Prof. Blumes Tipp des Monats Juni 2004 (Tipp-Nr. 84)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Lecithin - ein Fett der Gegensätze

Bild 1: Lecithin (Foto: Daggi)


Lecithin ist in allen lebenden Organismen zu finden. So ist es im tierischen Körper weit verbreitet. Besonders viel findet man in den Markscheiden des Nervengewebes, in den Zellmembranen und im Eidotter. Daher stammt nicht nur sein Name (griech. lekithos; Eidotter). Aus Eigelb kann man es auch leicht gewinnen.

Wer sich dieser Prozedur nicht unterwerfen will, kann Lecithin auch kaufen. Das gibt es zum Beispiel bei der Firma Roth in Karlsruhe. (Lecithin aus Eiern; 25 g kosten 25,20 Euro.)

Versuch 1: Herstellung von Lecithin aus Eigelb
Gib zu frischem Eigelb von vier Eiern 40 ml Ethanol (w = 96-100 %)(F) und verrühre alles zu einer homogenen Masse. Dann versetze die Mischung mit 50 ml Ether (F+). Die ausfallenden fast farblosen Proteine und Kohlenhydrate filtrierst du ab. Dampfe das Lösemittelgemisch auf einem heißen Wasserbad ab, bis sich eine Emulsion bildet (keine offenen Flammen oder heiße Herdplatten! Nicht bis zur Trockene eindampfen!). Die Emulsion musst du anschließend drei bis vier Mal mit jeweils 10 ml Aceton (F) gut durchrühren. Das Aceton enthält die gelösten rötlich-gelben Eigelb-Farbstoffe und andere Fette; es wird immer wieder abgegossen. Anschließend wird das restliche Lösemittel abgedampft.

Ergebnis:
Wir erhalten eine wachsartige, noch etwas gelbliche Masse: Lecithin.

Wir können das so hergestellte Lecithin vom Eigelb unterscheiden, indem wir von beiden je eine Probe einige Tage offen stehen lassen. Während das Eigelb zunehmend eine trockne Kruste bildet, verändert sich Lecithin nicht.

Das so hergestellte Lecithin muss bald verbraucht werden. Im Kühlschrank aufbewahren!

     

Bild 2: Herstellung von Lecithin aus Eigelb; rechts die ersten Ergebnisse
(Fotos: Daggi)


Weiter ist Lecithin neben den Gallensäuren Bestandteil der Gallenflüssigkeit, die bei der Fettverdauung eine wichtige emulgierende Rolle spielt. In der Leber gebildetes Lecithin ist die wichtigste Transportform von Fettsäuren im Blutplasma.

Außerdem ist Lecithin auch in allen Pflanzen zu finden, hier vor allem in den Früchten. Besonders viel davon enthält die Sojabohne.

Grundlage für die biologischen Wirkungen von Lecithin sind seine besonderen Eigenschaften, die letztlich auf seiner Struktur beruhen. Einen Hinweis gibt die Beobachtung, dass Lecithin besonders dort anzutreffen ist, wo biologische Membranen durchlässig gemacht werden oder Emulsionen zu stabilisieren sind. Dies muss am besonderen Aufbau des Moleküls liegen.


Deshalb zunächst einen Einblick in seine Eigenschaften
Lecithin ist ein Stoff der Gegensätze. Einige seiner Eigenschaften entsprechen denen von unpolaren Fetten, andere eher denen von polaren ionischen Verbindungen. Man bezeichnete Lecithin früher daher oft nicht als Lipid, sondern als Lipoid, d. h. als fettartigen Stoff. Deshalb vergleichen wir es in unseren Versuchen mit "normalen" Fetten wie Sonnenblumenöl.
Obwohl das Lecithin zu den Fetten zu zählen ist, ist die Fettfleckprobe negativ.

Versuch 2: Fettfleckprobe
Man streicht etwas Lecithin auf ein glattes Blatt Papier. Hält man das Blatt gegen das Licht, so erkennt man keine sonderlich transparente Stelle. Die Fettfleckprobe ist also negativ.
Wenn wir in unserer Probe dennoch einen Fettfleck feststellen, so liegt das daran, dass unser Lecithin noch Fette enthält.

Lecithin hat noch weitere Eigenschaften, in denen es sich von den klassischen Fetten stark unterscheidet. Das wollen wir zeigen.

Zunächst einmal ist Lecithin nicht in allen typischen Fettlösemitteln löslich.

Versuch 3: Löslichkeit von Lecithin
Untersuche die Löslichkeit von Lecithin in Heptan (F), Aceton (F), Ethanol (F) und Wasser.

