Prof. Blumes Tipp des Monats Dezember 2000 (Tipp-Nr. 42)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Bild 1: Weihnachten im Labor (Foto: Daggi)


Warum glänzen Christbaumkugeln überhaupt?

Weihnachten steht vor der Tür. Überall sieht man die Weihnachtskugeln. Sie sind nicht nur hübsch. Dahinter steckt viel Chemie. Denn gute Weihnachtskugeln werden wie Spiegel versilbert. Das ist für Lehrer und Schüler ein uralter Hut. Aber wir sagen nicht nur, wie es geht, sondern auch, was dahinter steckt und wie man das Ganze vielleicht in den normalen Chemieunterricht zum allgemeinen Erkenntnisgewinn einbringen kann. Deshalb haben wir zum Einstieg auch kein Weihnachtsbild gemacht, sondern das Konvexbild eines unserer Praktikumlabors in einer Weihnachtskugel.


Woraus der Spiegel besteht
Zeigen wir zunächst, dass der Kugelspiegel tatsächlich aus Silber besteht. Sucht dazu Kugeln aus, die wirklich silbrig warm glänzen und die nicht mit kalt wirkender Alubronze ausgemalt sind!

Versuch 1: Analyse des Innenbelags von Weihnachtskugeln
Tropfe in eine Weihnachtskugel verdünnte Salpetersäure (C). Der Silberbelag zersetzt sich rasch unter Bildung von braunen Stickoxiden (Vorsicht!).

Ag + HNO3 + H+ ———> Ag+ + H2O + NO2

Zum Nachweis von Silber-Ionen tropfst du etwas verdünnte Salzsäure (Xi) auf die Lösung. Es fällt weißes Silberchlorid aus.

Bild 2a und b: Silberkugel vor und nach der Behandlung mit Salpetersäure
(Fotos: Daggi)


Das Versilbern machen auch heute noch viele Glasbläser bzw. deren Angehörigen. Das erkennt man daran, dass vor Weihnachten in Regionen wie dem Bayerischen Wald, wo Glas hergestellt wird, viele Leute mit schwarzen Händen herumlaufen. Denn Silber stellt man her, indem man lösliche Silbersalze reduziert. Und wenn man die Silbersalze an die Hand bekommt, verfärbt sich diese. Deshalb sollten wir bei unseren Experimenten unbedingt Gummihandschuhe überziehen!


Einige Modellversuche mit Kupferblechen
Zur Verdeutlichung der Vorgänge und Probleme bei der Reduktion von Silber-Ionen setzen wir zunächst ein unedleres Metall wie z. B. Kupfer als Reduktionsmittel ein.
Die blanken Kupferbleche müssen absolut sauber und mit Alkohol gut entfettet sein. Wir verwenden deshalb eine Pinzette, um die Berührung mit den Fingern zu vermeiden!
Sicherheitshinweise zur Silbernitratlösung: Diese lichtempfindliche Lösung bewahren wir in braunen Glasflaschen auf, die wir zusätzlich kräftig mit Alu-Folie einwickeln. Bei ammoniakalischen Silbernitratlösungen ist besondere Vorsicht geboten, weil sich bei längerem Stehen der Lösung feine, schwarze Flocken von hoch explosivem Silbernitrid (Ag3N) bilden können. Deshalb musst du die Lösung immer frisch zubereiten und unbedingt reduzieren, bevor du sie in den Abfallbehälter gibst.

Versuch 2: Reduktion von Silber-Ionen mit Kupfer
In ein Reagenzglas mit Silbernitratlösung (w = 1 %) (Xi) geben wir einen Kupferstreifen. Etwas warten und den Ansatz mindestens eine halbe Stunde stehen lassen.

Wir sehen, dass sich Silber nur grobkristallin abscheidet. Man erhält eher einen Metallschwamm als einen Spiegel.
Wie können wir einen Spiegel herstellen? Dazu müssen wir eine mikrokristalline und stark haftende Abscheidung erreichen. Das ist durch Zusatz von organischen Substanzen wie Citronensäure möglich. So stellt man z. B. die bekannten glänzenden Chromschichten her.

Versuch 3: Reduktion von Silber-Ionen mit Kupfer in Gegenwart von Citronensäure
In ein Reagenzglas mit 5 ml Silbernitratlösung (w = 1 %) (Xi) und 5 ml Citronensäurelösung (w = 10 %) geben wir einen sauberen Streifen von Kupfer.

Es bildet sich rasch ein schwarzer Überzug. Schwarzes Silber ist bekanntlich mikrokristallin. Es ist allerdings noch nicht allzu fest haftend und glänzt leider auch noch nicht.

Bild 3: Ergebnisse der Versuche 2, 3 und 4 (von links)
(Foto: Blume)


Nun wandeln wir den Versuch noch einmal ab. Wir geben jeweils etwas Lösung von Ammoniak und von tri-Natriumcitrat, dem Salz der Citronensäure, zu.

