Bild 1: Verschiedene Donnerkeile.
Links aus dem Lias (max. Länge 11 cm), in der Mitte aus dem Dogger (11 cm) und rechts aus der Kreidezeit (7 cm)
(Fotos: Blume)


Von Belemniten, Donnerkeilen und Blitzen

„Ein Freund von mir behauptet steif und fest, die Donnerkeile, die man zum Beispiel an der Ostsee findet, seien durch Blitzeinschläge in den Sand entstanden. Stimmt das?“

Nein. Aber es gibt dennoch tatsächlich im Boden Einschlagspuren von Blitzen! Die kann ein Aufmerksamer durchaus auf den Dünen am Nordseestrand finden. Es handelt sich um Röhren oder Stäbe aus gesintertem (das heißt angeschmolzenem) Sand, die in der Düne stecken und manchmal meterlang sein können. Das sind die so genannten Fulgurite (von lat. fulgur, Blitz).

Die patronenförmigen Donnerkeile jedoch sind fossile Reste von Tintenfischen. Benannt aber sind sie nach dem germanischen Obergott Donar, dessen persönliche Abzeichen ja Hammer und Blitz (also sein „Keil“) waren. Übrigens nennt man auch Steinbeile „Donars Keile“. Schlimm war die Bezeichnung „Hexenfinger“.

In der modernen Wissenschaft heißen die Donnerkeile Belemniten (vom griechischen bélemnon, Geschoß, Blitz). Die zugehörigen Tiere (auch diese nennt man Belemniten oder besser Belemnitentiere) sind am Ende der Kreidezeit ausgestorben.


Sind die Donnerkeile etwa die Spitzen der Arme von Urzeit-Kalmares?
Nein. Ein Vergleich mit heutigen Tieren hilft weiter: Belemnitentiere waren Tintenfische, die etwa so wie die heutigen („rezenten“) Kalmare ausgesehen haben müssen. Das weiß man, weil man vor allem im Lithographenkalk von Solnhofen entsprechende Abdrücke ganzer Belemnitentierkörper gefunden hat. Hier ist ein Modell der Firma Bullyland.

Bild 2: Modell eines ausgestorbenen Belemnitentiers (© Bullyland). Länge etwa 15 cm
(Foto: Blume; mit freundlicher Genehmigung durch Bullyland)

(Bei dieser Firma gibt es noch mehr schöne Modelle, die eigentlich in Urweltmuseen gehören.)

Rezente Kalmare (aus denen man heutzutage die leckeren Tintenfischringe macht) verfügen über einen weißen Kalk-Innenpanzer, den man als Schulp an den Stränden der Weltmeere findet. Dieser Schulp ist vielen bekannt. Er wird den Vögeln in den Käfig gehängt – zum Wetzen der Schnäbel, letztlich aber zur Versorgung mit Calcium.

Bild 3: Schulp mit Stachel. Länge 9 cm
(Foto: Blume)

Wenn man genau hinschaut, erkennt man (wie im Bild) an nicht zu sehr vergammelten Stücken am Ende des Schulps einen kleinen Stachel, das Rostrum (lat. für Schnabel; diese Bezeichnung kommt wohl vom Rückwärtsschwimmen der Tintenfische, für die das Rostrum so eine Art Schiffsschnabel ist). Vorsicht aber: Dieser Stachel fällt samt Haut sehr leicht ab!

Bei den Belemnitentieren waren die Rostren vergleichsweise viel, viel größer (siehe Bild 2). Derartige Rostren findet man in den Sedimenten der Kreide oder des Jura in großen Mengen. Im Schwarzjura (Lias) sind sie an manchen Stellen sogar so häufig, dass sie regelrecht gesteinsbildend sind.

Die normalen Belemnitentiere müssen so groß gewesen sein wie unsere Kleinkalmare. Nur war der Stachel eben länger als bei den heutigen Tieren. Das erkennt man an dem Modell in Bild 2.

Es gibt und gab natürlich auch Riesenkalmare: Manche Rostren (zum Beispiel aus dem Braunjura) sind bis zu einem Meter lang!

Bild 4: Riesenbelemnit aus dem Dogger (Megatheutis). Länge 35 cm
(Foto: Blume)


Schließlich gehören auch einige rezente Kalmare zu den gegenwärtig größten Meerestieren. Dazu tragen ihre zwei besonders langen Fangarme bei. Jules Verne beschreibt in seinem Buch „20.000 Meilen unter dem Meer“ den Angriff eines Riesentintenfischs auf das U-Boot des Kapitäns Nemo. In Verfilmungen stellt man aber immer einen großen Oktopus als Angreifer dar. Diese Tiere sind aber nicht so groß, dass sie ein Schiff umarmen könnten. Besser wäre ein Riesenkalmar als Angreifer gewesen.

Es ist anzunehmen, dass die Rostren von einer Haut eingehüllt waren. Nur so kann man sich die Abdrücke von Blutgefäßen, die man vor allem auf den gut erhaltenen Kreide-Belemniten findet, erklären. Denn die sind links-rechts-symmetrisch angeordnet. Das gilt auch für die Ansatzstellen der Muskeln, die die rückwärtigen Flossen (Bild 2) bewegten.

Bild 5: Belemniten aus der Kreide mit Muskelansatz- und Gefäßabdrücken. Länge 8 cm
(Foto: Blume)


Das Phragmakon
Manche Belemniten tragen noch ein gekammertes Übergangsstück, das Phragmakon. Es erinnert an die allgemeine Kammerung von Tintenfischgehäusen, wie wir es von den Ammoniten oder Nautileen her kennen.

