Gips als Werkstoff

Experimente:
Versuch: Arbeiten mit Gips
Versuch: Aushärten von Gips


Gips ist ein wichtiger Werkstoff, der nicht mehr wegzudenken ist. Wenn allerdings ein Chemiker von Gips spricht, meint er eine andere Verbindung als die, die man im Baumarkt kauft. Zur Erinnerung: Gips (Calciumsulfat-Dihydrat, CaSO4 · 2 H2O) ist ein Mineral, das in großen Lagerstätten weltweit vorkommt.

Dieser natürliche Gips ist bereits als Werkstoff nutzbar: Besonders großflächige Kristalle dienten früher als Glas für Tabernakel oder Marienschreine (daher die Bezeichnung Marienglas). Mikrokristalliner Gips war als Alabaster ein wichtiger, wenn auch empfindlicher Baustein. Ihn findet man z. B. in den Palästen von Knossos auf Kreta. Aber auch herrliche Skulpturen und Vasen sind daraus gemacht worden, wie in Ägypten.

Anders ist es mit dem Gips, den man schon seit langer Zeit als Mörtel zum Bauen verwendet. Dazu muss er zunächst auf 130 °C erhitzt werden. Es entsteht gebrannter Gips (CaSO4 · ½ H2O). Das ist letztlich der Gips, den man im Baumarkt bekommt.

Diese Reaktion ist reversibel. Gebrannter Gips nimmt das Wasser, das ihm beim Erhitzen entzogen wurde, unter Wärmefreisetzung leicht wieder auf. Das ist aber nur dann der Fall, wenn man nicht über 130 °C gegangen ist. Dann ist der Gips völlig hydratwasserfrei geworden und somit "totgebrannt". Bei der Wasseraufnahme bildet richtig behandelter Gips nadelartige Kristalle, die rasch wachsen und dabei miteinander verfilzen. Außerdem nimmt bei dieser Reaktion das Volumen der Kristalle zu. Wichtig ist, dass Gips zwar rasch abbindet, aber zum Härten Zeit benötigt. Man darf deshalb Dübel oder Haken, die man mit Gips befestigt, nicht sofort belasten.

Abgebundener und gehärteter Gips ist wegen der verfilzten Kristalle sehr zäh und kann sogar geschnitten und gemeißelt werden. Ein weiterer Vorteil ist, dass Gips beim Abbinden an Volumen etwas zunimmt. Deshalb füllt er jeden noch so kleinen Raum aus und kann wegen der feinen Kristallbildung ganz besonders zur Herstellung von Abgüssen verwendet werden. Ein Beispiel ist die Reproduktion eines alten Kunstwerks wie der Laokoon-Gruppe, das damit mehr Menschen zugänglich gemacht werden kann. Für wissenschaftliche Zwecke werden z. B. alte Schrifttafeln der Ägypter (Hieroglyphen) oder der Babylonier (Keilschrift) in Gips gegossen, um möglichst vielen Forschern Zugang zu den Originaltexten zu verschaffen. So werden auch ganze Saurierskelette vervielfältigt. Aber auch fossile Menschenknochen werden als Gipsabdrücke weltweit verteilt, um es vielen Wissenschaftlern zu ermöglichen, an ihnen zu forschen.
Die Polizei nutzt Gips, um Abgüsse von Reifenspuren oder Fußabdrücken am Verbrechensort zu machen. In vielen Museen findet man Gipsmasken, die man prominenten Toten abgenommen hat.

Jedem bekannt ist auch die Anwendung in der Medizin: Bei Knochenbrüchen wird der Bereich zum Zusammenwachsen des Knochens ruhig gestellt, indem man ihn eingipst. Dabei ist hilfreich, dass Gips sehr rasch abbindet. Deshalb muss auch der Orthopäde beim Vergipsen schnell arbeiten. Heute allerdings spielt das Eingipsen von Brüchen bei uns kaum noch eine Rolle, weil man unter dem Gipspanzer den Verlauf der Heilung nur schlecht verfolgen kann. Auch das Durchleuchten mit Röntgenstrahlen ist damit nicht möglich.

Wichtig ist der Gips auch in seiner Verarbeitungsform als Stuckgips. Das ist gebrannter Gips, den man statt mit Wasser mit Leim anrührt. Er war besonders wichtig für die Kunst des Barock und des Rokoko.

Die Zähigkeit von Gips nimmt zu, wenn man ihm Cellulose und ähnliche Stoffe zumischt. Ganz besonders in dieser Form wird er auch zum Ausbessern kleiner Schäden in der Wohnung genutzt. Produkte dieser Art heißen Moltofill® und so weiter. Sie binden auch nicht so rasch ab wie normaler Gips.

Als Zuschlag zu Zement bewirkt Gips, dass der Zement rasch abbindet (Schnellzement). Man erhält letzteren auch, indem man beim Kalkbrennen von vornherein Schwefel zusetzt - zum Beispiel in Form ausgedienter Autoreifen.

Heute fallen viele Millionen Tonnen Gips aus Rauchgasentschwefelungsanlagen (REA) an. Dieser REA-Gips wird zwar als Baumaterial eingesetzt, darf dabei aber wegen Schadstoffbelastung nicht offen verwendet werden, sondern nur unter Putz oder muss durch Pappe abgedeckt werden. Solche Produkte gibt es unter der Bezeichnung Rigips® zu kaufen. Die Abkürzung steht für Rintelner Gips. Bei Rinteln in Niedersachsen gab es früher Gipsbergwerke. Der Gips wurde in der für das Weserbergland typischen geologischen Epoche "Trias" (genau: Keuper) abgelagert.

Last but not least: Die Tafelkreide, die man in der Schule benutzt, wird nicht mehr aus feingemahlenem Kreidekalk gemacht, sondern aus Gips. Deshalb funktionieren die meisten Kreidechromatographie-Versuche nicht mehr.


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Letzte Überarbeitung: 01. April 2012, Dagmar Wiechoczek