Prof. Blumes Tipp des Monats August 2005 (Tipp-Nr. 98)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Rechtzeitig zur Sommerhitze und zum Sport-Event: Eispacks

Bislang haben wir immer von Wärmepäckchen gelesen. Da gibt es die schnelle Wärme aus Kristallen sowie das Wärmekissen, das Armeen warm hält.
In letzter Zeit hört man immer wieder von Eispacks. Das sind Kühlaggregate, die man allerdings nur einmal nutzen kann. Die löst man aus, indem man sie zusammenquetscht. Man nutzt sie zum Kühlen von Getränken, aber vor allem auch zur Behandlung von Sportverletzungen.
Wir werden oft gefragt, wie die funktionieren. Kaufen wir uns also zwei Eispacks. Lasst euch nicht die wieder aufladbaren blauen Gel-Packs andrehen!

Versuch 1: Funktion des Eispacks
Wir aktivieren ein Eispack, indem wir entsprechend der Vorschrift draufdrücken. Die Flüssigkeit vermischt sich mit den deutlich fühlbaren Kügelchen. Sofort beginnt das System, sich stark abzukühlen.

Das zweite Eispack nehmen wir auseinander, indem wir es vorsichtig aufschneiden. Innen finden wir etwa 150 g weißgraue Kügelchen sowie einen weiteren Kunststoffbeutel mit 150 g einer Flüssigkeit.

Bild 1: Aufgetrenntes Eispack (Foto: Daggi)


Versuch 2: Die Eispack-Reaktion im Becherglas
Wir mischen in einem Becherglas (25 ml) 5 g der Kügelchen und 5 g Flüssigkeit, deren Temperatur wir zuvor gemessen haben. Am besten nehmen wir dazu ein elektronisches Thermometer. Dann geben wir beide Substanzen zusammen und rühren um. Die Temperatur sank bei unserem Test innerhalb ein-zwei Minuten von 20,4 auf -0,2 °C. Während der Temperaturmessung gut umrühren!

Es ist tatsächlich ein Eispack! Was ist da passiert?
Vielleicht gibt uns die auf der Packung angegebene Zusammensetzung Hinweise. Hier kommt die erste Verwirrung auf: Im deutschen Text heißt der Inhaltsstoff Kalkammonsalpeter, im englischen Text dagegen Ammoniumnitrat. Weiter wird auf das Wasser hingewiesen.


Analysieren wir grob die Substanzen mit schulischen Mitteln

Versuch 3: Analyse der Flüssigkeit im Eispack
Der pH-Wert liegt bei 6,7. Nachweise auf Chlorid (mit Silbernitratlösung (C) und Salpetersäure (C)), Sulfat (mit Bariumchloridlösung (Xn) und Salzsäure (C); einige Minuten stehenlassen!) und Calcium (mit Ammoniumoxalat-Lösung (Xn)) sind schwach positiv. Wenn wir das Wasser eindampfen, bleibt etwas weiße Substanz übrig.

Es handelt sich schlicht um Leitungswasser mittlerer Härte.

Versuch 4: Analyse der festen Substanz
Wir geben 5 g Substanz zu 10 ml destilliertem Wasser. Die Löslichkeit ist schlecht.

A Wir filtrieren und untersuchen das Filtrat.
1. Der pH-Wert der Lösung beträgt 6,8.
2. Der Nachweis auf Chlorid (mit Silbernitratlösung (C) und Salpetersäure (C)) ist schwach.
3. Mit Ammoniumoxalat-Lösung (Xn) weisen wir Calcium-Ionen nach.
4. Nitrat weisen wir mit Saltzmans Reagenz nach (-> Versuchsvorschrift). Der Nachweis ist mehr als deutlich. (Falls jemand die Ringprobe auf Nitrat versuchen sollte: Die ist hier nicht geeignet, weil aufperlendes CO2 die Ringbildung stört.)
5. Ammonium-Ionen weisen wir nach, indem wir zu einigen Kügelchen festes Natriumhydroxid (C) geben. Wir feuchten das Ganze mit etwas Wasser an. Es bildet sich unter zunehmend heftiger werdender Reaktion Ammoniak (Vorsicht!), das wir mit feuchtem Universal-Indikatorpapier nachweisen.

B Den ausgewaschenen Filterrückstand geben wir in Salzsäure (c = 2 mol/l) (C).
1. Die Kügelchen zersetzen sich unter CO2-Freisetzung (deutliches Aufschäumen).
2. In dieser Lösung lässt sich Sulfat mit einer Lösung von Bariumchlorid (Xn) nachweisen (einige Minuten stehenlassen!).
3. Mit Ammoniumoxalat-Lösung (Xn) weisen wir Calcium-Ionen nach.
4. Mit Chinalizarin weisen wir Magnesium-Ionen nach (Bildung eines blauen Farblacks).

