Prof. Blumes Tipp des Monats Juni 2015 (Tipp-Nr. 216)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Projekt Kieselstein

Im Geschiebe von Eiszeitgletschern oder in Fluss-Sedimenten liegen oftmals weiße, glatte, rund geschliffene Steine herum, die Kieselsteine. Mit denen sollte man sich ruhig mal im Chemieunterricht beschäftigen.

Bild 1: Kieselsteine
(Foto: Blume)


Im Lateinischen heißt der Kieselstein silex. Die Genitiv-Form von silex ist silicis. Das führt uns in die chemische Zusammensetzung der Kieselsteine ein: Von silicis leitet sich der Name eines chemischen Elements ab: Silicium. Silicium ist das Element, das im Kieselstein enthalten ist.

Silicium ist ein Element der 4. Hauptgruppe („Tetrele“) und deshalb verwandt mit dem Kohlenstoff.

Kieselsteine bestehen aus dem Oxid des Siliciums, Siliciumdioxid. Dessen Formel SiO2 kennen wir vom Quarz. Kieselsteine müssen also aus Quarz bestehen. Ausgangsmaterial für die Kieselsteine waren im Allgemeinen aber nicht die schönen, glasklaren Bergkristalle, sondern grobe Quarzschichten („Gänge“), die sich vor allem beim Erstarren von Ergussgesteinen bildeten. Nur selten entdeckt man einen Kieselstein, der eine Bergkristalldruse enthält.

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Bild 2: Bergkristalldruse in einem Kieselstein. Die Druse ist nur 0,5 cm breit. Es lohnt sich also bei vielen Sachen, genau hinzusehen
(Foto: Blume)


Beim Verwittern der Gebirge wurden die Quarzgänge freigelegt und durch Frost und andere, eher mechanische Einwirkungen nach und nach zu kleineren Stücken zerlegt. Wenn man einen Kieselstein zerschlägt, erhält man die für Quarz und auch Bergkristalle typischen, glänzenden Bruchflächen, die an gebrochenes Glas erinnern.

Bild 3: Zerbrochener Kieselstein
(Foto: Blume)


Durch Wasser, Sand und Wind wurden diese Brocken abgeschliffen, wodurch sie glatt und rund wurden und uns heute als „Handschmeichler“ erfreuen.

Zur Benennung der Oxide noch eine Anmerkung: SiO2 ist genauso wenig Kieselsäure, wie CO2 Kohlensäure ist. Wie die „richtige“ Kohlensäure (H2CO3), gibt es auch eine „richtige“ Kieselsäure mit der Formel H2SiO3. (Man kennt allerdings verschiedene Formen von Kieselsäuren, wie z. B. H4SiO4. Wichtig sind vor allem polymere Kieselsäuren, auf denen die Vielzahl an verschiedenen Silicaten beruht.)


Wie kann man Kieselsteine von weißen Kalksteinen unterscheiden?
Kalksteine (CaCO3) sind viel weicher als Kieselsteine. Außerdem lassen sie sich mit Salzsäure zersetzen.

Versuch 1: Unterscheiden von Kiesel- und Kalksteinen
1. Mit jeweils einem Stein versucht man, Fensterglas zu ritzen. Umgekehrt versucht man, mit einer spitzen Glasscherbe die Gesteinsproben zu ritzen.
2. Man gibt jeweils einen Stein in verdünnte Salzsäure (c = 2 mol/l) (C).
Ergebnisse:
1. Nur Kieselstein vermag Glas zu ritzen. Glas vermag Kieselstein und den Kalkstein zu ritzen.
2. Nur Kalkstein zersetzt sich. Dabei wird ein Gas freigesetzt.

Die Zersetzung von Kalkstein lässt sich durch die folgende Reaktionsgleichung beschreiben:

(1)       CaCO3 (unlöslich) + 2 HCl ———> CaCl2 (löslich) + H2O + CO2 (gasförmig)


Zersetzen von Kieselsteinen
Kieselsteine gelten als sehr stabil. Aber es gibt Möglichkeiten, sie chemisch anzugreifen.

A Kieselsteine sind gegenüber Säuren stabil
Es gibt allerdings eine Ausnahme: Flusssäure HF (besser: H2F2) vermag Kieselsteine zu zersetzen. Dabei entsteht gasförmiges Silicium-Tetrafluorid SiF4:

(2)       SiO2 (fest) + 2 H2F2 ———> SiF4 (gasförmig) + 2 H2O

Da Flusssäure sehr giftig ist, muss man sie während des Versuchs simultan selber herstellen. Das macht man, indem man Flussspat (Calciumfluorid CaF2) mit konzentrierter Schwefelsäure zersetzt:

(3)       CaF2 + H2SO4 ———> CaSO4 + H2F2 (gasförmig)

Das macht man in einem Bleitiegel. Blei ist stabil gegen Schwefelsäure, da es sich mit einem schützenden Belag von Bleisulfat PbSO4 überzieht. Es handelt sich um einen Spezialfall von Passivierung, welche wir vom Aluminium her kennen.

