Die ständige Suche nach den besten Werkstoffen

Um ein Fahrrad, Auto oder Flugzeug zu bauen, braucht man viele Teile, die aus unterschiedlichsten Stoffen bestehen müssen. Die Suche nach den besten Werkstoffen war schon immer das Anliegen der Menschen. Das gestaltete sich wohl nicht immer so aufwendig, wie es heute scheint. Aber man muss alles an den Möglichkeiten der jeweiligen Zeit messen. Die Menschen waren schon immer dem Hightech verbunden. Man kann sogar ohne Übertreibung sagen: Der Aufstieg der Menschheit ist eng mit der Herstellung von Werkstoffen verbunden. Herstellung bedeutet auch Handel: So gab es zur Steinzeit in Europa ausgedehnte Handelswege für das Wirtschaftsgut Feuerstein!

Die Menschheit hat zunächst einmal alle möglichen Stoffe, die die Natur bietet, auf ihre Eignung hinsichtlich Werkgebrauchs geprüft und viele davon für gut befunden.
Die ersten Werkstoffe waren wohl aber hauptsächlich biologischen Ursprungs: Man nutzte Holz, Knochen und Horn. Zum Zerlegen benötigten die Menschen harte Gegenstände aus Stein.

Wichtig war weiter alles, was die Erde so hergab. Vor allem stand die Bearbeitung von Ton im Vordergrund. Dabei wurde das Tonbrennen wohl eher zufällig entdeckt, denn anfangs waren die Gegenstände aus Ton nicht gebrannt.

Es folgte die Steinzeit. Hier ist eine Übersicht von teilweise hochspezialisierten Feuersteinwerkzeugen. Man erkennt Bohrer, Schaber und Messerklingen mit Wellenschliff, Sichelstücke und Entrindungswerkzeuge für Weidenzweige.

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Bild 1: Werkzeuge aus Feuerstein
(Foto: Blume)

Besonders gut kann man den Wandel der Materialien anhand der Entwicklung von Beilen demonstrieren. Schon lange gab es die Handäxte, die man auch als „Faustkeile“ bezeichnet.

Bild 2: Handaxt aus Granit
(Foto: Christel)

Dann folgten Beile, deren Formen schon den modernen aus heutiger Zeit entsprechen.

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Bild 3: Beile aus Feuerstein, Gneis und Bronze. Links eine so genannte Scheibenaxt
(Foto: Blume)


Zunächst wurden sie aus Feuerstein gefertigt. Frisch hergestellt waren sie so scharf wie Glasscherben oder wie Rasierklingen. Die Formen der Feuersteinbeile wurden immer mehr verfeinert. Diese schönen Beile splitterten aber leicht, so dass anzunehmen ist, dass zumindest die kleineren wohl eher zur Dekoration oder als Grabbeilagen dienten. Besser geeignet für die alltägliche Arbeit waren da schon die Scheibenäxte, die man auf den Feldern in Norddeutschland oder Dänemark häufiger finden kann.

Die Feuersteinbeile wurden von Stücken aus besonders zähen, weniger splitternden Steinen wie dem Gneis verdrängt. Als noch besser erwiesen sich die Beile aus Bronze.

Damit wurden die Bronzezeit und danach die Eisenzeit eingeläutet. Höhepunkt war die Einführung von Eisen und von Stahl.

Bild 4: Eisernes Beil
(Foto: Blume)

Es folgte der Werkstoff Aluminium - trotz einiger gravierender Nachteile (nicht besonders korrosionsbeständig, niedriger Schmelzpunkt (658 °C), geringe Festigkeit). Dieses Leichtmetall hat vor allem auf dem Fahrzeugsektor (Bau von Flugzeugen und Autos zu gewaltigen Fortschritten geführt.

Man kann sagen, dass mit der industriellen Revolution um 1780 das Metallzeitalter anbrach. Denn heute gibt es kaum noch ein Metall, das nicht als Werkstoff oder zumindest als Legierungskomponente eine Rolle spielt. Dabei ist auch an extrem zähe Metalle wie Titan oder an das mit 3380 °C besonders hoch schmelzende Wolfram zu erinnern.

Mit dem 20. Jahrhundert brach parallel zum Metallzeitalter das Kunststoffzeitalter an. Hier können wir allerdings kein Beil anbieten. Kunststoffe können zwar äußerst zäh sein - aber sie sind zu leicht, so dass dem Beil zum Einsatz die sprichwörtliche Wucht fehlt.

Heute spricht vieles dafür, dass wir am Anfang eines Keramik-Zeitalters stehen. Hier gibt es sehr harte und dazu superscharfe Produkte, die nicht nur als Messer, sondern auch durchaus als Beile Verwendung finden könnten.