Versuch 4: Reduktion von Silber-Ionen mit Kupfer in Gegenwart von Natriumcitrat
In ein Reagenzglas geben wir 5 ml Silbernitratlösung (w = 5 %) (Xi) und tropfen vorsichtig soviel Ammoniaklösung (C) zu, bis sich der anfänglich gebildete Niederschlag von Silberhydroxid gerade wieder auflöst. Dann pipettieren wir 5 ml Natriumcitratlösung (w = 10 %) (Xi) zu. Anschließend geben wir einen sauberen Streifen von Kupfer in die Mischung. Wir nehmen das Blech nach einigen Minuten aus der Lösung, spülen es gut ab und polieren es mit einem weichen Tuch oder Papiertaschentuch.

Jetzt endlich konnten wir beobachten, wie sich auf dem Kupferblech rasch ein fest haftender silberglänzender Überzug gebildet hat. Unsere Reaktionsmischung liefert bereits schon nach wenigen Minuten ein tolles Ergebnis.

Bild 4: Das nach Versuch 4 verspiegelte Kupferblech
(Foto: Daggi)


Die chemischen Vorgänge bei der Kupferverspiegelung
Wenn man genau hinsieht, erkennt man in Bild 3 im oberen Bereich der rechts stehenden Lösung eine blaue Zone. Das muss erklärt werden.
Die Abscheidung des Silbers auf dem Kupfer ist ein Redoxvorgang. Das Ion eines stärker elektronegativen Metalls (Ag+) oxidiert das unedlere Metall (Cu).

Es entstehen tatsächlich Kupfer(I)-Ionen. Die sind nämlich farblos. Deren Bildung erkennt man auch daran, weil sie nicht mit dem im Überfluss vorhandenen Ammoniak zu tiefblauem Kupfertetraammin-Komplex reagieren. Dieser bildet sich nur mit Kupfer(II)-Ionen, die erst an der Oberfläche der Lösung im Kontakt mit Luftsauerstoff entstehen und sofort zum Komplex weiterreagieren.

2 Cu+ + ½ O2 + H2O ———> 2 Cu2+ + 2 OH-

Cu2+ + 4 NH3 ———> [Cu(NH3)4]2+

Daher rührt die blaue Zone an der Grenze zwischen Luft und Reaktionslösung.


Welche Rolle spielt die organische Substanz?
Sie ist ein Kristallisationsinhibitor. Sie verhindert den Aufbau großer Kristalle. Dafür gibt es zwei Gründe:
1) Zunächst einmal bindet sie die abzuscheidenden Ionen komplex (Chelate). Damit wird die energetische Hürde zur Kristallbildung hochgeschraubt.
2) Außerdem lagern sich die Inhibitor-Moleküle an die Wachstumspunkte der wachsenden Kristalle an, stören deren Aufbau. So bilden sich überall neue Keime, die nur langsam weiterwachsen.
Die Folge: Statt einiger großer Kristalle bilden sich viele kleine Kristallite, die feinstverteilt schwarz aussehen (Versuch 3) oder glänzende Schichten bilden (Versuch 4). Ein Spiegel ist entstanden.

Es gibt auch andere Kristallisationsinhibitoren. Bekannt ist die Glucose. Untersuchen wir einmal, ob man damit das tri-Natriumcitrat in Versuch 4 ersetzen kann.

Versuch 5: Glucose als Kristallisationsinhibitor
Wir wiederholen Versuch 4, setzen aber statt der Citratlösung eine Glucoselösung (w = 10 %) ein. Außerdem verwenden wir ein top-sauberes Reagenzglas.
Nach einigen Minuten nehmen wir das Cu-Blech heraus. Das Glas mit der Lösung lassen wir aber mindestens noch eine Stunde stehen.

Es bildet sich wieder ein schöner Silberspiegel auf dem Kupferblech. Darüber hinaus jedoch beobachten wir zusätzlich die langsame Abscheidung von Silber auf der Glaswand.
Glucose ist nämlich nicht nur ein Kristallisationsinhibitor, sondern zugleich ein Reduktionsmittel für Silber-Ionen. (Darauf beruht zum Beispiel eine Nachweisreaktion für reduzierende Zucker, die Tollens-Probe.) Vielleicht können wir deshalb das Kupferblech überhaupt weglassen. Es geht tatsächlich. Zur Beschleunigung der Reaktion erhitzen wir diesmal die Reaktionsmischung. Damit kommen wir auch auf die zuvor mit Salpetersäure "entspiegelte" Glaskugel zurück.