Ergebnis:
Alle Lösemittel bis auf Aceton lösen Lecithin. In Wasser gibt es eine Emulsion, da sich das Lecithin selbst emulgiert.

Bild 3: Von links nach rechts: Lecithin in Aceton, Ethanol, n-Heptan und Wasser
(Foto: Daggi)


Mit dem Aceton lässt sich Lecithin sogar aus seinen Lösungen ausfällen.

Versuch 4: Mit Aceton kann man gelöstes Lecithin ausfällen
Löse je eine Probe von Sonnenblumenöl und von Lecithin in Heptan (F). Dann gibst du jeweils die dreifache Menge an Aceton (F) hinzu.

Ergebnis:
Sonnenblumenöl bleibt weiter in Lösung. Die Lösung mit Lecithin trübt sich.

     

Bild 4: Lösungen von Sonnenblumenöl und von Lecithin in Heptan (links) und mit Acetonzusatz (rechts)
(Fotos: Daggi)


Aus diesem Grunde kann man Lecithin aus Eigelb isolieren, indem man mit Aceton die anderen löslichen Fettkomponenten ausspült (-> Versuch 1).

Zur weiteren Untersuchung von Lecithin erhitzen wir eine Probe bis zur völligen Zersetzung. Das ist zwar nicht angenehm, bringt aber Erkenntnisse bezüglich der Zusammensetzung der Substanz.

Versuch 5: Erhitzen von Lecithin, Geruchsprüfung und Untersuchung des Rückstands
Ein Stück Lecithin wird unter dem Abzug in einem Porzellantiegel verkohlt. Geruch? Mache mit einem Filterpapier, das zuvor mit Schiff-Reagenz getränkt wurde, die Probe auf Aldehyde. Dazu hältst du das Papier in den Dampf.
Halte auch ein feuchtes pH-Indikatorpapier in den Dampf.

Ergebnisse:
Der Geruch ist erst fischig und wird zunehmend stechend.
Der Nachweis auf Aldehyde ist positiv (Rotfärbung); das pH-Indikatorpapier färbt sich blau.

     

Bild 5: Erhitzen von Lecithin (Foto: Daggi)


Glühe weiter, bis eine helle Masse entsteht. Mache dann den Phosphatnachweis mit salpetersaurer Ammoniummolybdat-Lösung.

Der feste Rückstand wird zerkleinert und mit 5 ml verdünnter Salpetersäure (c = 2 mol/l; C) heiß extrahiert. Verdünne mit 5 ml Wasser, filtriere in ein Reagenzglas, gib 2 ml einer salpetersauren Lösung von Ammoniummolybdat (C) hinzu. Dann musst du vorsichtig bis zum Auftreten eines gelben Niederschlags oder einer Gelbfärbung erwärmen.
Gib in einem vergleichenden Versuch die Molybdatlösung zu einer salpetersauren Lösung von Natriumphosphat und verfahre entsprechend.

Bild 6: Links: Phosphatnachweis mit der filtrierten Lösung des Rückstands von Lecithin
Rechts: Zum Vergleich verdünnte Phosphat-Lösung
(Foto: Daggi)


Wenn der Dampf fischig riecht und ein Indikatorpapier eine Base anzeigt, erinnert das an organische Stickstoffverbindungen, an Amine. Die müssen in dem Molekül gebunden sein.
Außerdem riecht die erhitzte Probe stechend. Es handelt sich um das bekannte Zersetzungsprodukt von Glycerin Acrolein. Das ist ein ungesättigter Aldehyd. Der bildet sich auch beim Erhitzen von Fetten.
Den nicht weiter zersetzlichen Rückstand identifizieren wir als Phosphat. Das wird gestützt durch das Verhalten von Lecithin gegenüber Ionen von Schwermetallen wie Kupfer, Cadmium oder Quecksilber. Mit ihnen bildet Lecithin schwerlösliche Salze. Es muss also auch die Eigenschaften eines Anions haben.

Versuch 6: Reaktion von Lecithin mit Schwermetallsalzen
Löse eine kleine Probe von Lecithin in Ethanol (F). Dann gib einige Tropfen einer 1%igen alkoholischen Lösung von Kupfer(II)-chlorid (Xn; F) hinzu. Beobachtung? Probiere das Gleiche mit Sonnenblumenöl.

Ergebnis:
Es bildet sich nur beim Lecithin ein Niederschlag von Cu-Lecithin-Salz.

Bild 7: Lösungen von Lecithin und Sonnenblumenöl mit und ohne Zusatz von alkoholischer Kupfer(II)-chlorid-Lösung
(Foto: Daggi)


Es muss sich also eine negative Ladung im Lecithinmolekül befinden. Es handelt sich um einen Phosphorsäurerest. (Übrigens bilden auch Calcium-Ionen mit dem Phosphatrest des Lecithins schwerlösliche Salze. Sie sind ein nicht unwesentlicher Bestandteil von Gallensteinen (Frage 800). Die Ca-Salze lassen sich aber im Reagenzglasversuch nicht herstellen.)