Fast alles kann heute aus Kunststoffen hergestellt werden. Unsere Vorfahren würden staunen, wenn sie durch einen modernen Baumarkt schlendern könnten. Da würden sie sicherlich ohne ökologische Bedenken ihre biologisch leicht abbaubaren Weidenkörbe oder die irdenen, aber leicht zerbrechlichen Tongefäße gern gegen stabile und dazu noch farbige Kunststoffbehälter eintauschen.

Bild 5 (Foto: Blume)


Welcher Werkstoff ist geeignet?
Die Nutzung von Naturstoffen hat sich im Laufe der Zeit verändert:

- Knochen und Horn nutzt man höchstens noch als Knopfmaterial oder für Kämme.
- Holz jedoch ist immer noch der natürliche Wohlfühl-Werkstoff schlechthin. Es ist wärmespeichernd; leider brennt es leicht. Holz ist biegsam, dabei aber (verglichen mit anderen Werkstoffen) nicht sonderlich fest. Holz wird durch Feuchtigkeit und Pilze angegriffen.
- Töpferkeramik brennt nicht, ist schwer und spröde.
- Massenmetalle wie Eisen oder Kupfer sind nicht nur in der Hitze formbar, aber sie korrodieren leicht.

Trotz aller Nachteile nutzen wir solche Werkstoffe immer noch. Denn durch moderne Methoden hat man gelernt, die schlechten Eigenschaften einiger Werkstoffe zu mindern. Zum Beispiel kann man die Qualität von Holz durch Auswahl der richtigen Sorte sowie durch Verkleben und Versiegeln beträchtlich steigern. Der Mensch ist aber nicht leicht zufrieden zu stellen. Er möchte die Welt nach seinen Wünschen und Bedürfnissen gestalten.

Metalle mischt man hierzu mit anderen Elementen. Aus dem weichen Kupfer und dem weichen Zinn mischte man die harte Bronze. Eisen wird durch Zumischung von Kohlenstoff zum Stahl. Gibt man noch andere Metalle wie Molybdän, Wolfram oder Chrom hinzu, erhält man superharte Legierungen, die zum Beispiel in extrem heißen Turbinen Verwendung finden. Sagenhaft ist auch das Titan, aus dem man hoch belastete und zugleich relativ leichte Flugzeugteile baut.

Mit der Erfindung der Kunststoffe ließ sich endlich alles nach der menschlichen Planung konstruieren. Es gibt weiche Kunststoffe, mit denen man sich selbst regulierende Kissen füllt, und zähe, aus denen man schussfeste Westen baut. Manche Kunststoffe saugen begierig als Superabsorber in Windeln Wasser auf, andere wirken wasserabweisend. Einige sind elastisch wie Gummi, andere sind extrem fest. Was wäre die Formel I der Rennwagen ohne die Carbonfasern?

Man hat sogar die Keramiken wiederentdeckt. Moderne Superkeramiken sind so hart, dass das härteste natürliche Material, der Diamant, sie nicht zu ritzen vermag. Werkstücke, die aus ihnen gemacht werden, sind hitzebeständiger als Stahl.

Die Siegerin in der Qualität von Werkstoffen ist und bleibt aber bislang die Natur: Die Fäden der Spinnen sind stabiler als Stahlseile! Wie stark ist ein Grashalm im Vergleich zu einem Fernsehturm! Die Natur hat vor allem eines gelernt: Den Umgang mit exakt den Anforderungen angepassten Verbundstoffen. Die Festigkeit einer Muschelschale aus Proteinen, Kohlenhydraten und Calciumcarbonatlamellen ist unübertroffen. Oder denken Sie an Holz, den bekannten Verbundstoff aus fasriger Cellulose und voluminösem Lignin. Das Prinzip erinnert an Stahlbeton. Nur ist Holz vor allem im belasteten Wurzelbereich viel zäher.

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Bild 6: Wurzelbereich vom Silberblatt
(Foto: Daggi)


Aber die Menschen arbeiten schon daran, auch das alles nachzuahmen... Dafür gibt es sogar schon einen Wissenschaftszweig, die Adaptronik oder Biomimetik. Sie umfasst den Nachbau natürlicher Strukturen. Dazu kommen neuerdings die Nano-Chemie bzw. Nano-Technologie. Mit denen kann man die molekularen Strukturen der Werkstoffe noch gezielter beeinflussen, so dass die Möglichkeiten der Werkstoffchemie anscheinend unbegrenzt geworden sind.


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Letzte Überarbeitung: 08. Januar 2012, Dagmar Wiechoczek