoczek