Expertenwissen: Wie die MO-Theorie das Latente Bild erklärt


In der Webseite zum Latenten Bild sind wir mehr auf die Abläufe auf atomarer Ebene eingegangen, die beim Belichten und Entwickeln des Fotomaterials im Silberbromidkristall („Korn“) ablaufen.

Zur Wiederholung: Die Mikrokristalle von AgBr der Fotoemulsion bestehen nur aus ca. 107-108 Silber- sowie Bromid-Ionen. Sie sind nach dem Frenkel-Typ fehlgeordnet: Ein sehr kleiner Teil der kleinen Silber-Ionen verlässt die Gitterplätze und nimmt Zwischengitterplätze ein. Dazu reicht schon die Zufuhr von Wärme aus; man spricht von Reifung. Diese Reifung ist sogar mit Bildung eines Mini-Silberaggregats (Silberreifekeim Ag2) verbunden.

Die Frenkel-Silber-Ionen haben folglich eine höhere Energie als die brav an ihren Plätzen verbleibenden Silber-Ionen. Damit sinkt auch ihr Redox-Potential. Sie sind deshalb leichter reduzierbar als die im Gitter festsitzenden Kationen, das heißt, dass sie leichter die durch Licht induzierten Elektronen des Bromids („Fotoelektronen“) aufnehmen. Eine Rückreaktion findet nicht statt, da sich das Bromatom und das Silberatom zu weit voneinander entfernt haben. Das so gebildete Silberatom diffundiert zum Silberreifekeim und bildet den Latentreifekeim. Das ist der Grund für die Bevorzugung der bestrahlten Silberbromid-Kristalle bei der Entwicklung.

Das ganze hat somit auch einen energetischen Aspekt, der in der Anregung der Elektronen von chemischen Verbindungen zu suchen ist.

Das beleuchtet die MO-Theorie. Dabei steht MO für „Molekülorbital“. Bei Kristallen spricht man allerdings nicht von Molekülorbitalen, sondern von Bändern.

Zur MO-Theorie des Latenten Bildes


Zunächst befinden sich alle anregbaren Elektronen im Valenzband (VB). Das entspricht dem Grundzustand eines Moleküls.

Nun wird unter Zufuhr von elektromagnetischer Strahlungsenergie ein Elektron in das Leitungsband der Fotoelektronen (LB) gehoben. Das entspricht bei Molekülen dem Angeregten Zustand.

Im Fall des Silberbromids ist zur Anregung die Energie von mindestens 2,6 eV (= Elektronenvolt) nötig. Das entspricht (wen wundert´s…) einer Wellenlänge um die 450 nm. Wir erinnern uns, dass Silberbromid als gelbliche Substanz violett-blaues Licht absorbiert. (Natürlich absorbiert AgBr auch höherenergetische Strahlung. Aber das wollen wir hier nicht besprechen.)


Das Fotoelektron stammt vom Bromid-Ion. Zurück bleibt im Valenzband das so genannte Defektelektron. Das ist in diesem Fall ein Bromatom (Bromradikal).

Das Fotoelektron will seine Energie bald wieder abgeben. Hierzu sind zwei Möglichkeiten denkbar:

1. Rekombination des Fotoelektrons mit dem Bromatom zu einem Bromid-Ion (also Umkehrung der obigen Reaktion)

2. Einfang des negativ geladenen Fotoelektrons in einer positiven „Falle“. Das sind die im Zwischengitter „hausenden“ Frenkel-Silber-Ionen.


Mehrfache Wiederholung der Absorptionsvorgänge führt zu einem stabilen und als Katalysator wirksamen Latentsilberkeim. Das sind 3-10 Silberatome pro AgBr-Korn. Somit genügen ca. 4 Lichtquanten, um ein Bild entwickelbar zu machen.

Mit der Bänder-Theorie kann man auch erklären, wie Sensibilisatoren wirken. Diese setzen sich auf die Oberfläche des Silberkorns. Durch Wechselwirkung ihrer Elektronen mit denen des Silberbromidkristalls steigern sie die Energie des Valenzbandes und verringern zugleich die aufzuwendende Strahlungsenergie, die zum Transport eines Bromid-Elektrons aus dem Valenzband in das Leitungsband der Fotoelektronen erforderlich macht. Auf diese Weise wird auch weniger energiereiches Licht in die Lage versetzt, den Film zu belichten.


Weitere Texte zum Thema „Fotografie“


Diese Seite ist Teil eines großen Webseitenangebots mit weiteren Texten und Experimentiervorschriften auf Prof. Blumes Bildungsserver für Chemie.
Letzte Überarbeitung: 06. November 2009, Dagmar Wiechoczek