Kurze Fragen - Kurze Antworten
Aus dem E-Mail-Korb von Professor Blume

E-Mail-Gruppe 374
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2026
F1: Ich würde gerne wissen, was genau bindungschemisch passiert, wenn einige pulverförmige Stoffe, die in trockener Form zur Explosion neigen (z.B. Pikrinsäure) durch Zugabe von Wasser stabilisiert werden. Wie genau lässt sich diese Stabilisierung erklären?


A1: Explosionen haben zur Voraussetzung, dass nach der Zündung eine Reaktions- bzw. Flammenfront entsteht, die rasch voranschreitet.

Wenn ich z. B. einen nicht oder einen nicht so gut brennbaren Fremdstoff hinzufüge, so wird die Wärme- oder Reaktionsenergieübertragung gestört. Das kann das Voranschreiten der Flammenfront unterbinden und so die Explosion ausbremsen. Phlegmatisierungsstoffe (phlegmatisch: träge, schwerfällig) sind also in erster Linie Isolatoren hinsichtlich der Wärmeübertragung.

Bei Wasserstoff z. B. beobachtet man ein Ausbleiben der Knallgasprobe, wenn man CO2 zumischt. Das zu wissen ist wichtig für Versuche im Biologie-Unterricht, wenn man die bakterielle Methan- oder Wasserstoffproduktion demonstrieren will und das Gas, welches die Bakterien freisetzen, über Wasser auffängt und erfolglos versucht, dieses anzuzünden. Denn die Freisetzung von Methan und Wasserstoff ist oft mit einer Produktion von CO2 verbunden.

Pikrinsäure explodiert bekanntlich nur in trockenem, kristallinem Zustand. Durch Wasserzusatz wird die rasche Wärmeübertragung zwischen den Kristallen unterbunden.

Bei der Phlegmatisierung von Explosivstoffen handelt es sich also nicht um „bindungschemische Vorgänge“.

Es gibt neben den „Wärmefressern“ H2O und CO2 natürlich noch weitere phlegmatisierende Substanzen. Dazu gehören solche, die durch parallel ablaufende, aber langsamere Verbrennung Energiefresser sind. Beispiele sind diverse Öle. Das hoch explosive Nitroglycerin wird durch Adsorption an Kieselgut zum relativ „gutmütigen“ Dynamit phlegmatisiert.

Wenn man nachforscht, woher das Wort phlegmatisch stammt, stößt man auf einen bemerkenswerten Widerspruch: Phlegma bedeutet nicht nur Trägheit (der Psyche und des Schleims der Körpersäfte), sondern auch für die medizinische Entzündung. Im Altgriechischen steht phlegein für „entzünden, entflammen, verbrennen“ [1].

[1] Kluge: Ethymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Walter de Gruyter. Berlin - New York, 1995.


F2: Vielen Dank für die schnelle Antwort.
Gilt dies für alle Explosivstoffe? Ich habe von Stoffen gelesen, wie Schwermetallazide und trimere Peroxide, die auch eine Phlegmatisierung nicht vollständig stabilisieren kann. Ist bei diesen Stoffen daher die Reaktionsfront so stark, dass Wasser als nichtbrennbarer Stoff als Isolator nicht mehr ausreicht?


A2: Ich bin kein Sprengstoffexperte. Aber genau so ist es, wie Sie vermuten. Es gibt Sprengstoffe, deren Reaktion so rasch voranschreitet und deren Energiefreisetzung so stark ist, dass eine Phlegmatisierung die Explosion nicht aufhält.


2027
F1: Sie haben mir schon einmal sehr geholfen und nach Durchstöbern des E-Mail-Korbs habe ich keine praktische Lösung für mein Problem gefunden.

Also natürlich mache ich standardmäßig den „Kupferbrief“-Versuch, d. h. danach habe ich ein gehörig oxidiertes Kupferblech. Nun wird das auf Dauer teuer, wenn ich immer ein neues blankes Stück verwende. Nun weiß ich, dass ich Kupferoxid erhitzen kann und danach in Ethanol (oder Spiritus) halten kann, leider werden dabei nur wenige Stellen wird glänzend, der Rest bleibt oxidiert. Irgendwie habe ich etwas Bedenken eine Reduktion mit Wasserstoff im großen Stil durchzuführen, oft mache ich es nur im Kleinen mit einem Kupferdrahtnetz und Wasserstoff aus einer Spritze. Haben Sie einen praktischen Vorschlag, Kupferbleche (ca. 10 cm x 7 cm) wieder blank zu bekommen?

Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Viele Grüße nach Oerlinghausen (ich dachte schon, Sie wohnen ganz in der Nähe, da es hier einen winzigen Ort namens Oerdinghausen gibt…)


A1: Der Reiz des Kupferbrief-Experiments liegt darin, dass das blanke Blech
a) innen wegen fehlender Luftzufuhr blank bleibt,
b) bei wenig Luftzufuhr mit pulvrigem rotem Kupferoxid überzogen wird,
c) bei voller Luftzufuhr mit pulvrigem schwarzem Kupferoxid überzogen wird.
Dabei spielen auch Anlauffarben an den Übergängen der Zonen eine nicht unwesentliche Rolle.