Um noch mehr über den Aufbau des Moleküls zu erfahren, unterwerfen wir das Lecithin einem schonenden Abbau, der alkalischen Hydrolyse.

Versuch 7: Schonende Hydrolyse von Lecithin
Wir lösen in einem Erlenmeyerkolben (25 ml) ein erbsengroßes Stück Lecithin in 10 ml destilliertem Wasser und geben einige Siedesteinchen dazu. Wir decken das Gefäß mit einem Uhrglas ab. (Natürlich können wir auch unter Rückfluss kochen!) Dann erhitzen wir die Emulsion und fügen in kleinen Portionen 10 ml Natronlauge (25%ig; (C)) hinzu. Die Lösung sollte 20 min kochen; ab und zu ersetzen wir verdampftes Wasser durch Zufügen von heißem destilliertem Wasser.
Die Hydrolyse-Lösung wird nicht nur auf das Vorliegen von Fettsäuren und Glycerin, sondern auch auf Phosphat untersucht. Dazu lassen wir die Lösung zunächst abkühlen.

1. Nachweis der Fettsäuren
Wir geben zu einer Probe der Lösung so viel halbkonzentrierte Salpetersäure, bis die Lösung gerade deutlich sauer reagiert (Indikatorpapier!). Die Reaktion ist positiv, wenn sich die Aufschlusslösung trübt.

2. Nachweis von Phosphat
Wir geben zu einer Probe der Lösung so viel halbkonzentrierte Salpetersäure, bis die Lösung gerade deutlich sauer reagiert (Indikatorpapier!). Zum Vergleich geben wir in ein anderes Reagenzglas Salpetersäure. Dann tropfen wir salpetersaure Molybdatlösung hinzu. Die Reaktion ist positiv, wenn sich in der Aufschlusslösung ein kräftig gelber körniger Niederschlag bildet.

3. Nachweis von Glycerin
Wir geben zu einer Probe der Lösung so viel halbkonzentrierte Salpetersäure, bis die Lösung gerade deutlich sauer reagiert (Indikatorpapier!).
Zum Vergleich füllen wir in ein zweites Reagenzglas das gleiche Volumen an Wasser. Zu beiden geben wir mindestens die gleiche Menge an Cerammoniumnitrat-Reagenz. Die Reaktion ist positiv, wenn sich die Aufschlusslösung dunkler färbt als die Vergleichslösung.

Ergebnisse:
Beim Ansäuern flocken unlösliche Fettsäuren aus.
Nachweis auf Phosphat mit Molybdat-Lösung: Positiv.
Nachweis auf Glycerin mit Cerammoniumnitrat-Reagenz: Positiv.

     

Bild 8: Links: Nachweis auf Phosphat, rechts: Nachweis auf Glycerin
(Fotos: Daggi)


Nun schauen wir uns das Molekül genauer an

Das Molekül des Lecithins ist zunächst ähnlich wie ein Fett aufgebaut. Es ist ein Ester des Glycerins, bei dem aber nur die erste und zweite OH-Gruppe mit einer Fettsäure verestert ist. Eine von den beiden Fettsäuren ist fast immer ungesättigt. Es handelt sich meistens um Linolensäure.

Versuch 8: Untersuchung von Lecithin auf Doppelbindungen
Untersuche mit Bromwasser (Xi) sowie mit Bayer-Reagenzlösung (sodaalkalische Lösung von Kaliumpermanganat (Xn)), ob Lecithin Doppelbindungen enthält.

Ergebnis:
Es findet eine Additionsreaktion statt.

Neben diesem lipophilen Teil enthält das Lecithin-Molekül einen hydrophilen, elektrisch zugleich negativ wie positiv geladenen Abschnitt. Die Ladungen rühren von einem Phosphatrest und von einem stickstoffhaltigen Molekülteil, dem Cholin her. (Nun verstehen wir auch die chemische Bezeichnung von Lecithin, Phosphatidylcholin.)

Der Cholinrest ist letztlich Ursache für den fischartigen Geruch bei der Zersetzung von Lecithin in der Hitze sowie für die alkalische Reaktion des Dampfes, die an Ammoniak erinnert. Der Cholin-Stickstoff ist vierbindig und deshalb positiv geladen. (Vergleiche das mit dem Ammonium-Ion!) Vierbindigen Stickstoff kennen wir auch von den kationischen Tensiden, den so genannten Neutralseifen. Die haben den Vorteil, dass sie (anders als die alkalisch reagierende klassische Seife) ihren Tensidcharakter entfalten, ohne dass der pH-Wert ins Alkalische abwandert. Die beiden entgegengesetzten Ladungen sind im Molekül räumlich fixiert und können sich intramolekular nicht gegenseitig eliminieren. Damit stellt das Molekül einen stabilen elektrischen Dipol dar.


Lecithin ist ein Emulgator
Seine polaren Eigenschaften haben zur Folge, dass Lecithin als hervorragender Lösungsvermittler zwischen Fetten und Wasser wirken kann. Es ist ein klassischer Emulgator.

Versuch 9: Lecithin ist ein Emulgator
a)

Ein erbsengroßes Stück Lecithin wird in einem Reagenzglas in etwas Ethanol (F) unter Erwärmen gelöst und mit viel Wasser versetzt. Nun kräftig schütteln.
Ergebnis: Es bildet sich sofort eine stabile, lang anhaltende Emulsion.

b)

Ungefähr 5 ml Eigelb werden mit 1 ml Sonnenblumenöl versetzt und geschüttelt. Lasse die Mischung etwas stehen.
Ergebnis: Es bildet sich sofort eine stabile Mayonnaise-artige Emulsion.

c)

Vermische in zwei Reagenzgläsern 1 ml Sonnenblumenöl mit 5 ml Wasser. Zu einer Probe gibst du eine Spatelspitze Lecithin und schüttelst beide Mischungen kräftig.
Ergebnis: Nur bei Lecithinzusatz bildet sich eine stabile, milchige Emulsion.

Bild 9: Reagenzglas 1: Versuch 9 a)
Reagenzglas 2: Versuch 9 b)
Reagenzgläser 3 und 4: Versuch 9 c)
(Foto: Daggi)


Diese Eigenschaft beruht auf der Struktur des Lecithin-Moleküls. Das lipophile Ende taucht ins Fetttröpfchen, das hydrophile Ende in das Wasser. Lecithin ist also wie die Gallensäuren ein grenzflächenaktiver Stoff biologischer Herkunft.

Lecithin selbst löst sich sofort in Wasser, da es sich selbst emulgiert. Es ist auch der Emulgator vom Eigelb der Hühnereier. Die Rolle eines Emulgators spielt das Lecithin auch bei der Herstellung von Mayonnaise oder von Margarine.


Biologische Rolle von Lecithin
In Lebewesen ist Lecithin zur Durchlässigkeit von Grenzflächen wie etwa den Zellmembranen unverzichtbar. Am Aufbau dieser Membranen sind Fette beteiligt, die nach innen und außen an wässrige Lösungen angrenzen. Die Membran besteht aus einer Lipid-Doppelschicht. Damit ein Kontakt zwischen Innen- und Außenraum der Zellen möglich wird, sind Transportproteine notwendig. Deren äußere Hülle besteht aus ausgesprochen hydrophilen Aminosäureresten. Sie werden in den ansonsten lipophilen Membranen durch Lecithin (und andere Phosphorlipide) fixiert. Lecithin hilft also bei der Bildung hydrophiler Fenster in der ansonsten undurchlässigen Biomembran. So können Ionen, wasserlösliche Substanzen und Wassermoleküle hindurchgeschleust werden.

Besonders viel Fett ist in Nervenzellen bzw. deren Leitungsbahnen vorhanden. Deshalb ist das Vorkommen von Lecithin typisch für Nervenzellen und für deren Funktion Voraussetzung. Ob aber Lecithinpräparate deshalb das Denken oder gar die Intelligenz fördern (wie die Werbung vorgaukelt - so gibt es ein Präparat "Buer-Lecithin", auf das alte Leute geradezu süchtig sind), ist umstritten. Schließlich wird Lecithin ja im Darm hydrolysiert und gelangt gar nicht direkt in die Blutbahn bzw. ins Gehirn.

Nun verstehen wir, weshalb Phosphat für uns so wichtig ist. Wenn man zum Lecithin auch noch den Phosphatgehalt von Nucleotiden und Nucleinsäuren und den Energiestoffwechsel in Betracht zieht (Stichwort ATP), wird die Rolle von Phosphat in Lebensmitteln deutlich. Aber vor einem "Zuviel" wird bekanntlich auch gewarnt.


Rüdiger Blume


Weitere Tipps des Monats


Literatur:
R. Blume und Koll.: Lehrerband zum Themenheft Chemie für Gymnasien (Fette, Seifen und Waschmittel), Cornelsen-Verlag, Berlin 1994.


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Letzte Überarbeitung: 02. Dezember 2014, Dagmar Wiechoczek