Prof. Blumes Tipp des Monats Juni 2011 (Tipp-Nr. 168)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Bunte Baumpilze

Baumpilze gelten als langweilige, graue, traurige Symbole des Absterbens von alten Bäumen.

Bild 1: Baumpilze (hier der Echte Zunderschwamm) an abgestorbener Buche
(Foto: Blume)


Aber es gibt in Wirklichkeit viele farbige Baumpilze, ja sogar richtig bunte. Ein Beispiel ist der Rotrandige Baumschwamm.

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Bild 2: Rotrandiger Baumschwamm (Breite 40 cm)
(Foto: Christel)


Nur Pech für den attraktiven Baumpilz, dass er sich selbst die Basis seines Wachstums zerstört, dass er sich sozusagen den Ast absägt, auf dem er sitzt… Denn er ist einer der Verursacher der Weißfäule. Der große Pilz in Bild 2 ist abgebrochen, als sein durchgeweichter Baum vor kurzem umfiel.

Selbst der graue Echte Zunderschwamm, den man früher zum Feuermachen nutzte, entpuppt sich beim genauen Hinsehen als bunt gestreift - zumindest, wenn er nicht gar zu alt ist.

Bild 3: Echter Zunderschwamm
(Foto: Blume)


Es gibt übrigens noch viele andere bunte Baumpilze
Achten Sie doch selbst einmal auf die Schönheiten im Wald, vor allem in naturbelassenen Wäldern („Bannwälder“)! Wir zeigen Ihnen eine beispielhafte Bildergalerie. Sie können ja mal versuchen, die Pilze zu bestimmen, zum Beispiel mit dem Kosmos-Pilzführer *). Versprechen Sie sich aber nicht zuviel davon, denn das Ganze ist eher frustrierend, weil es sehr viele Baumpilze gibt und diese dazu noch ihre Farben wechseln, während sie wachsen. Hier ist zum Beispiel ein junger Echter Zunderschwamm, sozusagen ein Zunderschwammbaby.

Bild 4: Baby vom Echten Zunderschwamm
(Foto: Blume)


Für mich schießt aber (was die Farbe angeht) die Zinnober-Tramete den Vogel ab. Wie schon ihr Name besagt, ist sie prächtig zinnoberrot, also orangerot.

Bild 5: Zinnober-Tramete
(Foto: Blume)


Zinnober ist ja eigentlich Quecksilbersulfid (chemische Formel: HgS). Die Farbe des Pilzes rührt aber von einem organischen Farbstoff her, Cinnabarin (abgeleitet vom griechischen Wort für Zinnober: kinnábari).


Chemiker sehen es sofort: Die Strukturformel dieses Farbstoffs ähnelt der des Grundbausteins von Lackmus. Lackmus besteht aus untereinander verknüpften Molekülen von Orcein.


Der Heterocyclus im Zentrum der beiden Strukturen heißt Oxazin. (Ein Heterocyclus ist ein organisch-chemisches Ringmolekül, dessen Ring nicht nur aus Kohlenstoffatomen besteht, sondern auch zusätzlich Fremdatome wie z. B. N, O oder S enthält.) Das Dreiringsystem heißt Phenoxazon.


Die Ähnlichkeit ist nicht verwunderlich, denn letztlich ist ja die Lackmusflechte wenigstens zur Hälfte ein Pilz, der mit einer Alge in Symbiose lebt: Er versorgt sie mit Mineralstoffen, sie ihn mit leckerem Traubenzucker.


Hat Cinnabarin dann auch die Eigenschaften eines Indikators?
Dazu machen wir einen Versuch.

Versuch: Indikatoreigenschaften von Pilzfarbstoffen
Wir schneiden eine Zinnober-Tramete in drei Stücke. Eines legen wir zur Seite. Das dient zum Farbvergleich.
Zum zweiten Stück geben wir eine Lauge.
Zum dritten Stück geben wir eine Säure.
Anschließend geben wir zum alkalischen Stück wieder ausreichend Säure.
Ergebnis: Nur unter Einwirkung von Alkalien findet eine Farbänderung statt, die mit Säure reversibel ist.

Bild 6: Zinnober-Tramete
(Foto: Blume)
Von links nach rechts: KOH-alkalisch, sauer, unbehandelt


Zur Erklärung des unterschiedlichen pH-Verhaltens beider Farbstoffe sei Folgendes gesagt: Offenbar fehlt dem Cinnabarin die phenolische Gruppe, die für die typische Lackmusumfärbung vonnöten ist. Dagegen macht sich der Ladungswechsel der aromatischen Aminogruppe des Cinnabarins kaum bemerkbar. Hinzu kommt, dass das Molekül - verglichen mit dem „Polymer“ des Lackmusfarbstoffs - recht klein ist.


Gibt es auch bei anderen Baumpilzen Farbreaktionen?
Das ist der Fall. Die Anschnittflächen einiger Baumpilze färben sich dunkel oder werden sogar schwarz, wenn man sie mit konzentrierter Kalilauge beträufelt.


Bild 7: Zunderschwamm mit KOH behandelt
(Foto: Blume)


Hier ist die Ursache der Farbänderung wohl die oxidative Zerstörung phenolischer oder auch chinoider brauner Verbindungen, die durch Laugen gefördert wird. Es kann sich um Phenol/Chinon-Polymere handeln. In diesem Zusammenhang sei an das chemische Verhalten von Brenzkatechin erinnert.


Rüdiger Blume

*) H. E. Laux: Der große Kosmos Pilzführer. Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart 2010


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Letzte Überarbeitung: 29. Mai 2011, Dagmar Wiechoczek