Prof. Blumes Tipp des Monats April 2015 (Tipp-Nr. 214)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Was Blut rot, Galle grün, Pipi gelb und Kot braun färbt

Was man so bei einem Sonntagsspaziergang so alles sehen kann… Dort hat sich ein Kneipenbesucher grünlich erbrochen. Da liegt eine blutende tote Maus. Eine auf dem Weg platzierte braune Hundewurst lädt zum Hineintreten ein. Und wenn Schnee liegt, sieht man die gelben Pinkelspuren („Duftmarken“) der Hunde, die die Farbkomposition abrunden.

Bild 1: Duftmarke eines Hundes
(Foto: Blume)

Alle diesbezüglichen Farbstoffe haben etwas gemeinsam: Sie enthalten einen besonderen Baustein, den Stickstoff-Heterozyklus Pyrrol.


Außerdem stammen alle Farbstoffe vom Blutfarbstoff ab, dem Hämoglobin. Zentrale funktionale Einheit des Hämoglobins ist der Eisenkomplex Häm. Genau genommen handelt es sich um einen Chelatkomplex, dessen vierzähniger Ligand Porphyrin heißt. Der ist letztlich aus vier untereinander über Methinbrücken verknüpften Pyrrolringen aufgebaut.


Das einzelne Pyrrolsystem für die Häm-Synthese heißt Porphobilinogen. Die Vorsilbe Bili- stammt vom lateinischen Wort bilis für Galle. (Das griechische Wort für Galle lautet chole; es ist zum Beispiel in den wissenschaftlichen Bezeichnungen für Gallensäuren (Cholsäuren) oder im Namen des Cholesterins enthalten.)


Das Porphobilinogen wird im Körper enzymatisch aus der Aminosäure Glycin sowie aus der Bernsteinsäure bzw. aus deren Thioester, Succinyl-CoA, synthetisiert. Letzteres kennen wir aus dem Citronensäure-Zyklus. Dort entsteht es durch Decarboxylierung der α-Ketoglutarsäure.

Der Chelatkomplex Häm ist tief rot gefärbt - eben blutrot. Wie alle Substanzen des Körpers unterliegt auch das Hämoglobin einem regen Stoffwechsel, der vor allem in Leber, Milz und Knochenmark abläuft. Dabei entstehen aus dem Porphyrinring die Gallenfarbstoffe, vor allem das grüne Biliverdin. Das färbt die Galle gelbgrün (lat. viridis, grün).


Seine Farbigkeit beruht auf dem großen Chromophor. Biliverdin wird enzymatisch zu orangegelbem Bilirubin (lat. ruber, rot) reduziert (Addition von zwei H).


Durch die Reduktion entsteht eine Methylengruppe, die die Mesomerie quasi halbiert. Die Größe des Chromophors reicht aber noch für eine gewisse Farbigtiefe des Bilirubins aus.

Die weitere Reduktion (enzymatische Addition von vier H) führt zu Urobilinogen, das aufgrund der stark unterbrochenen Mesomerie farblos ist.


Die Gallenfarbstoffe können auch in den Harn gelangen, den sie gelblich färben. Dazu wird es durch glykosidische Verknüpfung mit Glucuronsäure wasserlöslich gemacht, von der Leber in die Blutbahn abgegeben und über die Niere in die Harnblase geleitet.

Die meisten Gallenfarbstoffe jedoch gelangen im Wesentlichen in den Darmtrakt, wo sie durch Bakterien nach und nach in braune Substanzen umgewandelt werden - die dem Kot seine normale Tarnfarbe verpassen.


Nicht nur Hämoglobin bildet Gallenfarbstoffe
Die Gallenfarbstoff-Synthese betrifft nicht nur das Hämoglobin, sondern auch viele andere Substanzen, die Eisenporphyrine enthalten. Erinnert sei an den roten Muskelfarbstoff Myoglobin und an die bei der biologischen Oxidation beteiligten Cytochrome. Jeder Schüler kennt wohl auch Katalase, welche Hämgruppen (allerdings mit Fe3+) enthält. Auch die Peroxidasen gehören hierzu.


Wie ist das mit den blauen Flecken?
Hämoglobin und andere Porphyrine abbauende Enzyme gibt es allerdings auch in allen anderen Körpergeweben - das zeigt uns die Farbenkaskade von Rot über Blau und Grün nach Gelb, die sich beim langsamen Entfärben so genannter blauer Flecke zeigt. Die beruhen auf dem Austritt von Blut aus verletzten Blutgefäßen ins Gewebe. Die Abbau-Produkte werden an Serumproteine gebunden und anschließend über die Blutbahn in die Leber transportiert und dort weiter abgebaut.


Gelbsucht
Es gibt viele Ursachen für dieses Phänomen, bei dem sich die Haut und vor allem das Weiß der Augäpfel gelb färben. Das kann eine Störung der Funktion von Milz und Leber signalisieren. Aber auch die Gallenblase kann betroffen sein. Gallenfarbstoffe verbleiben dann (statt in die Verdauungsorgane zu wandern) im Blut, gelangen ins Gewebe, das sie gelb färben und gehen vor allem in großen Mengen in den Harn über, der dann intensiv gelb gefärbt ist.


Nachweisreaktionen für Gallenfarbstoffe
Wegen der Bedeutung für die Diagnose verschiedener Krankheiten war es schon früh wichtig, Nachweisreaktionen für die Gallenfarbstoffe zu entwickeln. Heute macht man das enzymatisch oder chromatografisch. Früher gab es dafür Farbreaktionen. Bekannt ist die Bestimmung nach Leopold Gmelin.

Versuch: Gallenfarbstoff-Bestimmung nach Gmelin
Man verdünnt Gallensaft 1:10 mit Wasser. In einem Reagenzglas überschichtet man rauchende Salpetersäure (C) mit Hilfe einer Pipette mit 2 bis 3 ml der Gallenfarbstoff-Verdünnung. In der Vermischungszone beobachtet man die Bildung von grün bis blau gefärbten Farbzonen.
Dieser Versuch gelingt auch mit gelbem Harn.

Die Farben resultieren aus der Bildung von Oxidations- und Nitrierungsprodukten der Gallenfarbstoffe.

Rüdiger Blume


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Letzte Überarbeitung: 30. März 2015, Dagmar Wiechoczek