Kupferbleche werden hergestellt, indem Kupfermetall kalt gewalzt wird. Dadurch wird es blank. Sie können das nachvollziehen, indem Sie Kupferpulver, das Sie z. B. beim Reduzieren von Kupferoxid mit Wasserstoff erhalten, mit einem Spatel auf einem harten Untergrund verreiben. Es wird zu blinkendem Kupfer.

Wenn sich beim Kupferbriefversuch Kupferoxid bildet, wird diese blanke Oberfläche aufgeraut. Zersetzen Sie also die gebildeten Kupferoxide z. B. mit verdünnter Salzsäure oder Schwefelsäure, werden die Oxide entfernt, aber die Aufrauung bleibt bestehen. Das Blech kann gar nicht wieder blank werden. Die gewünschten Kupferbrief-Effekte sind folglich nicht mehr so gut sichtbar.

Wenn Sie andererseits die Kupferoxide mit Alkohol reduzieren wollen, bildet sich auf dem Blech Kupferpulver, das keine blanke Oberfläche besitzt. Außerdem wird das Blech beim Abkühlen wegen der Luftzufuhr wieder oxidiert.

Sie sollten also immer frische Bleche einsetzen. Fragen Sie Ihren Installateur, der wird Ihnen sicherlich zu wohlfeilem Blech verhelfen.

Oerlinghausen liegt übrigens bei Bielefeld; es ist eine kleine Stadt („Bergstadt“) mitten im Teutoburger Wald - also wunderschön gelegen.


F2: Vielen Dank für die schnelle Rückmeldung! Auch wenn ich das Blech nun nicht wieder verwenden kann, so muss ich jetzt doch kein schlechtes Gewissen haben, nicht alles versucht zu haben :-)


A2: Sie sollten die benutzten Bleche nicht wegwerfen. Mit ihnen kann man ja noch Anderes machen - z. B. nach Reinigung der Oberflächen mit verdünnter HCl elektrochemische Versuche wie den Bau von Voltaelementen oder von Zitronenbatterien. Sie können auch nach kräftiger Oxidation der gebrauchten Kupferbleche mit ihnen Ethanol zu Acetaldehyd sowie Essigsäure oder Isopropanol zu Aceton oxidieren.


2028
F: Ich habe bislang erfolgreich mit den von Ihnen beschrieben nichtmechanischen Methoden meine Silberlöffel gereinigt. Sie werden aber nun nicht mehr blank.


A: Ich gehe davon aus, dass Ihre Löffel nicht aus Vollsilber bestehen, sondern aus Silberlegierungen gefertigt sind. Oftmals findet man die Ziffer 800 darauf eingeprägt. Das bedeutet im Allgemeinen, dass der Löffel zu 80 % aus Silber und zu 20 % aus anderem Metall besteht - meistens ist das Kupfer. Kupfer ist ein weniger edles Metall, das durch Umwelteinflüsse zu dunklem Oxid bzw. Sulfid umgewandelt wird. Anders als die Verbindungen von Silber kann es unter den Bedingungen des Silberreinigens nicht reduziert werden und bleibt oberflächlich erhalten.

Hinzu kommt, dass auch bei schonender, Silbermetall erhaltender elektrochemischer Reinigung immer etwas Silber verloren geht. Dann kommt das Kupfer hervor, das in feinverteilter Form dunkel erscheint.


2029
F1: Chemieunterricht.de ist eine tolle Seite, vielen Dank!

Ich habe eine Frage zum "Kupfertoner". Ich verstehe die Umsetzung von Silber in Silberhexacyanidoferrat(II). Mir ist auch klar, dass die rote Farbe der Fotos von Kupferhexacyanidoferrat(II) kommt.

Nur folgende 2 Unklarheiten habe ich:

Warum läuft die Reaktion

2 Cu2+ + Ag4[Fe(CN)6] ==> Cu2[Fe(CN)6] + 4 Ag+

überhaupt ab? Ist der Silberferricyano-Komplex nicht stabiler als der Kupferferricyano-Komplex? Immerhin ist der Silberkomplex schwerer wasserlöslich (Löslichkeitsprodukt ist ~1000x niedriger). Geht das Silber dann als Silbersulfat in Lösung?

Was ist die Rolle des Kaliumcitrats? Ich glaube, es müsste eine Bremse der Reaktion sein, indem es einen Kupfercitrat-Komplex bildet und so die Reaktion in wässriger Lösung unterbindet. Stimmt das?


A1: Sie meinen diesen Versuch.

Dass der Versuch gelingt, ist ohne Zweifel richtig. Ob man den so einfach erklären kann, wie Sie es versuchen, ist damit zweitrangig. Viele der Verfahren zur Fotografie beruhen auf alchimistisch anmutenden Rezepturen.

