Prof. Blumes Tipp des Monats November 2009 (Tipp-Nr. 149)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Der Chemische Garten

Bild 1: Ein Stück unseres sommerlichen Gartens
(Foto: Blume)


Die sommerliche und herbstliche Blumenpracht ist zu Ende. Da wird es Zeit, sich nach Ersatz umzusehen. Wie wäre es mit einem chemischen Garten? Der hat den Vorteil, dass man ihn sich selbst züchten kann. Außerdem braucht man ihn auch nicht zu gießen. Und dazu lernt man wieder eine Menge an Chemie.

Sie benötigen neben verdünnter Wasserglaslösung möglichst große Kristalle (aber keine selbstgezüchteten Kristallriesen!) von den folgenden Salzen. Man nimmt natürlich die handelsüblichen Formen (also die entsprechenden Hydrate).

Salze Gefahrensymbole Farbe der "Pflanze"
Kupfer(II)-sulfat oder
Kupfer(II)-chlorid
Xn N hellblaugrün
Calciumchlorid Xi weiß
Kalium-Aluminiumalaun   weiß
Nickel(II)-sulfat Xn grasgrün
Eisen(III)-chlorid oder
Ammonium-Eisenalaun
Xi gelbbraun
Eisen(II)-sulfat Xn hellgrün
Cobalt(II)-chlorid Xn rosa
Mangan(II)-sulfat Xn N rosa bis braun
Kalium-Chromalaun   violett bis grün


Achtung: Wasserglaslösungen sind stark alkalisch und deshalb ätzend!

Versuch 1: Chemischer Garten
Verdünnen Sie eine käufliche Wasserglaslösung (w = ca. 50 %) (C) mit dem gleichen Volumen an destilliertem Wasser. Vermischen Sie sehr gut. Füllen Sie mit dieser Lösung ein hohes, klares, verschließbares Glas. Das Glas sollte nicht zu wertvoll sein, denn nach dem Experiment ist es erfahrungsgemäß nicht mehr zu gebrauchen…
Werfen Sie die Kristalle möglichst einzeln in die Lösung. Verwenden Sie dazu am besten eine Pinzette. Je größer die Kristalle sind, desto schöner wächst der Baum. (Natürlich dürfen sie auch nicht zu groß sein.) Die Kristalle sollte man nicht spatelweise hineinschütten: Dann sieht bald alles sehr „krautig“ aus. Und nicht alle Salzarten auf einmal einwerfen! Platzieren Sie jeden Kristall extra und warten Sie nach jeder Zugabe etwas. Auf diese Weise können Sie das "Wachstum" besonders gut steuern und beobachten. Es fällt auf, dass je nach Salzart das Wachstum der „Pflanze“ variiert.

Die Versuche sollten Sie von den Schülern auch im Reagenzglas durchführen lassen - mit weniger Wasserglaslösung und mit jeweils einer Kristallsorte.

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Bild 2: Chemischer Garten (Gartengestaltung und Foto: Daggi)


Pflegetipps für den chemischen Garten
Die Mischung darf nicht eintrocknen. Sie müssen die Gärtchen deshalb in verschlossenen Gefäßen aufbewahren - aber immer daran denken, dass der Inhalt stark ätzend ist! Kleinkinder dürfen damit nicht in Kontakt kommen.

Achten Sie auf niedrige Umgebungstemperatur, damit die empfindlichen Bäumchen nicht durch die Wärmebewegung in der Flüssigkeit beim Wachstum gestört oder nach dem Wachsen zerstört werden. Also das Gefäß z. B. nicht über die Heizung stellen!

Außerdem sind die Bäumchen mechanisch empfindlich.

Das Gefäß kann, wenn es gut behandelt wird und nicht soviel herumgetragen wird, jahrelang stehen bleiben und einen erfreuen!


Zur Entsorgung
Wenn man des chemischen Gärtchens überdrüssig ist und man es entsorgen will, muss man einiges bedenken.

Die Flüssigkeit darf auf keinen Fall in die Toilette oder ins Waschbecken gespült werden. Die stark alkalische Lösung belastet nicht nur die Umwelt, sondern zerstört die Porzellanglasur von Waschbecken oder Toilette augenblicklich!

