Kurze Fragen - Kurze Antworten
Aus dem E-Mail-Korb von Professor Blume

E-Mail-Gruppe 340
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1856
F: Was ist der Farbstoff der Radieschen? Und warum schmecken Radieschen so scharf - fast wie Rettich?


A: Es handelt sich beim Farbstoff der Radieschenschale um Pelargonin. Das ist ein Anthocyan, das am seitlichen Ring des Chromans nur eine phenolische Hydroxygruppe trägt.


Es hat ähnliche Indikatoreigenschaften wie das wesentlich intensiver gefärbte Cyanin. Klicke hier.
Pelargonin ist benannt nach der Pelargonie, einem Geraniengewächs.

(Foto: Blume)


Bleibt noch Ihre zweite Frage, warum die Radieschen so scharf schmecken. Das haben sie mit fast allen Kreuzblütlern (Brassicaceae) gemeinsam, zu denen z. B. auch Rettich, Meerrettich und Senf gehören. Für die Schärfe sind die nach letzterem benannten Senföle verantwortlich. Dies sind Isothiocyanate mit der allgemeinen Formel R-N=C=S. Sie werden erst beim Zerkleinern des Gewebes enzymatisch aus einer Vorstufe, den Glucosinolaten, gebildet. Die Reaktion ist ziemlich kompliziert und umfasst nicht nur Hydrolysereaktionen, sondern auch eine Umlagerung.


Bei Radieschen und Rettich (beide Namen stammen vom lateinischen Wort für Wurzel, radix, ab) handelt es sich speziell um diese Substanz:


Die Pflanzen stellen diese Stoffe übrigens her, um Fressfeinde abzuschrecken.


1857
F: Warum schmecken Rote Bete so erdig?


A: Eine kleine Korrektur vorneweg: Rote Bete schmecken nicht erdig, sondern sie riechen erdig. Sie enthalten einen Stoff namens Geosmin. Der wird von bestimmten Bodenbakterien synthetisiert und ist schon in geringsten Mengen am Geruch zu erkennen.

Es handelt sich um einen artfremden Aromastoff, der normalerweise nicht in der Roten Bete vorkommt. Man spricht von einem Aromafehler, der der Roten Bete aber die besondere Würze verleiht.

Wie kommt der Stoff überhaupt in die Rote Bete? An deren Schale haftet aufgrund ihrer unglatten Struktur trotz guter Reinigung stets immer noch viel Erde an. Wenn die Knolle geschält wird, kommt es zum Übergang von Geosmin in den Knollensaft bzw. ins Knollengewebe.

Hier berichten wir Genaueres über Geosmin: Frage 1527.


1858
F: In einer TV-Sendung wurde über Tetrodotoxin berichtet. Was ist das chemisch?


A: Es handelt sich um das Gift einer Gruppe von Bakterien, die dieses Gift durch ihre Besiedlung auch auf andere, höhere Organismen wie Fische übertragen. Bekannt geworden ist dieses Gift vor allem durch die Fugufisch-Arten, der japanischen Leibdelikatesse (wenn man mal von Walfleisch absieht...). Es gibt aber noch viele andere Tiere, wie z. B. Mollusken oder Lurche, die das Gift enthalten. Man spricht von passiv-giftigen Tieren; denn sie speichern das Gift in bestimmten Organen und benutzen es als Abwehrwaffe gegen Fressfeinde.

Chemisch handelt es sich um ein Chinazolin-Alkaloid. Das Doppelringsystem liegt allerdings voll hydriert vor. Die Verbindung enthält, wie man anhand der drei eng benachbarten O-Atome sieht, eine Lactal-Struktur, also quasi ein doppeltes Lacton (innerer Ester).

Die Giftigkeit von Tetrodotoxin (und anderer, verwandter Substanzen) beruht darauf, dass es das Zentralnervensystem lähmt. Es wechselwirkt nämlich selektiv mit den Na+-Ionenkanälen von reizbaren Nervenzellen und verhindert so den Aufbau von Aktionspotentialen. Damit blockiert das Toxin die Reizübertragung. Die Vergiftung führt zur Schwächung des gesamten Organismus; letztlich stirbt man an Atemlähmung.

Die oben beschriebenen passiv-giftigen Tiere haben gegen Tetrodotoxin Resistenzen aufgebaut. Ihre Na+-Kanäle zeigen keine Wechselwirkung mit dem Toxin.

Die japanischen Köche müssen mühsam erlernen, welches Organ bei welcher Fugufisch-Art sie entfernen müssen, damit sie die Delikatesse servieren können. Denn jede Fischart hat ihren Giftspeicherplatz in einem anderen Organ. Die Kochprüfung besteht darin, dass sie den „entgifteten“ Fisch selber essen müssen...


1859
F: Welche Erklärung gibt es für das Phänomen, dass Kaffee Gerüche neutralisiert? Kann man die Wirkungsweise mit Aktivkohle vergleichen oder eher mit der der Cyclodextrine??? Vielleicht haben Sie eine Idee. Über die Inhaltsstoffe bin ich nicht so richtig zum Ziel gekommen.


A: Sie meinen gekochten Kaffeesatz, den man auf einen Teller ausstreichen soll. Das Gleiche geht auch mit gekochten Teeblättern.