Bild 6: Belemnit mit erhaltenem gekammerten Phragmakon (Lias). Länge etwa 15 cm
(Foto: Alex Blume)

Das Phragmakon steckt regelrecht im Belemniten (Bild 7). Man erkennt im Bild die Kammerung. Wenn man sich das Phragmakon als Spirale vorstellt, hat man eigentlich einen Ammoniten oder Nautilus vor sich. Das Rostrum ist dann die (allerdings ziemlich dicke) Kalkschale.

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Bild 7: Spitze des Phragmakons im gespaltenen Belemniten (Dogger). Länge 8 cm
(Foto: Blume)

Bei den Ammoniten und Nautiloiden sind die einzelnen Kammern untereinander durch eine Öffnung, den Sipho, verbunden. Den gibt es auch bei den Belemniten (Bild 8). Damit ist bewiesen, dass auch diese Tiere letztlich Tintenfische waren.

Bild 8: Kammerwand und Sipho im Phragmakon eines Belemniten (Dogger). Länge 1,5 cm
(Foto: Blume)


Belemniten und Mineralien
Die Rostren sind vielleicht nur mit lockerem Aragonit gefüllt gewesen. Sie sind dann durch Umkristallisation bzw. Sammelkristallisation in Calcitkristalle umgewandelt worden. Die erkennt man, wenn man einen Donnerkeil durchbricht bzw. spaltet und die zentral-strahlige Anordnung der Kristalle sieht.

Bild 9: Gebrochener und gespaltener Belemnit. Länge 4 cm
(Foto: Blume)


Es gibt auch Belemnitenrostren, die durch Zersetzung des im lebenden Tier vorhandenen Aragonits in saurem Milieu bei der Tonbildung hohl geworden sind. In ihnen haben sich Mineralien gebildet, wie z. B. Kristalle von Rauchquarz. Die sitzen dann auf der Spitze des Phragmakons auf – wie das Kreuz bei einem Zepter. Deshalb spricht man hier von „Zepterquarz“.

Bild 10: Szepterquarz in einem Belemnitenhohlraum. Länge des Stücks 3 cm
(Foto: Blume)


Diese Belemniten lassen sich vollständig in Salzsäure zersetzen. Bei den honiggelben Belemniten der Kreidefelsen (Bilder 1 und 6) dagegen stellt man fest, dass ein glasiger Rest zurückbleibt. Hier hat eine Umkristallisation durch eindringende Kieselsäure stattgefunden (Verkieselung).

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Bild 11: Mit Salzsäure angeätzter Kreidebelemnit. Länge 8 cm
(Foto: Blume)


Ab und zu findet man Donnerkeile, bei denen das Rostrum mit Pyrit bzw. Markasit umgeben ist. Das Schwefeleisen entstand bei der Verwesung der Fleischreste, die an dem Stück hingen. Klicke hier.

Bild 12: Kreidebelemnit mit Pyrit bzw. Markasit. Länge der Stufe 12 cm
(Foto: Blume)


Zur Nahrungskette im Lias-Meer
Die Belemniten werden andere Tiere gefressen haben, so zum Beispiel Krustentiere oder kleine Fische. Sie wurden aber selbst Opfer. Ihr Hauptfressfeind waren wohl Haie. So gibt es im wirklich empfehlenswerten Urweltmuseum Hauff in Holzmaden eine Schieferplatte mit einem Hai, der zusammen mit seinem Mageninhalt versteinert ist (Bild 13). Dieser enthält lauter Belemnitenrostren.

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Bild 13: Haifischrest mit versteinertem Mageninhalt (Länge ca. 1 m) (ausgestellt im Urweltmuseum Hauff (www.urweltmuseum.de) in Holzmaden)
(Foto: Blume; mit freundlicher Genehmigung durch R. Hauff)


Last but not least
Die Belemniten haben den Geologen auch bei einer ganz anderen Sache geholfen. Hier ging es um die Aufklärung der Entstehung des Nördlinger Ries.

Dazu gibt es echte „Zeitzeugen“: Durch den Einschlag wurden nämlich riesige Stücke von fossilienhaltigem Jura-Kalkgestein herausgeschleudert und liegen als erratische („verirrte“), haushohe Brocken im und um das Ries herum. Die darin schon damals enthaltenen Fossilien sind durch die Schockwellen zerstört worden. Das Foto zeigt einen Belemniten, der dabei wie eine Wurst in Scheibchen zerlegt wurde. Durch anschließende Kristallisationsprozesse wurde der Belemnit allerdings wieder „zusammengeklebt“.

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Bild 14: Durch Schockwellen zerlegter Belemnit aus dem Nördlinger Ries. Länge 7 cm
(Foto: Blume)


Damit hat sich der Kreis dieses Artikels geschlossen: Belemniten entstehen zwar nicht durch den Einschlag eines Blitzes, aber den Einschlag eines Meteoriten oder gar eines Asteroiden können sie wenigstens bezeugen…


Dieses Beispiel zeigt mal wieder: Es gibt sicherlich wesentlich schönere Belemniten – aber dieser „Kaputte“ erzählt eine spannende Geschichte. Das ist Grund genug, sich über ihn zu freuen und ihn aufzubewahren!


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Letzte Überarbeitung: 14. Juli 2013, Dagmar Wiechoczek