Zunächst zum Citrat: Dieses ist als externer Komplexbildner zu verstehen. Rotes Blutlaugensalz reagiert meines Wissens nach basisch, Citrat verhindert als Komplexbildner das Ausfällen von zunächst Kupfer(II)-hydroxid und anschließend das von Silberhydroxid. Silber wird wohl als Silber-citrat-Komplex in Lösung gehen.

Um mit den Konstanten argumentieren zu können, muss man die genauen Konzentrationsverhältnisse kennen. So startet man bei der Kupfertonung mit sehr hoher Konzentration an Cu-Ionen, aber sehr geringer an freien Ag-Ionen. Hinzu kommt noch die Freie Energie der Umkomplexierungsreaktionen, bei der auch das Citrat eine Rolle spielt.

Wir lernen daraus: Man soll nicht zuviel festmachen an Konstanten. Die sind für die „Schönwetterchemie“ gemacht und auch unter solchen Bedingungen bestimmt worden. Damit meine ich Chemie unter wohl definierten Labor-Standardbedingungen (wie Konzentrationen, Temperatur, Druck usw.).


F2: Vielen Dank für Ihre freundlichen Erklärungen, sie helfen mir sehr weiter!

Ja, so einfach erklärbar stellen wir Physiker uns die Welt halt vor...

Ich habe die Tönung nach Ihrem Rezept am Wochenende ausprobiert und sie hat in der Tat wunderbar funktioniert. Ich habe auch ähnliche Rezepte gefunden, doch nirgends war auch nur ein Wort über die Rolle des Citrats zu finden, das doch den Hauptanteil der Rezeptur ausmacht. Ich wusste, dass Citrat ein starker Komplexbildner ist, aber mit Ihren Erklärungen bin ich mir nun viel sicherer.


A2: Ich habe den pH-Wert noch einmal nachmessen lassen. Es stimmt: Die Lösung von Rotem Blutlaugensalz reagiert tatsächlich basisch; der pH-Wert liegt bei 8,6. Übrigens wirkt Citrat auch als Kristallisations-Inhibitor und sorgt so für feinere Zeichnung des Kupfertoner-Bildes.


2030
F: Ich bin Referendarin und stieß bei meiner Recherche auf ihr Internetangebot. Ich bin begeistert, dass Sie die Experimente nicht nur auf dem für Schüler verständlichen Niveau, sondern fachlich so präzise erläutern. Vielen Dank dafür, dass Sie ein solches Angebot kostenfrei zur Verfügung stellen.

Insbesondere der Tipp zum Monat Februar 2004 (Tipp-Nr. 80) fand ich sehr hilfreich.

Zur Bestimmung des Luftsauerstoffgehalts über die Verbrennung von Phosphor, habe ich eine ganz praktische Frage.

In den Tiefen der Chemie Sammlung konnte ich ein Fläschchen roten Phosphor aufstöbern. Dieses stammt aus einer Zeit in der Gefahrensymbole noch unbekannt waren und die Bayer AG noch das Wort "Farbenfabriken" in ihrem Namen trug. Der Phosphor ist mit einer 2cm hohen braunen Flüssigkeitsschicht bedeckt und von breiiger Konsistenz.

Kann diese Menge an Flüssigkeit alles entstandene Phosphorsäure sein? Kann ich den Phosphor in diesem Zustand noch verwenden? Wie kann ich ihn reinigen? Und vor allem wie anschließend ohne Risiko trocknen?

Ich würde mich freuen wenn Sie die Zeit finden mir zu antworten.
Meine Fachlehrer konnten mir hierbei leider nicht weiterhelfen.


A: Dank für Ihre nette Mail.

Roter Phosphor gilt als hygroskopisch. Genau genommen handelt es sich um seine Oxide (vor allem P2O5), die wasseranziehend wirken. Lässt man also eine Probe von Phosphor länger stehen, so reagiert sie langsam mit Sauerstoff, bildet Oxide und wird wegen des Wasserdampfes der Luft feucht. Über Jahre kann es bei schlecht geschlossenen Gefäßen zur Wasseransammlung kommen.

Bei der Flüssigkeit handelt es sich somit um gelöste Phosphorsäuren. Das erkennen Sie daran, dass die Flüssigkeit deutlich sauer reagiert.

Sie können den roten Phosphor ausspülen, abfiltrieren oder absitzen lassen. Dann trocknen Sie ihn in einem Exsikkator über KOH-Plätzchen oder konzentrierter Schwefelsäure. Auch Phosphorpentoxid ist zu empfehlen. Den so getrockneten roten Phosphor können Sie unbedenklich aufbewahren. Gefahrstoffkennzeichnung ist (F,N). Wichtig: Das Gefäß muss wirklich gut und luftdicht schließen, damit es nicht wieder zur Oxidation mit anschließender Feuchtigkeitsbildung kommt.

Roter Phosphor wird also nicht - wie weißer bzw. gelber Phosphor - durch Einlegen in Wasser stabilisiert. Der käufliche rote Phosphor ist durch Zusatzstoffe bereits herstellungsseitig chemisch stabilisiert.

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Letzte Überarbeitung: 17. März 2013, Dagmar Wiechoczek