Bild 2: Von links nach rechts: Nachweis auf Chlorid,
Nachweis auf Calcium-Ionen,
Nachweis auf Nitrat
Bild 3: Nachweis auf Magnesium
(links: Blindprobe)
(Fotos: Daggi)


Bild 4: Nachweis auf Ammonium-Ionen
(Foto: Daggi)


Wenn wir uns das Ergebnis betrachten, handelt es sich bei den festen weißen Kügelchen um eine Mischung von Ammoniumnitrat, Calcium/Magnesiumcarbonat und -sulfat. Diese Mischung ist bekannt unter der Bezeichnung Kalkammonsalpeter. Das ist ein bekannter Stickstoffdünger. Dieser Dünger wird im Ausland oftmals schlicht als Ammoniumnitrat bezeichnet. Daher kommt es zu den beiden anfangs erwähnten unterschiedlichen Bezeichnungen auf der Packung.

Die Hersteller des Eispacks haben somit einen handelsüblichen Dünger mit Trinkwasser kombiniert. Jetzt wisst ihr, wie ihr euch selbst solche Eispacks bauen könnt - zum Beispiel zum Kühlen eurer Getränke.

Versuch 5: Eispack selbst gebaut
Besorgt euch beim Gärtner etwas Kalkammonsalpeter und baut euch ein Eispack. Bei uns sank die Temperatur von 18,5 °C auf 1,5 °C (gut umrühren!).

Einen Vorteil hat das Ganze: Die Entsorgungsfrage ist elegant gelöst: Nach Gebrauch nicht in die Mülltonne werfen, sondern in den Garten streuen!


Das wirksame Prinzip ist Ammoniumnitrat
Statt der Düngerperlen aus dem Kältepack nehmen wir nun reines Ammoniumnitrat.

Versuch 6: Ammoniumnitrat als Kältemittel
Wir wiegen 5 g Ammoniumnitrat (O) ab und vermischen es mit 5 g destilliertem Wasser, dessen Temperatur wir zuvor gemessen haben. Wir verfolgen die Temperatur. Sie sinkt von 20,5 °C auf -5,5 °C ab!

Warum also nehmen die Hersteller nicht Ammoniumnitrat? Mit dem würde man ja wesentlich tiefere Temperaturen erreichen.
Erstens ist Ammoniumnitrat teurer. Zweitens: Ammoniumnitrat ist nicht nur eine Düngersubstanz, sondern genau genommen ein Sprengstoff. Das weiß man spätestens seit 1921, seit dem Unglück von Oppau. Mit Ammoniumnitrat haben Attentäter, die vom Lande stammen, am 19. April 1995 das Rathaus von Oklahoma-City gesprengt. Enthält der Dünger mehr als 28 Gewichts% Stickstoffverbindungen dieser Art, muss auf der Verpackung auf seine Brand- und Explosionsgefahr hingewiesen werden.
Wenn die Leute reines Ammoniumnitrat nehmen würden, müssten sie das Eispack mit entsprechenden Gefahrensymbolen kennzeichnen:

"Brandfördernd" "Explosiv"

Wer würde das Eispack dann noch kaufen!


Geht es auch mit anderen Düngern?

Versuch 7: Blaukorn im Eispack?
Wir wiegen 5 g Blaukorn ab und vermischen es mit 5 g destilliertem Wasser, dessen Temperatur wir zuvor gemessen haben. Wir verfolgen die Temperatur. Sie sinkt von 20,5 °C auf 16,5 °C ab.

Es ist also nicht jeder Dünger zum "Antrieb" eines Eispacks geeignet. Wenn ihr euch einen entsprechenden Stoff aussuchen wollt, schaut ihr am besten in Düngertabellen (Beispiel: http://www.admin.ch/ch/d/sr/916_171_1/).


Was chemisch und physikalisch dahinter steckt
Löst man Salze in Wasser, so kühlt sich diese Mischung ab (-> Versuch). (Es gibt allerdings auch Ausnahmen wie das wasserfreie oder wasserarme Calciumchlorid.) Der Grund ist, dass das Wasser die Ionen, aus denen das Salz besteht, trennen muss. Die Energie zur Überwindung dieser elektrostatischen Gitterenergie wird dem System in Form von Wärme entzogen. Somit kühlt es stark ab. Da sich außerdem das Ammoniumnitrat in Wasser ausgezeichnet löst, ist der Abkühleffekt entsprechend groß.
Versucht es auch einmal mit anderen Ammoniumsalzen wie Ammoniumchlorid (Salmiaksalz)!

Versuch 8: Ammoniumchlorid ins Eispack?
Wir wiegen 5 g Ammoniumchlorid ab und vermischen es mit 5 g destilliertem Wasser, dessen Temperatur wir zuvor gemessen haben. Wir verfolgen die Temperatur. Sie sinkt von 20,3 °C auf 6,2 °C ab.

Man muss nicht immer Salze nehmen. Versuchen kann man es auch mit Harnstoff. Damit erreicht man ebenfalls bemerkenswert tiefe Temperaturen.


Rüdiger Blume


Weitere Tipps des Monats


Diese Seite ist Teil eines großen Webseitenangebots mit weiteren Texten und Experimentiervorschriften auf Prof. Blumes Bildungsserver für Chemie.
Letzte Überarbeitung: 05. Januar 2012, Dagmar Wiechoczek