Am besten geht man so vor: Die Gefäße werden in eine Plastikfolie gestellt und vorsichtig mit Sand, Erde oder Küchenpapier aufgefüllt, um die Flüssigkeit aufzusaugen. Dann werden die Gefäße samt Inhalt in den Hausmüll gegeben.

Schulen geben die Gefäße samt Inhalt zum Schwermetallabfall.


Chemischer Hintergrund
(Natron-)Wasserglas ist eine konzentrierte Lösung von Natriumsilicaten. Man stellt letztere her, indem man feinpulverisierten Quarz mit festem Natriumhydroxid erhitzt und so aufschließt (-> Versuch). Formal gilt:


Genau genommen bildet sich vor allem Natriumtrisilicat Na2Si3O7. Wenn man das in Wasser oder besser noch in Natronlauge löst, entsteht Natron-Wasserglas.

Die darin enthaltenen Silicat-Anionen bilden mit den Metallkationen der oben angeführten Salze schwerlösliche Verbindungen. Formal können wir schreiben:


Wenn nun zum Beispiel ein Kristall von einem löslichen Eisensalz mit Wasserglas zusammenkommt, beginnt sich der zu lösen. Die freigesetzten Eisen-Ionen reagieren sofort zu schwerlöslichem Eisensilicat, das sich als dünnes Häutchen um den Kristall legt. Das wirkt wie eine halbdurchlässige („semipermeable“) Membran: Es können nur die kleinen Wassermoleküle passieren, nicht aber die vor allem wegen ihrer Hydrathülle voluminösen und dazu noch positiv geladenen Metallkationen. Von Innen kann deshalb nichts nach außen gelangen, umgekehrt dringt aber Wasser ein. Durch den sich aufbauenden osmotischen Druck: bläht sich die Silicathaut so lange auf, bis sie an einer Stelle aufplatzt. Es fließt etwas Eisensalzlösung nach außen und bildet wieder eine Haut - und so weiter. Durch das ständige Wechselspiel zwischen Umhüllen und Platzen und Wiederumhüllen scheint mehr oder weniger ruckartig eine Pflanze zu entstehen.


Warum wachsen die chemischen Pflanzen überhaupt nach oben?
Man könnte ja auch meinen, dass sie schwerer sind als die Wasserglaslösung und deshalb am Boden entlang „kriechen“ sollten. Die Ursache ist, dass sich beim Lösen der Salze ständig Gasbläschen bilden, die für den nötigen Auftrieb der Pflanzenspitzen sorgen.
Dabei handelt es sich um Luft, die bei der Kristallisation in den sich bildenden Salzkristallen eingeschlossen wurde und die nun beim Lösen wieder freigesetzt wird.
Hinzu kommen auch Aussalzungseffekte hinsichtlich der im Wasserglas gelösten Luft. Das ist so, als wenn Sie Salz in Mineralwasser gießen.


Andere chemische Gärten
Natürlich gibt es noch andere Varianten vom oben beschriebenen chemischen Garten. Hier ist ein Beispiel:

Versuch 2: Chemischer Garten
Man stellt eine gesättigte Lösung von Gelbem Blutlaugensalz (Kalium-hexacyanoferrat(II)) her. Das Sättigen dauert ziemlich lange, denn das Salz ist relativ schlecht löslich. Deshalb sollte man die gesättigte Lösung mindestens einen Tag über dem Salz stehen lassen und ab und zu kräftig umrühren!
In diese Lösung wirft man Einzelkristalle von Kupfer(II)-sulfat-Pentahydrat sowie von Eisen(III)-Salzen wie FeCl3 oder NH4(FeSO4)2 · 12 H2O (Eisenalaun) ein.
Ergebnisse:
Im ersten Fall bildet sich ein braunes Gewächs aus Kupfer(II)-hexacyanoferrat(II), im anderen Fall ein blaues aus Berliner Blau. Diese Farbstoffe spielen auch eine Rolle beim Umfärben (Tonen) von Schwarzweiß-Fotos.


Rüdiger Blume


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Letzte Überarbeitung: 12. März 2010, Dagmar Wiechoczek