In manchen, vor allem in „exotischen“ Restaurants mit ostasiatischer Küche sieht man oft Gäste, die
rot angelaufen sind, stark schwitzen, denen die Augen fast aus dem Kopfe kugeln und die röchelnd nach Getränken
oder Brot greifen. Sie haben offensichtlich scharf Gewürztes gegessen.
Warum tun die Leute sich das an? Sie sind süchtig - auf Endorphine.
Was sind Endorphine?
Die Bezeichnung „Endorphine“ steht kurz für endogene Morphine. Es handelt sich um
neurophysiologisch wirkende Peptide, die aus ca. 20-30 Aminosäuren bestehen. Es gibt verschiedene Endorphine, die
sich nur in der Anzahl und in der Sequenz ihrer Aminosäuren unterscheiden. Identisch ist jedoch bei allen die
N-terminale Startsequenz Tyrosin-Glycin-Glycin-Phenylalanin.
Endorphine werden in der Hirnanhangdrüse (Hypophyse) gebildet. Sie werden ins Blut ausgeschüttet und docken im
Zentralnervensystem an bestimmte Rezeptoren in Gehirn und Rückenmark an. Dadurch werden die Rezeptoren blockiert,
die nervöse Erregungsleitung wird unterbrochen. Dadurch lindern die Endorphine Schmerzen und lösen Glücksgefühle
aus.
Die gleichen Rezeptoren werden auch von den Opiaten wie Morphium oder Heroin
besetzt. Deshalb spricht man von Opiat-Rezeptoren. Dies ist die Grundlage für die medizinische Verwendung der
Opiate, aber auch Ursache für Drogenmissbrauch.
Endorphine werden in Zeiten größter körperlicher und seelischer Not gebildet. Solche Notlagen empfindet der
Organismus offenbar auch, wenn er mit Chili und Co. in Berührung kommt. Da die Endorphine wie die Opiate ein hohes
Suchtpotential aufweisen, kann man verstehen, weshalb manche Leute nicht genug von scharfen Gewürzen bekommen
können.
Was den Schmerz bewirkt
Die das Schärfegefühl auslösenden Substanzen nennt man Scharfstoffe. Bei den folgenden handelt es
sich um Terpene oder Isoprenoide, die man wegen des Gehalts an Stickstoff und wegen
der physiologischen Wirkungen zu den Alkaloiden zählt. Als unpolare Substanzen sind
sie gut fettlöslich - deshalb wird empfohlen, Milch zu trinken oder Quark zu essen, wenn man zuviel von den Scharfstoffen
aufgenommen hat. Auf keinen Fall soll man Mineralwasser oder andere kohlensäurehaltige Getränke wie Champagner
zu sich nehmen, da CO2 als neurophysiologisch wirksamer Stoff das Schärfegefühl und damit das Brennen verstärkt.
1. Pfeffer enthält als wichtigsten Scharfstoff Piperin.
Die Pflanze heißt Schwarzer Pfeffer (Piper nigrum; lat. piper, Pfeffer; nigrum,
schwarz). Ihre Früchte sind im getrockneten Zustand schwarz. Geschält bleiben die weniger scharfen weißen Früchte zurück,
ihre Zubereitung ist der weiße Pfeffer.

Der stickstoffhaltige Heterozyklus heißt Piperidin (Hexahydro-pyridin). Piperin gilt als licht- und
oxidationsempfindlich. Das liegt an den zwei nebeneinander liegenden Doppelbindungen.
Die Substanz ist physiologisch nicht besonders auffällig. Sie dient vor allem als Stomachikum, ist also Anreger
für die Verdauung (griech. stomachos, Schlund, Magen).

Frische Chili-Schoten
(Foto: Blume)
2. Der hauptsächliche Scharfstoff der Paprika ist das Capsaicin.
Chili (auch Peperoni genannt) ist eine allgemeine, populäre Bezeichnung für die gesamte Paprika-Gattung (Capsicum)
(lat. capsa; Kapsel). Oft steht Chili auch nur für die Früchte (Chillies) einer besonders scharfen
Paprika-Art, bekannt als Spanischer Pfeffer (Cayenne-Pfeffer) (Capsicum annuum). (Tabasco
ist eine Saucenzubereitung auf der Basis von Chili. Curry ist ein pulveriges Gemisch, das hauptsächlich
Curcuma, Pfeffer und Chili enthält.)

Die Struktur zeigt, dass es sich letztlich um ein Derivat von Vanillin
(genau von Vanillyl-Amin) handelt.

Dass Vanillekuchen (oder auch nur Brot) gut sein soll gegen das Brennen nach dem Verzehr von Chillies hat seine Ursache
sicherlich in dieser strukturellen Ähnlichkeit. Für Vanillin gibt es nämlich es in der Mund- und Rachenschleimhaut eine Vielzahl
von speziellen Rezeptoren. Sie sind u. a. verantwortlich für die Empfindung von hitzebedingten Schmerzen. Ausgerechnet hier dockt
statt Vanillin Capsaicin an. Dadurch werden die Nerven erregt, wodurch es zu lokalen, neurogenen Entzündungen unter Freisetzung
von Histamin, Bradykinin und Prostaglandinen kommt. Folge ist steigende Durchblutung, verbunden mit Hitzegefühl und schmerzhaftem
Brennen. Capsaicin wirkt übrigens 150-300 Mal stärker als Piperin.
Bei häufigem Kontakt mit Capsaicin nimmt wegen der Schädigung von Haut und Nerven das Gefühl für die Schärfe ab; es kommt zur
Gewöhnung, was die Nachfrage nach steigenden Dosen von Gewürz zur Folge hat. Außerdem nehmen die Schädigungen zu.
Wie ist das mit dem Pfefferspray?
Im Pfefferspray ist kein Piperin, sondern Capsaicin enthalten. Der Räuber Hotzenplotz hätte mit einer Chilipistole sicherlich
mehr Erfolg gehabt als mit seiner Pfefferpistole.
Rüdiger Blume
Literatur:
[1] J. Falbe und M. Regitz (Hrsg.): Römpp Chemie-Lexikon, Georg Thieme Verlag, Stuttgart 1990.
[2] D. Nelson, M. Cox: Lehninger Biochemie, Springer-Verlag, Berlin 2001.
[3] H.-D. Belitz, W. Grosch, P. Schieberle: Lehrbuch der Lebensmittelchemie; Springer-Verlag, 6. Auflage, Berlin Heidelberg
New York 2008.
[4] E. Teuscher, U. Lindequist: Biogene Gifte; Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, 3. Auflage, Stuttgart 2010.
[5] Otfried Preußler: Der Räuber Hotzenplotz. Thienemann Verlag. Stuttgart/Wien 2012.
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