Prof. Blumes Tipp des Monats März 2003 (Tipp-Nr. 69)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Warum schillern Benzin- und Ölflecken auf dem Wasser in allen Farben?

Wir kennen alle das Phänomen: Wenn man auch nur ganz wenig Benzin oder besser Mineralöl auf Wasser oder auf den feuchten Boden vergossen hat, breitet es sich rasch aus. Und man sieht im Tageslicht prächtige, in allen Regenbogenfarben schillernde Flächen. Und wenn man sich beim Betrachten ein wenig bewegt, so scheinen die Farben zu wechseln. Auch das vorsichtige Bewegen der Wasseroberfläche führt zu einer erstaunlichen Mustervielfalt. Man sagt, dass die Farben "changieren". Das Farbenspiel müssen wir leider oft auf der Pflasterung von Tankstellen oder auf Bächen neben Straßen beobachten, denn Öl verschmutzt Gewässer. Das kann man auch mit einer Schale Wasser zu Hause selbst nachprüfen. Allerdings benötigt man Tageslicht oder eine sehr starke Halogenlampe.


Bild 1 (Foto: Daggi)


Wir erinnern uns: Licht besteht aus elektromagnetischen Wellen. Bestimmte Wellenlängenbereiche charakterisieren eine Farbe. Weißes Licht ist eine Mischung aus allen bekannten Spektralfarben. Wenn es durch ein optisch dichtes Medium läuft, wie zum Beispiel durch ein Prisma, einen Wassertropfen usw., wird es gebrochen. Der Brechungswinkel hängt von der Wellenlänge, also von der Farbe des Lichts ab. Rotes Licht wird weniger, blaues stärker abgelenkt. So kommt es zur Auffächerung des weißen Lichts zum breiten Spektrum. Wir nennen das Phänomen Streuung oder Dispersion. Das kennen wir auch vom Regenbogen. Diese Dispersion ist aber nicht die Ursache für die Farben der Benzinflecken auf dem Wasser.

Das beim Öffnen anzuwendende Stichwort lautet Farbbildung an dünnen, durchsichtigen Schichten. Im Mittelpunkt steht hier nicht so sehr die Brechung, sondern ein anderes optisches Phänomen, die Beugung, die bei Einstrahlung von weißem Mischlicht ebenfalls zur Farbdispersion führt.

Zunächst muss klar sein, dass sich Benzin kaum mit Wasser mischt. Denn Benzin besteht aus Kohlenwasserstoffen. Und weil Benzin außerdem leichter ist, schwimmt es auf dem Wasser. Wenn nicht zu viel Benzin auf das Wasser geschüttet wird, breitet es sich rasch aus und bildet einen sehr dünnen, durchsichtigen Film, also eine dünne Schicht. Das gleiche gilt übrigens auch für Mineralöl.

Nun fällt Licht auf diesen Film. Da Benzin optisch dichter ist als Luft, wird das Licht beim Eindringen ins Benzin gebrochen und in seine Spektralfarben zerlegt. An der Wasseroberfläche unter dem Benzin wird es dann reflektiert, durchdringt das Benzin erneut und wird wieder gebrochen. An der Grenze zur Luft wird es erneut reflektiert, ins Benzin zurückgeschickt - und so geht es als Zick-Zack-Reflexion weiter. Wir haben hier ähnliche Verhältnisse wie bei einem Beugungsgitter, genau genommen wie bei einem Reflexionsgitter. Die reflektierten Strahlen gehen nicht einfach weiter oder verlassen auch nicht ohne weiteres den Ölfilm, sondern beeinflussen einander. Als Folge dieses "Hin und Hers" zwischen den Phasengrenzen überlagern sich einige Wellenlängenbereiche. Das können wir mit einem einfachen mechanischen Modell zeigen:

Zwei sich gegenüber stehende Leute bringen ein Seil zum Schwingen, indem sie es an den Enden fassen und die Enden auf- und abwärts bewegen. Machen es beide Leute richtig im Takt, schwingt das Seil viel besser, die Schwingung verstärkt sich zunehmend. Wenn die beiden Leute den Takt nicht einhalten, bleibt trotz aller Bemühungen das Seil schwingungsfrei. Die gegenläufigen Schwingungen verstärken sich also oder löschen sich aus.

So ist es auch beim reflektierten Licht im Benzinfilm. Das Verstärken oder Auslöschen geschieht durch Überlagerung der Wellen, aus denen das Licht besteht. Man nennt das Phänomen Interferenz. Voraussetzung sind bestimmte Gangunterschiede zwischen den Wellen, ausgedrückt in Wellenlängen-Einheiten mit dem Symbol l. Das zeigen die folgenden Bilder anhand verschobener Sinuskurven. Ist der Gangunterschied l/2, so löschen sich die Wellen aus. Ist der Gangunterschied l, so verstärken sich die Wellen. Letzteres gilt auch für l/4.