Gleich vorneweg: Mit Röstkaffee, der noch nicht gekocht („extrahiert“) wurde, ist das ganz anders: Der adsorbiert keineswegs Gerüche. Im Gegenteil duftet er für viele Leute nach Kater-Urin, denn er emittiert Schwefelverbindungen. Das liegt daran, dass seine adsorptiv wirkenden Stellen durch die Base Coffein (usw.) blockiert werden. Gleiches gilt für Tee, der allerdings keinen stinkigen Eigengeruch aufweist.

Bei Geruchsmolekülen handelt es sich fast immer um wenig polare Substanzen, sonst könnten die ja nicht so einfach verdampfen („verduften“). Man muss sich also überlegen, was für die als Bindungspartner im Kaffeesatz in Frage kommt. Cyclodextrine sind es sicher nicht. Ich denke da eher an die für Kaffee und Teeblätter typischen polymeren Polyphenole, letztlich Lignin, das im Kaffee durchaus enthalten ist. Hinzu kommen Flavenole und Chlorogensäuren. Klicke hier.

Deren saure Phenolgruppen werden freigesetzt, wenn die drei Basen Coffein, Theobromin und Theophyllin extrahiert worden sind. Nun können sie auf Geruchsmoleküle adsorptiv wirken. Vom Bindungstyp her handelt es sich in erster Linie um van der Waals-Kräfte. Aber auch Wasserstoffbrücken sind denkbar.

Dazu kommt noch ein anderer desodorierender Effekt: Kaffeesatz riecht für uns angenehm und überdeckt deshalb mit seinem Geruch andere Gerüche.

Ich empfehle Ihnen als Kompendium zur chemischen Zusammensetzung von Lebens- und Genussmitteln und zu den Abläufen sowie chemischen Prozessen bei der Lebensmittelproduktion sowie -bearbeitung folgendes Buch, das in jede Schul-Fachbibliothek gehört:

H.-D. Belitz, W. Grosch, P. Schieberle: Lehrbuch der Lebensmittelchemie; Springer-Verlag, 6. Auflage, Berlin Heidelberg New York 2008.


1860
F: In meiner Frage geht es um den Modellversuch zur Eiweißverdauung. Was ist "w" = 5% ausgesprochen? Und warum benötigt man genau eine 5%-ige Pepsin-Lösung? Wird in unserem Magen 5%-iger Pepsin gebildet, der zur Eiweißverdauung beiträgt?

Und haben Sie schon mal von dem Mythos gehört, dass Pepsinwein die Eiweißverdauung fördern soll? Halten Sie diesen Mythos für wahr oder lediglich für eine unnütze Erfindung?


A: Bei Pepsin handelt es sich um eine Mischung von einer Gruppe von ähnlich gebauten und wirkenden Proteasen, deren Vorstufen („Pepsinogen“) in der Magenschleimhaut synthetisiert werden. Durch hydrolytisches Abspalten eines Peptidrests werden diese Enzyme im Magenlumen aktiviert. Da das durch Pepsin selbst erfolgt, handelt es sich um eine Autokatalyse.

Zur Konzentrationsangabe:
Die Abkürzung „w =… %“ steht für den prozentualen Gehalt einer Mischung - bezogen auf die Massen bzw. Gewicht (engl. weight). Hier heißt es also: 5 g Pepsin auf etwa 100 g (oder 100 ml) Wasser (oder Salzsäure).

W-Werte sind im Allgemeinen nur Richtwerte. Ihre Angabe soll bewirken, dass Experimentierende nicht unnötig konzentrierte oder zu verdünnte Lösungen ansetzen. Hier geht es darum, den Effekt des Pepsins z. B. im Schulunterricht in einer Stunde zu zeigen.

Im Magen ist die Pepsin-Konzentration viel geringer. Deshalb dauert die Verdauung auch viel länger; ein guter Gänsebraten liegt viele Stunden im Magen.
Täglich wird etwa 1 g Pepsin erzeugt. Diese Menge reicht aus, um über den Tag etwa 600 kg (!) Protein (Hühnerei-Albumin) zu zerlegen.
Konzentrationswerte liegen mir aber nicht vor. Ich weiß nur, dass diese stark variieren; schon zwischen Mann (die haben mehr) und Frau (weniger) gibt es Unterschiede.
Das alles hängt darüber hinaus noch von der Speisenzusammensetzung ab, die die Menge an Magensaft beeinflusst.

Zum Pepsinwein:
Dieser soll der Verdauung dienen (griechisch pepsis, Verdauung). Letztlich ist es nur ein Likör auf der Basis von Dessertweinen wie Sherry (Alkoholgehalt ab 16 Vol%), dem man Pepsin beigemischt hat (im Allgemeinen w = 2,5 %).
Das Pepsingemisch stellt man her, indem man die Magenwand von Schlachttieren extrahiert - zum Beispiel mit verdünntem Alkohol.
Der im Pepsinwein enthaltene Alkohol soll ebenfalls die Verdauung fördern, indem er zum Beispiel die Salzsäureproduktion der Magenschleimhaut ankurbelt. Die Wirkung von Alkohol ist jedoch umstritten.

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Letzte Überarbeitung: 11. November 2012, Dagmar Wiechoczek