Kurze Fragen - Kurze Antworten
Aus dem E-Mail-Korb von Professor Blume

E-Mail-Gruppe 258
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F: Warum heißt NaHCO3 "Bi" carbonat, es ist doch nur "einfach kohlensauer"? Es wird im klinischen Laboralltag sehr oft gesagt.


A: Nicht nur in der Apotheke oder in der Küche wird es so genannt, sondern auch noch im chemischen Labor! Der Name Bicarbonat ist zugegebenermaßen chemisch nicht exakt. Aber Sie müssen sich in die alten Chemiker, die noch nicht soviel über den Aufbau der Materie wussten, hineindenken:

Übersetzt heißt Natriumbicarbonat auch „doppeltkohlensaures Natrium“. Das „Bi“ (lat. zwei, doppelt) bezieht sich aber nicht etwa auf die Bezeichnung „kohlensauer“, sondern auf das Vorhandensein von zwei Carbonatresten in einer Formeleinheit für das „normale“ Carbonat. Besonders augenfällig ist das beim Calciumbicarbonat:

Ca(HCO3)2

Früher wurde dessen Formel ganz anders geschrieben: CaCO3 · H2CO3.

Wenn Sie auch die Formel des Natriumbicarbonats anders als gewohnt schreiben, so sieht das Ganze entsprechend aus:

2 NaHCO3 = Na2CO3 · H2CO3

Auch hier kommen zwei Carbonatreste auf eine Formeleinheit für das „normale“ Natriumcarbonat (Soda).

Chemisch richtig ist natürlich die Bezeichnung Natriumhydrogencarbonat.

Das Bicarbonat heißt oft auch nur Natron („Kaisernatron“). Zur Rolle des Natrons in der Chemiegeschichte klicke hier.

Es gibt übrigens auch das Natriumbisulfit NaHSO3 bzw. Na2SO3 · H2SO3, richtige Bezeichnung: Natriumhydrogensulfit.


1447
F: Ich habe die Hoffnung, dass die Didaktik Bielefeld einem Chemie-Lehrer wieder einmal weiterhelfen kann:
Artischocken-Kochwasser (leicht essigsauer, etwas Zucker) hat sich nach dem Kochen (ca. 30min) ungewöhnlich intensiv grün gefärbt. Nach 3 Tagen Stehen an der Luft war diese intensive grüne Färbung verschwunden und hat sich in ein ebenfalls intensives Braun-Orange umgewandelt.
Meine eigenen Internetrecherchen zum möglichen Farbstoff haben zu keinem Ergebnis geführt.
Können Sie mir weiterhelfen???


A: 1. Zunächst zur auffälligen Grünfärbung der Kochbrühe:
Sie haben offenbar Chlorophyll extrahiert. Das wäre eher gelblichgrün. Interessant wäre deshalb zu wissen, ob Ihr Topf irgendwie Kupfer enthält, denn das spricht für die Bildung von Chlorophyllin, dem intensiv grünen Cu-Chlorophyll-Komplex. Denken Sie daran, dass auch Aluminiumtöpfe Kupfer enthalten können, denn Al wird gern mit Kupfer legiert. Das findet man in billigem Recycling-Alu wieder. Aber auch für Elektroherdplatten extra plan gefertigte Topfböden können aufgrund der Erhöhung der Wärmeleitfähigkeit kupferhaltig sein. Dieses Cu wird durch Essigsäure leicht herausgelöst. Denken Sie an die Grünspanbildung.

2. Zur Umfärbung der Kochbrühe:
Offenbar wurde der Komplexligand des Chlorophylls zersetzt. Im Herbst geht das durch pflanzeneigene Enzyme. Die sind jedoch durch das Kochen zerstört worden. Der Porphyrinring wird aber auch durch Bakterien oder Pilze gespalten; dabei entstehen rötliche Verbindungen. Durch weiteren Abbau bekommt man farblose, aber fluoresziierende Pyrrol-Verbindungen. Prüfen Sie mit einer UV-Lampe, ob dies auf Ihre braun-orange Farbstoffmischung zutrifft.


1448
F: Auf einer Brücke in Frankfurt am Main befindet sich ein griechischer Spruch, den ich (wie wohl viele andere auch…) nicht lesen kann. Was heißt der übersetzt?


A: Ich kenne die Brücke über den Main. Es handelt sich um den Eisernen Steg. Er führt von der Frankfurter Innenstadt hinüber zu Sachsenhausens Partymeile.

(Foto: Blume)

Weil ich den Spruch mangels griechischer Sprachkenntnisse auch nicht vollständig übersetzen kann, habe ich Herrn Dr. Heiner Schönemann aus Neukirchen-Vluyn gefragt. Der hat es mir gesagt.

Das Zitat heißt übersetzt: „…(Ich fuhr) fort auf dem weinroten Meer zu Menschen mit anderen Sprachen.“ Wer es nachlesen will, findet das Original in der Odyssee von Homer (1. Gesang, Zeile 183).

Etwas zur Erläuterung des Textes, damit auch wir Chemiker etwas davon haben: Das griechische Wort oinopa bedeutet „wie Wein aussehend, dunkel(rot)“. Das stammt aus dem oinos, Wein und ops, Auge, Antlitz. Oinos kennt der Chemiker aus der Önanthsäure. Das ist der Trivialname der n-Heptansäure. Mit dem ops hängt der Begriff Optiker zusammen, aber auch der Äthiopier, der „Mann mit der verbrannt aussehenden Haut“. Dessen erster Wortbestandteil führt wieder zur Chemie (-> Äther, verbrannte Luft). Wer dazu mehr wissen will, klicke hier.

