Experimente:
Nicht alle Winzer sind so ehrlich und schreiben auf das Etikett, was den Genuss und den
Genießer stören könnte... Das müssen sie auch nicht
Diese Substanzgruppe können wir mit Iod nachweisen.
Iod wirkt bei der Nachweisreaktion als Oxidationsmittel. Es oxidiert Sulfit zu Sulfat.
Ein Leser schreibt uns: „Selbst Biowein enthält Sulfit (schauen Sie doch mal auf die Rückseite des Flaschen-Etikettes; da steht das ganz klein und verschämt).“ Das stimmt. So enthalten Bioweine (mehr oder weniger unabhängig vom Zuckergehalt) mit 30 mg/Liter am wenigsten Sulfit. Der Leser fragt weiter, warum man denn nicht auf den Zusatz von Sulfit verzichten kann oder ob es Ersatzstoffe gibt. Beides kann man gleich mit „Nein“ beantworten. Aber es gibt noch eine unerwartete Einschränkung für die naheliegende Bemühung, einen gänzlich sulfitfreien Wein zu machen.
Das liegt an den im Most anaerob lebenden Hefen. Die haben nämlich ein echtes Überlebens-Problem, das sie mit Hilfe der Gärung lösen: Der Abbau von Kohlenhydraten wie Glucose erfolgt durch Oxidation, um Energie zu gewinnen. Könnten sie atmen, wären die Hefen fein heraus. Primäre Oxidationsmittel sind biochemische Verbindungen wie NAD+, FAD oder FMN, wobei enzymatisch Wasserstoffverbindungen wie NADH/H+ oder FADH2 entstehen. Diese Oxidationsmittel sind in den klitze-kleinen Hefezellen aber nur begrenzt vorhanden. Sie müssen deshalb immer wieder freigesetzt werden, da sonst die Oxidation der Glucose zum Stillstand käme. An der Luft ist das kein Problem. Dann wird der Wasserstoff von NADH/H+ oder FADH2 über die Atmungskette auf den Sauerstoff übertragen. Wir sprechen von „Atmung“. Wenn aber kein Sauerstoff vorhanden ist, geht das natürlich nicht. Dann müssen die Oxidationsmittel ihren Wasserstoff, den sie von der Glucose abgespalten haben, anders entsorgen. Das nennt man „Gärung“. Die mit Wasserstoff beladenen Verbindungen dienen bei der alkoholischen Gärung in erster Linie zur Reduktion von Acetaldehyd, wobei Ethanol entsteht. An dieser Stelle muss gesagt werden, dass Hefen auch andere Moleküle reduzieren können. Und welche Moleküle das sind und was dabei entsteht, ist eine Frage der Umgebung: Traubensorte, Mineraliengehalt im Most, Hefeart und so weiter. So kommt es zu verschiedenen Geschmacksnoten der Weine. Es entstehen sogar anscheinend exotische Verbindungen wie die „Önanthsäure“. Das heißt übersetzt „Weinsäure“. Die darf aber keineswegs mit der uns bekannten Weinsäure verwechselt werden. Bei der Önanthsäure handelt es sich nur um die Heptansäure. Dabei bleibt es aber nicht: In einer weiteren Nebenreaktion vergären die Hefen sogar anorganisches Material wie Sulfat-Ionen - und dabei entsteht Sulfit.
Unsere weinbildenden Saccharomyces-Hefen setzen auf diese Weise tatsächlich etwa 30 mg Sulfit pro Liter Wein frei - letztlich die Sulfitkonzentration der Bioweine. So ist sie halt, die echte Natur...
Aus diesem Grunde setzt man nicht nur dem fertigen Wein Sulfit zu, sondern schwefelt auch die Fässer vor der eigentlichen Gärung aus - um Fehlgärungen zu vermeiden. Dabei verbrennt man Schwefelfäden im feuchten Fass; das Oxidationsprodukt Schwefeldioxid sowie das daraus gebildete Sulfit wirken gegen unerwünschte Mikroorganismen. Wenn man den fertigen Wein sulfitarm einstellt, hält er aus dem Grunde der „Verkeimung“ nicht lange. Er ist immer von Essigbakterien oder von wilden Hefen bedroht. Vielleicht hat die Hefe es im Rahmen der Evolution „gelernt“, Sulfit zu erzeugen, um andere Mikroorganismen zu schädigen. Denn das sind ja Nahrungskonkurrenten. Eine Frage wird immer wieder gestellt: Warum durch das Schwefeln nicht auch die „richtigen“ Weinhefen geschädigt werden. Das werden sie natürlich auch. Aber es gibt Hefearten, die gegen Sulfit unempfindlicher sind als die Wildarten.
Zu viel Sauerstoff wirkt geschmacksverändernd. Einmal werden diejenigen empfindlichen Stoffe oxidiert, denen der Wein seine Aromanoten verdankt. Hinzu kommt, dass manche der Oxidationsprodukte schlecht schmecken oder riechen. Nichts ist für einen Weinkenner unerwünschter als dieser so genannte „Luftton“ oder „Alterston“. Deshalb will niemand so richtig das Sulfit vom Wein fernhalten. Denn es fängt den Sauerstoff ab, indem es ihn unter Sulfatbildung bindet.
Man könnte erwägen, SO2 durch Erwärmen oder durch „Strippen“, also durch Einleiten von heißem Wasserdampf, auszutreiben und so auch das Sulfit zu entfernen. Dann gehen dem Wein aber viele flüchtige Aromastoffe und letztlich auch der Alkohol verloren. Das gilt auch für Membrantechnologien. Bei denen wird Wein durch poröse Röhren geleitet, die mit halbdurchlässigen Membranen ausgelegt sind. Gasförmiges SO2 kann gesteuert durch Druckminderung den Wein verlassen. Aber leider machen das auch andere leicht verdampfende Verbindungen, so dass ein „echt ungenießbares Gesöff“ entsteht. Das schmeckt dann so wie alkoholfreies Bier... Natürlich kann man chemisch vorgehen, vor allem oxidieren. Das geht zum Beispiel mit Eisen(III)-Verbindungen. Dann hat man jedoch andere geschmacksverändernde Stoffe drin, wie z. B. Eisen(II)-Verbindungen. Oder wollen Sie es gar mit Iod versuchen? Das kommt wohl kaum jemandem in den Sinn, denn Iod bildet mit Ethanol und anderen organischen Substanzen schon in Spuren nach Krankenhaus riechendes Iodoform - auch wenn keine Laugen dabei sind. Das dauert dann eben etwas länger, riecht aber genauso penetrant. Und das Iodid, das bei der Oxidation von Sulfit entsteht, bringt in zu großen Mengen den Stoffwechsel der Schilddrüse außer Takt.
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