Silicium-Tetrafluorid reagiert mit Wasser unter Bildung von farbloser, fester Kieselsäure:

(4)       SiF4 (gasförmig) + 4 H2O ———> H4SiO4 (schwerlöslich) + 2 H2F2 (gasförmig)

Man kann somit SiF4 (und folglich indirekt auch SiO2) nachweisen, indem man einen feuchten, schwarzen Gegenstand wie raues Papier oder Stoff in den Dampfraum über der Reaktionsmischung hängt. Im positiven Fall beobachtet man auf dem dunklen  Material das Entstehen eines weißen Belags. Dafür gibt es Bleitiegel, die einen Deckel mit einer kleinen Bohrung haben, durch die die Gase auf das angefeuchtete schwarze Nachweispapier strömen.

Versuch 2: Zersetzen von Kieselsteinen mit Flusssäure
(Abzug!)
Man mischt gleiche Teile von gepulvertem Calciumfluorid und Quarzpulver in einem Tiegel aus Blei und übergießt das Gemenge mit einigen Millilitern konzentrierter Schwefelsäure (C). Den Tiegel mit dem durchbohrten Deckel stellt man in heißes Wasser und legt ein schwarzes, feuchtes Papier darauf.
Ergebnis: Nach einigen Minuten erkennt man einen weißen Belag auf dem schwarzen Papier.
Entsorgung: Mit Kalksteinpulver neutralisieren und Reaktionsmischung in die Behälter mit anorganischen Abfällen geben.

Da Glas Silicate enthält, kann man auch Glas mit Flusssäure ätzen. Das spielt in der Glasindustrie bei der Herstellung von Mattglas eine gewisse Rolle.

B Kieselsteine werden durch starke Laugen angegriffen
Beispielsweise sind sie durch Kaliumhydroxid (Ätzkali) zersetzbar.

Versuch 3: Anätzen von Kieselsteinen durch Kaliumhydroxid
Man legt einen flachen, glatten Kieselstein in eine Plastikschale und bedeckt die Hälfte der Oberfläche mit einigen Stücken von festem Kaliumhydroxid (C). Man lässt das Ganze ein bis zwei Tage stehen. Dabei zieht das hygroskopische Kaliumhydroxid Wasser an und es bildet sich ein Brei. Danach spült man die Oberfläche ab.
Ergebnis: Die vorher glatte Oberfläche des Kieselsteins ist deutlich aufgeraut worden. Gegebenenfalls muss man die Einwirkungsdauer erhöhen.

Eine genauere Versuchsvorschrift findet man hier.

Beim Ätzen mit Alkalien entstehen verschiedene Salze der Kieselsäure, Silicate. Beispiel:

(5)       SiO2 + 2 KOH ———> K2H2SiO4

Die Lösung entsprechender Natriumsalze kennt man unter der Bezeichnung Wasserglas. Durch Ansäuern kann man daraus wieder Kieselsäure herstellen (-> Versuch). Diese ist jedoch äußerst instabil und zerfällt rasch unter Freisetzung von SiO2.

(6a)       K2H2SiO4 + 2 HCl ———> 2 KCl + H4SiO4

(6b)       H4SiO4 ———> 2 H2O + SiO2

Damit ähnelt die Kieselsäure der Kohlensäure, die als freie Säure bekanntlich CO2 entwickelt. Anders als bei der Kohlensäure ist bei der Kieselsäure die Reaktion nicht umkehrbar.


Kann man mit Kieselsteinen Funken erzeugen?
Schon als Kinder haben wir über den folgenden Versuch gestaunt:

Versuch 4: Funken aus Kieselstein
Man schlägt in einem abgedunkelten Raum zwei Kieselsteine gegeneinander.
Ergebnis: An der Kontaktstelle tritt eine kurze, funkenartige Licht-Erscheinung auf. Außerdem nimmt man einen deutlichen Geruch wahr.

Es handelt sich hierbei nicht um zündfähige Funken, sondern um eine Art von Lumineszenz. Man spricht in diesem Fall von Deformationslumineszenz.

Wie man mit Kieselsteinen bzw. mit deren Verwandten, den Feuersteinen, wie in der Steinzeit richtig Feuer machen kann, erklären wir auf einer besonderen Webseite.

Der merkwürdige Geruch, der beim Zusammenschlagen von Kieselsteinen auftritt, beruht auf ungesättigten Siliciumverbindungen und deren Reaktionen.


Last but not least
Kieselsteine sind nicht immer wertlos. So enthalten Quarzgänge oftmals Gold. Das Gold wird bei der mechanischen Zerstörung des Quarzes herausgespült und ist dann neben den Kieselsteinen als Seifengold in den Fluss-Sedimenten zu finden („Rheingold“). Darüber berichten wir in einem anderen Tipp des Monats.

Rüdiger Blume


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Letzte Überarbeitung: 30. Oktober 2015, Dagmar Wiechoczek