Prof. Blumes Tipp des Monats Juni 2009 (Tipp-Nr. 144)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.



Bild 1: Rote Bete aus dem Supermarkt (Foto: Blume)


Betanin - Der Farbstoff der Roten Bete

Rote Bete-Zubereitungen sind echt lecker. Sie schmecken frisch, dazu aber auch merkwürdig erdig. Vor allem aber machen sie unser manchmal etwas fad aussehendes Essen farbig, genau genommen färben sie es rot ein. Was wäre zum Beispiel der Heringssalat ohne Rote Bete-Saft?

Lehrern und Schülern stellt sich darüber hinaus immer wieder die Frage: Kann man den Rote Bete-Saft auch als Bio-Indikator nehmen - wie zum Beispiel die Anthocyane?

Die Rote Bete (oder auch Rote Rübe genannt) ist eine Variante der Zuckerrübe (Beta vulgaris). Ihr Farbstoff heißt Betanin. Er liegt an Glucose gebunden vor.

Bild 2: Rote Bete und die Struktur ihres Farbstoffs (Foto: Blume)


Wenn der Zucker abgespalten wird, erhält man das „Aglykon“, Betanidin. (Die gleiche Benennung finden wir bei den Anthocyanen und ihren Aglykonen, den Anthocyanidinen.

Typisch für Betanin ist eine Molekül-Konstellation, die Betainstruktur genannt wird. Diese ist im Bild 2 rot markiert.

Ein Betain ist eine Verbindung, die ein vierfach gebundenes („quartäres“) N-Atom (positiv geladen) und ein Säure-Anion (negativ geladen) trägt. Es handelt sich um ein stabiles Zwitter-Ion. Typisch ist sein großes Dipolmoment.

Betain im engeren Sinne ist eine Substanz, die zuerst in der Zuckerrübe (Beta!) gefunden wurde. Chemisch ist es N-Trimethyl-glycin.

Bild 3


Zu den Betainen gehört zum Beispiel auch das Lecithin.

Die Farbstoffgruppe nennt man Betalaine. Hier ist die Grundstruktur.


Bild 4


Bemerkenswert ist, dass dieser Farbstofftyp weit verbreitet ist. So findet man ihn auch im Hut des Fliegenpilzes.


Bild 5: Fliegenpilz (Foto: Blume)


Betanin ist kein Indikatorfarbstoff
…, denn es ändert seine Farbe kaum mit dem pH-Wert seiner Lösung.

Um als Indikator wirken zu können, muss eine Substanz mit dem Austausch von Protonen ihre Farbe deutlich ändern. Das heißt, es muss zu einer kräftigen Umgruppierung der Elektronenanordnung im Chromophor mit einer entsprechenden Veränderung der mesomeren Zustände kommen.

Versuch: Indikatoreigenschaften von Betanin
Wir geben in drei Reagenzgläser etwas Saft aus einem gekauften Rote Bete-Glas. (Im Allgemeinen werden Rote Bete sauer eingelegt.) Dann geben wir zum ersten Glas noch etwas mehr Säure (z. B. Essigsäure oder Ameisensäure) (Xi), zum zweiten festes Natriumhydrogencarbonat (Vorsicht: Die Mischung schäumt wegen des freigesetzten CO2 kräftig auf!), und zum dritten Glas geben wir Natronlauge (C).

Ergebnisse: Die erste Lösung ändert ihre Farbe nicht, die zweite wird gelborange und die dritte rotviolett.

Bild 6: Farben des Rote Bete-Safts.
Von Links nach Rechts: Sauer, neutral, alkalisch
(Foto: Blume)


Im Molekül des Betanins können zwar einige Protonen abdissoziieren oder andocken, aber das bleibt ohne sonderliche Folgen auf das farbgebende System. Die Ursache für die leichten Farbänderungen liegt wohl im Phenolrest des Benzolrings (vergleiche Bild 2). Das alles reicht für den Einsatz als Indikator nicht aus; die Farbumschläge sind zu undeutlich.

So sind die Betalaine einfach nur schön rot bis gelb gefärbt. Betanin setzt man deshalb als Lebensmittelfarbstoff ein. Es hat sogar eine eigene E-Nummer: E 162 (Beetenrot).

Betanin ist aber nicht nur gegenüber extremen pH-Werten erstaunlich stabil. Beispielsweise werden Rote Bete, ohne dass der Farbstoff Schaden nimmt, bei der Zubereitung gar gekocht und nach dem Abfüllen in Gläser noch einmal pasteurisiert.


Seien Sie nicht gleich zu Tode erschrocken, wenn Sie...
... einmal lilarot pinkeln oder wenn Ihr Stuhlgang rot ist! Vor dem Ausbrechen von Panik müssen Sie überlegen: Haben Sie vorher vielleicht zuviel Rote Bete genascht?

Denn etwa ein Fünftel der Europäer (zu denen auch ich gehöre) kann Betanin nicht abbauen, so dass dieser rote Farbstoff unverändert ausgeschieden wird.

Auf jeden Fall geht der Effekt schnell vorüber. Das weiß ich aus Erfahrung: Ich habe im heißen Sommer beim „Bund“ zur Erfrischung einmal einen ganzen Teller voll Rote Bete verputzt...


Last but not least
Warum schmecken Rote Bete eigentlich immer so erdig? Zu diesem Problem haben wir eine Erklärung. Lies Frage 1857.


Rüdiger Blume


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Letzte Überarbeitung: 29. Juli 2010, Dagmar Wiechoczek