Das oinopa („weinrot“) ist übrigens ein schmückendes Beiwort („Epitheton ornans“), das Homer scheint´s recht häufig für das Meer verwendet hat. Vielleicht meint er auch „dunkles Meer“.


1449
F: Wenn ich einen mit Ca++ beladenen sauren Kationenaustauscher mit konzentrierter Kochsalzlösung regeneriere würde ich erwarten, dass die CaCl2-Lösung am Ausgang leicht sauer reagiert. Ich messe aber den gleichen pH-Wert wie am Eingang. Wieso?


A: Es gibt verschiedene Ionenaustauscher. Sauer reagieren beim Austauschvorgang nur die, die zu Beginn protoniert sind:

2 R-SO3H + Ca2+ ———> (R-SO3)2 Ca + 2 H+

Diese Austauscher regeneriert man auch mit einer starken Säure (meistens Salzsäure).

Andere, die man in empfindlichen Geräten wie den Geschirrspülermaschinen einsetzt, liegen in der Normalform als Natriumsalz vor:

2 R-SO3Na + Ca2+ ———> (R-SO3)2 Ca + 2 Na+

Die reagieren beim Austauschvorgang natürlich nicht sauer. Man regeneriert sie mit einer Natriumchloridlösung. (Hierzu Spezialsalz verwenden, das - anders als unser Speisesalz - frei von Zusätzen ist!)

Lesen Sie unsere Webseitengruppe zu den Ionenaustauschern.


1450
F: Betreff: Fragen zu Erklärung von Hybritisierung von Schwefel in Schwefelsäure, Schwefeligesäure,ThioschwefelsäurenDithionite und Dithionate

Wie kann man mit Hilfe der Orbitalkästchenschreibweise, ohne die Oktetregel zu verletzen erklären, dass der Schwefel in der Schwefelsäure sp3 hybritisiert vorliegt und pi-Bindungen mit dem Sauerstoff eingeht ?
Früher war doch erlaubt, die d-Orbitale hinzuzunehmen, d.h der Schwefel lag sp3d2 hybritisiert vor.
Das gleiche Problem habe ich bei der Thioschwefelsäure,der schwefeligensäure,Dithionate,Dithionite und Schwefeltrioxid.
Aus Ihrer Erklärung dass, der Schwefel im Sulfation sp3 hybritisiert ist und keine d Orbitale für die pi Bindung zum Sauerstoff braucht, wurde ich nicht schlau.
Meine Bitte ist, ob Sie die Hybritisierung des Schwefels für die Schwefeligesäure,Schwefelsäure und Thioschwefelsäure und Sulfation mit der Kästchenschreibweise vormachen könnten, anhand welcher , ich erkennen kann , wieso der Schwefel pi-Bindungen eigehen kann, ohne die Oktettregel zu verletzen.
Vielen Dank im Vorraus


A: Sie sind bei Ihren Studien offenbar an einem Punkt angekommen, bei dem ein in der Schule beliebtes Modell – nämlich das Kästchenschema – ausgedient hat. Auch wir haben uns davon verabschiedet, wie Sie in unserer Webseitengruppe zum Schwefel nachlesen können.

Dieses sehr statische Modell reicht nicht mehr aus, um die echten Bindungsverhältnisse zu erklären. Das betrifft vor allem die Energiebarrieren von 3p nach 3d. Das energetisch als nächstes erreichbare Orbital ist das 4s. Deshalb benutzen die Elemente der dritten Periode die 3d-Schalen noch nicht – auch wenn man früher wider besseres Wissen davon ausgegangen ist. Uns hilft auch nicht der Versuch weiter, entsprechende Lewisformeln für das Sulfat-Ion aufzustellen, indem man die doppeltgebundenen Resonanzhybride und damit 10- oder 12-bindigen Schwefel quasi als Realität zeichnet. (Trotzdem wird das aus alter Gewohnheit ab und zu noch immer gemacht. Das tun wir auch, wie ich gerade sehe…)

Um die Bindungszustände zu charakterisieren, muss es ausreichen, festzustellen, dass das zentrale S-Atom positive Partialladungen trägt, jedes der periphären O-Atome dagegen jeweils nur eine negative.

Hinzu kommt: Die Hybridisierung, die Sie beim Schwefel vornehmen wollen, funktioniert ideal nur bei den Elementen der zweiten Reihe des PSE. Wenn gesagt wird, dass das Sulfat-Ion wegen der tetraedrischen Anordnung seiner vier Liganden ein sp3-Hybrid sein muss, so ist damit nicht ausgeschlossen, dass es mesomeriebedingt Zustände gibt, bei denen der Sauerstoff so etwas wie eine Doppelbindung ausbildet. Aufgrund der dadurch verkürzten S-O-Bindungslängen ist tatsächlich von einem gewissen Doppelbindungscharakter auszugehen. Genaue Daten zu den Bindungslängen finden Sie z. B. im Holleman-Wiberg: Lehrbuch der anorganischen Chemie; Walter de Gruyter (Berlin).

Es ist also ab der dritten Reihe im PSE ein anderes Modell, die MO-Schreibweise bzw. das MO-Schema, anzuwenden. Ich verweise Sie auf entsprechende Literatur wie z. B. Cotton-Wilkinson-Gaus: Grundlagen der Anorgan. Chemie, VCH (Weinheim). Anleitungen zum Erstellen eines MO-Schemas finden Sie auch in Dickerson-Gray-Darensbourg: Prinzipien der Chemie, Walter de Gruyter (Berlin).

Leider sagen Sie nicht, wofür Sie das Ganze gebrauchen und auf welchem Level Sie eine Antwort erwarten. Wenn Sie Student sind, bitte ich Sie, mit Ihren Dozenten Kontakt aufzunehmen.

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Letzte Überarbeitung: 19. Februar 2008, Dagmar Wiechoczek