Bild 2: Interferenz von Wellen. Gestrichelt und Gepunktet: Ursprungswellen; Linie: Interferenzergebnis.
Die Einteilung der Abszisse beruht auf l = 2 p.
1. Bild: Ein Gangunterschied der beiden Ursprungswellen l/2 führt zur Auslöschung. Die Additionslinie läuft entlang der Abszisse
2. Bild: Ein Gangunterschied l/4 führt zur Verstärkung
3. Bild: Ein Gangunterschied l führt zur optimalen Verstärkung. In der Graphik lassen sich die Einzelwellen nicht unterscheiden, da sie gleichsinnig verlaufen


Der Rest des weißen Lichts addiert sich zur Komplementärfarbe des ausgelöschten Spektralbereichs. Wird also durch Interferenz rotes Licht ausgelöscht, so wird blaugrünes Licht abgestrahlt.

Das Interferenzbild ist verzerrt und sehr instabil, da sich die Schichtdicke ständig ändert. Gründe hierfür sind Fließbewegungen des Wassers und des Benzins, ausgelöst u. a. auch durch Wind und feine Erschütterungen. Man kann so wunderschöne Farbeffekte zaubern.
Da Teile des Benzins verdunsten, sind der Film und damit das Farbenspiel beim Benzin besonders dynamisch. Beim Ölfilm fällt das nicht so auf, der wirkt viel ruhiger. Der Ölfilm hält deshalb viel länger, so dass man das Phänomen am besten damit studieren sollte.
Welche Farben sich bilden, ist abhängig vom Winkel der Oberfläche zur Lichtquelle. Das kann man zeigen, indem man durch Bewegen des Experimentiergefäßes Wasserwellen erzeugt und diese gegen die Lichtquelle betrachtet.

Auch die Schichtdicke des Benzinfilms ist für die Farbbildung bedeutsam. Deshalb erkennt man gerade zum Rand des Ölflecks hin besonders schöne Farbzonen. Kein Wunder, dass man mit dieser Methode auch Schichtdicken messen kann! Das Farbenspiel beobachten wir ab Schichtdicken zwischen 10 bis 1000 Mikrometer.
Hinzu kommt, dass der Farbeindruck auch noch vom Blickwinkel des Betrachters und damit von dessen Bewegungen abhängig ist.
Insgesamt resultiert daraus das schillernde Farbmuster von Benzin oder Öl auf Wasser.


Bild 3 (Foto: Daggi)


Der farbbildende Interferenz-Effekt tritt auch bei anderen dünnen Schichten auf. Zu nennen ist die Haut von Seifenblasen, dazu Kristallbruchflächen (typisch: Haarrisse in großen Bergkristallen), chemisch gealtertes (rekristallisiertes) römisches Glas im Museum, Oxidschichten auf Metallen (so genannte Anlauffarben, etwa beim Kupferbrief oder bei den metallbedampften Tiffani-Lampen). Allen gemeinsam sind dünne, durchsichtige Schichten, die mit dem einfallenden weißen Licht wechselwirken. Da die Häutchen der Seifenblasen immer im Fließen begriffen sind, changieren diese im einfallenden Licht ganz besonders. Bei den Seifenblasen wird auch die Bedeutung des Einfallswinkels des Lichts für die Farbentstehung deutlich.

Übrigens zeigen auch CD-ROMs schöne Farbmuster. Das liegt zunächst an ihrem dünnen Lacküberzug, der die den Laserstrahl reflektierende feine Metallschicht schützen soll. Bei einer CD kommt neben dieser Interferenz an den dünnen (Lack-)Schichten aber noch die Beugung des Lichts an den feinen Rillen hinzu, so dass die Oberfläche zusätzlich wie ein dispergierendes Beugungs-Ritzgitter wirkt, das man in jedem modernen Spektralphotometer findet. Hierbei entstehen die Spektralfarben nicht durch Brechungs-Dispersion wie in einem Prisma, sondern durch Interferenz zwischen den einfallenden und den an den Ritzen reflektierten Strahlen. Zur Demonstration der Beugungs-Dispersion muss man das Ritzgitter im einfallenden weißen Licht drehen. Die Richtungsabhängigkeit des Farbmusters beobachten wir ja auch bei der CD-ROM - und auch beim Benzinfilm!
(In diesem Zusammenhang ist es vielleicht von Interesse, dass einige Autoren vorschlagen, mit einer CD-ROM in das Prinzip der Spektralanalyse einzuführen.)

Auf ähnlichen Effekten beruhen auch unechte Holographien, die unsere Euro-Geldscheine und unsere Scheckkarten zieren.

Mit der Beugung von elektromagnetischer Strahlung ist auch ein Blick ins Gitter von Kristallen möglich.


Rüdiger Blume


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Letzte Überarbeitung: 08. Januar 2012, Dagmar Wiechoczek