Bild 1: Goldener Oktober an der Bielefelder Uni
Wenn kleine Kinder fragen "Warum wird das Laub bunt?", reicht erfahrungsgemäß die Antwort aus: "Weil es Herbst wird!". Ältere Kinder wollen es schon etwas genauer wissen. Gleich vorneweg: Das Bunte in den Blättern wird gar nicht erst im Herbst gebildet. Die Farbstoffe sind schon von Anfang an darin enthalten. Denn Blätter sind nicht nur grün, sondern sie enthalten eine vielfältige Farbstoffkollektion, für die eine Vielzahl von Substanzen verantwortlich zeichnet:
(Zur Herkunft der Namen der Farbstoffe klicke hier.) Die Farbstoffe zeigen nicht nur prächtige Farben, sondern haben auch tolle Strukturformeln:
Dass im Blatt viele unterschiedliche Farbstoffe vorhanden sind, können wir anhand eines einfachen Experiments zeigen, mit der chromatographischen Auftrennung der Blattfarbstoffe. Dazu haben wir zwei Versuchsvarianten anzubieten:
Bild 2: Die Chromatographie von Blattfarbstoffen an einem Kreidestück
Bild 3: Die Säulen-Chromatographie von Blattfarbstoffen an Aluminiumoxid
Bei manchen Blättern schaut manchmal sogar auch das rote Cyanidin durch, weil davon in einzelnen Fällen zu viel gebildet wird - dahinter steckt dann eine Mutation wie zum Beispiel bei der Blutbuche. Das überschießende Rot überdeckt für unsere Augen das für die Fotosynthese in durchaus ausreichenden Mengen vorhandene Blattgrün. Bei anderen Blättern steht das Gelb im Vordergrund - wie bei der Goldulme. Der gelbe Farbstoff ist hier das Quercetin, ein Flavon, das auch in der Eiche vorkommt (daher der Name: lat. quercus, die Eiche). Zur Chemie der Antocyane und Flavone haben wir einen besonderen Tipp: "Bunte Blumenfarben". Was ist bei den weißen Blättern, die manche Pflanzen haben? Die beruhen auf Mutationen, bei denen in Blattteilen der ganze Fotosyntheseapparat fehlt. Damit fehlen auch die farbgebenden Chlorophylle, Carotinoide und Xanthophylle. Das Blatt ist also weiß.
Bild 4: Herbstlaub der Roteiche
Bild 5: Braunfärbung von Buchenlaub, sogar bevor es abfällt
Beziehung zwischen Cyanidin (oben) und Catechin (unten)
Hier erkennen wir wieder einen Zusammenhang mit der Laubfärbung. Wie schon gesagt ist ja das Cyanidin nicht nur der rote Farbstoff der Blutbuche, sondern in den Blättern fast aller Blättern enthalten. Welche Aufgabe haben eigentlich die Catechine in den Pflanzen? Gerbstoffe sind Polyphenole; sie dienen nicht nur der Abwehr von Fressfeinden, da sie sauer-bitter ("adstringierend") schmecken, sondern sie dienen auch der Abwehr von pflanzlichem Oxidationsstress. Dem sind die Pflanzen aufgrund ihres selbst gebildeten Sauerstoffs im Übermaß ausgesetzt. (Deshalb produzieren Pflanzen auch so viel Vitamin C). Beim bakteriellen Abbau entsteht aus den Catechinen unter anderem Brenzkatechin; seine chemische Bezeichnung ist ortho-Diphenol. Dieser Stoff entsteht auch beim Erhitzen von Catechinen - darauf weist der Name hin: Brenzen stammt vom Brennen, Erhitzen. Brenzkatechin Brenzkatechin ist ein Stoff, der leicht zu einem gelben Chinon oxidiert wird. Dazu reicht schon Luftsauerstoff aus. Besonders gut läuft die Oxidation in alkalischem Milieu ab. Bildung von Chinon aus Brenzkatechin Die Chinone können weiter zu braunen Produkten polymerisieren.
Das betrifft auch die Bräunung von Bananenschalen. Dass dazu von außen kommender Sauerstoff notwendig ist, erkennt man am folgenden Bild 6: Hier wurde ein Teil der Schale durch ein rundes Klebe-Etikett luftdicht abgedeckt. Bild 7: Bräunung einer Bananenschale
Die auf der Bildung von Brenzkatechin und seiner Oxidation beruhende Blattbräunung kann man auch - beschleunigt - im Labor zeigen. Es handelt sich um einen Versuch, den man nach dem Entdecker, dem Botaniker A. Molisch, etwas martialisch Molisch´s Todesring nennt. (Nach Molisch ist auch eine allgemeine Nachweisreaktion auf Monosaccharide benannt.)
Bild 8: Molisch´s Todesringe auf Blättern von Hibiscus
Die Bedeutung dieses Versuchs: Molisch konnte auf diese Art und Weise das erste Mal zeigen, dass der Vorgang der Blattbräunung ein enzymatisch katalysierter Vorgang sein musste. Bei manchen Bäumen geschieht das im Herbst sehr rasch, wobei die Blätter noch am Ast hängen können - wie zum Beispiel bei den Buchen (-> Bild 5). Der Molisch-Effekt funktioniert nicht bei allen Pflanzen. So sind Liliengewächse nicht geeignet. Auch der Ginkgo verhält sich nach meiner Erfahrung nicht kooperativ - er färbt nach dem Münzauflegen alles gelbbraun, nach und nach auch die weite Umgebung des Rings. Beim Abbau der Blätter werden außerdem ziemlich rasch nach und nach auch die roten Carotinoide und die gelben Xanthophylle oxidiert und in braune Stoffe umgewandelt, so dass die Farbenpracht des "Indianer-Sommers" rasch vergeht. Schade eigentlich. Aber so kann man sich jedes Jahr wieder darauf freuen!
Für den Literaturtipp Dank an Dr. W. Beisenherz von der Fakultät für Biologie - Universität Bielefeld!
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