Versuch 6: Verspiegeln von Glas
Wir geben zu 10 ml Silbernitratlösung (w = 5%) (Xi) tropfenweise soviel konzentrierte Ammoniaklösung (C), bis sich der anfänglich gebildete Niederschlag von Silberhydroxid wieder auflöst. Nun fügen wir 10 ml Glucoselösung (w = 10 %) hinzu. Wir füllen die Glaskugel halb mit dieser Mischung und hängen sie ins heiße Wasserbad. Das Kochen des Glasinhalts ist zu vermeiden, denn die Wasserdampfblasen verhindern die gleichmäßige Silberabscheidung.
Achtung: Die mit Flüssigkeit gefüllte Glaskugel ist schwer und kann aus der Aufhängung ins Wasserbad rutschen. Deshalb sollte man sie in ein kleines Netz hängen.
Hinweis
Man kann als Reduktionsmittel statt Glucose auch Seignettesalz (Kalium-Natriumtartrat) nehmen. Dazu lösen wir 1 g Seignettesalz in 100 ml destilliertem Wasser.

Es bildet sich ein schöner Silberspiegel auf der Wand der Glaskugel. Sie erhält somit ihren Status als Christbaumkugel zurück.

Bild 5: Die halb verspiegelte Weihnachtskugel von Bild 1
(Foto: Daggi)


Die chemischen Vorgänge beim Versilbern von Glas
Das Reduktionsmittel wird oxidiert. Dabei wird in die Glucose Sauerstoff eingebaut. Dieser stammt nicht aus der Luft, sondern aus den Wassermolekülen. Denn das eigentliche Oxidationsmittel, d. h. die Elektronenakzeptoren, sind die Silber-Ionen!
Die Glucose schreiben wir kurz als Aldehyd.

Dass wir hier als Reaktionsprodukt eine Carbonsäure (Gluconsäure) hinschreiben, hat nur formale Bedeutung. In Wirklichkeit entsteht bei dieser Reaktion aus der Glucose ein Gemisch von schwer charakterisierbaren, gelbgefärbten Produkten.
Jetzt verstehen wir auch, warum wir in alkalischer Lösung arbeiten: Zur Verschiebung der Gleichgewichte müssen die Protonen entfernt werden. Wir können auch sagen: Damit verschieben wir das Redoxpotential der Glucose in den stärker reduzierenden Bereich. Dass es ohne diese Alkalisierung tatsächlich nicht geht, zeigt der folgende Versuch.

Versuch 7: Reduktion von Silber-Ionen in neutraler Lösung
Wir geben zu 10 ml Silbernitratlösung (w = 5%) (Xi) 10 ml Glucoselösung (w = 10 %). Davon füllen wir etwas in ein Reagenzglas und hängen es ins heiße Wasserbad. Eine Reaktion bleibt aus.
Anschließend geben wir etwas Ammoniaklösung (C) zu. Nun bildet sich elementares Silber.

Und warum verwendet man dazu das stinkende Ammoniak? Reicht nicht Natronlauge aus? Beim Alkalisieren der Silbernitratlösung bildet sich zunächst festes, braunes Silberhydroxid.

Ag+ + OH- ———> AgOH

Damit könnte man nicht versilbern, denn die Silber-Ionen sollen ja frei an die Glasoberfläche wandern können. Deshalb muss man den Niederschlag wieder auflösen. Dabei bilden sich Silber-Diammin-Komplexe.

Ag+ + 2 NH3 ———> [Ag(NH3)2]+

Diese Komplex-Ionen sind die eigentlichen Oxidationsmittel.


Warum scheidet sich das Silber vorrangig am Glas ab?
Glas wirkt wie ein Ionenaustauscher. Es adsorbiert auf diese Weise Silber-Ionen. An diesen Stellen setzt die Reduktion ein und bildet viele Kristallkeime, die den festhaftenden Überzug bilden.


Wie macht man einen flachen Spiegel?
Zunächst werden beide Seiten der Glasplatte versilbert. Dann schützt man eine Seite mit einem schützenden Lack. Der ist meistens rotbraun gefärbt. Anschließend wird die nicht geschützte Silberschicht entfernt - zum Beispiel mit einem Silber zersetzenden Bleichmittel wie Rotes Blutlaugensalz (Kaliumhexacyanoferrat(III)), Kaliumdichromat oder Kaliumpermanganat.


Entsorgung von Silbersalzen
Silbersalze aufzuarbeiten lohnt sich nicht, da der Silberpreis im Keller ist und im Schullabor das Recycling mehr Umweltschäden anrichtet, als Positives zu bewirken. Jedoch muss man bedenken, dass die Abfalllösungen Silber-Diammin-Komplexe und Nitrat-Ionen enthalten. Diese bilden beim Stehen extrem gefährliches Silbernitrid Ag3N. Deshalb müssen diese Lösungen reduziert werden. Am besten geschieht das mit Einwerfen der Kupferreste oder der Zugabe der restlichen Lösung von Glucose. Im letzten Fall muss erwärmt werden. Auch Ascorbinsäure ist als Reduktionsmittel gut geeignet.


Rüdiger Blume


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Letzte Überarbeitung: 24. Februar 2009, Dagmar Wiechoczek