Prof. Blumes Tipp des Monats Mai 2004 (Tipp-Nr. 83)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Und Stickstoff reagiert doch!

Immer wieder wird gesagt, dass Stickstoff chemisch "wie ein toter Hund reagiert", also gar nicht. Deshalb dient er ja auch als konservierendes Schutzgas in der Lebensmittelindustrie und anderswo. Dabei soll er den Zutritt von hochreaktivem Sauerstoff verhindern.

Wenn man ihn dennoch zur Reaktion überreden will, muss man viel Energie aufwenden (wie zum Beispiel durch Gewitterblitze bei der so genannten Luftverbrennung). Oder man hat geeignete Katalysatoren hinzuzugeben. So macht es die Industrie, wenn sie zum Beispiel aus Stickstoff und Wasserstoff Ammoniak herstellt. Das ist das bekannte Haber-Bosch-Verfahren. Die Pflanzen haben einen viel eleganteren Weg gefunden: Sie nutzen die Fähigkeit vieler, mit ihnen zusammen lebender Bakterien aus, schon bei Zimmertemperatur den Stickstoff der Luft mit Hilfe eines ausgeklügelten enzymatischen Syntheseapparats zu binden ("fixieren"). Den auf diese Weise chemisch verfügbar gemachten Stickstoff benötigen die Pflanzen zum Aufbau ihrer Biomasse - Proteine, Nucleotide und Nucleinsäuren sowie viele Vitamine. Aber auch andere Inhaltsstoffe wie schützende giftige Alkaloide sind hier zu nennen. Die Bakterien beziehen dafür von den Pflanzen als Belohnung leckeren Zucker.

Wir können aber auch im Schullabor vorführen, wie der Stickstoff zur Bindung gezwungen werden kann. Dabei hilft uns Magnesium, das wir schon früh als ein sehr gut brennendes Metall kennen gelernt haben (zum Beispiel aus dem Tipp des Monats). Für uns ist wichtig: Magnesium reagiert beim Verbrennen nicht nur mit dem Sauerstoff, sondern auch mit dem Stickstoff der Luft.

           2 Mg + O2 ———> 2 MgO + Energie

           3 Mg + N2 ———> Mg3N2 + Energie

Das zeigen wir anhand des folgenden Versuchs.

Versuch 1: Verbrennen von Magnesiumspänen
Auf eine feuerfeste Unterlage (z. B. auf einen Ziegelstein) häufeln wir nicht zu wenig Magnesiumspäne und entzünden die Spitze des Haufens mit dem Bunsenbrenner. Schutz- oder Sonnenbrille aufsetzen, nicht in die grelle Flamme sehen! Dann überlassen wir die Späne sich selbst. Sie fangen zunächst erstaunlich langsam an zu brennen, die Flamme und Hitzeentwicklung nehmen aber stetig zu. Zum Schluss lassen wir die Masse gut abkühlen.

Bild 1: Brennende Magnesiumspäne
(Foto: Daggi)


Man nimmt das weiße Produkt nach der Abkühlung auseinander. Der Haufen ist ziemlich hart! Im Inneren des Haufens erkennen wir eine gelbliche bis graue, kristalline Masse: Magnesiumnitrid.

 

Bild 2: Links: Magnesiumoxid
Rechts: Der auseinander genommene Haufen nach der Reaktion
(Fotos: Daggi)


Die Bildung des Nitrids können wir nachweisen, indem wir das Reaktionsprodukt mit Wasser reagieren lassen. Es werden dabei Ammoniak (und für uns nicht wichtig: auch andere Stickstoffwasserstoffverbindungen) freigesetzt.

Versuch 2: Untersuchung von Magnesiumnitrid (Abzug!)
Wir geben eine Probe der gelben Masse in ein Becherglas (100 ml). Das decken wir mit einem Uhrglas ab, auf dessen Unterseite wir zuvor ein feuchtes Universalindikatorpapier geklebt haben. Das geben wir etwas Wasser zu der Probe. Die Mischung schäumt auf. Das Indikatorpapier färbt sich augenblicklich tiefblau. Wir machen die Geruchsprobe. (Vorsicht! "Chemisch schnuppern", indem wir uns den Dampf zufächeln!)

Bild 3 (Foto: Daggi)


Es riecht stechend nach Ammoniak. Das Indikatorpapier färbt sich blau, da Ammoniak mit Wasser eine Lauge bildet.

           Mg3N2 + 6 H2O ———> 3 Mg(OH)2 + 2 NH3

           NH3 + H2O ———> NH4+ + OH-

Übrigens hat man früher tatsächlich auf diese Weise Ammoniak hergestellt. Das war ein teures Verfahren, da man ja zuvor durch Schmelzflusselektrolyse Magnesium gewinnen musste!

Bleibt noch die Frage, warum der Haufen nach dem Verbrennen so merkwürdig geschichtet ist: Außen sieht man deutlich das weiße Oxid, innen das gelb-graue Nitrid. Und das, obwohl in der Luft doch vier Mal mehr Stickstoff vorhanden ist als Sauerstoff! Der Grund ist: Die Reaktion mit Sauerstoff ist bevorzugt, weil sie mehr Energie freisetzt. Erst wenn der Sauerstoff verbraucht ist, bekommt auch der Stickstoff seine Chance - und das ist mitten drin im Haufen.

Die Reaktion zwischen Stickstoff und Magnesium führt übrigens auch zu interessanten Verwirrungen. Wenn man z. B. den quantitativen Umsatz bei der Verbrennung von Magnesium berechnen will, kommt immer zu wenig heraus – wenn man fälschlicherweise nur von Magnesiumoxid ausgeht. Klicke hier.


Rüdiger Blume


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Letzte Überarbeitung: 09. Juli 2009, Dagmar Wiechoczek