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Tipp des Monats Oktober 2022 (Tipp-Nr. 304)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Warum Hunde-Pipi Aluminium-Pfähle fällt

Rüdiger Blume

Im Sommer gab es eine Meldung in den Medien: In Viersen haben Hunde an Laternenpfählen beim Setzen ihrer Pipi-Duftmarken Schäden verursacht, die zum Umfallen der Metall-Pfähle führen können. Das hat mich nachdenklich gemacht – steht doch vor unserem Haus genauso eine Straßenlaterne vom Viersener Typ. Und dazu haben viele unserer Nachbarn einen oder sogar mehr Hunde – von der „Laufkundschaft“ aus der weiteren Umgebung wollen wir gar nicht reden...

Bild 1: Straßenlaterne vor unserem Haus
(Foto: Blume)

Wichtig ist zu wissen, dass die betroffenen Viersener Laternenpfähle aus Aluminium gefertigt sind. Ich habe mir einen Magneten geschnappt und gleich nachgeschaut: Die Magnet-Probe ist negativ – also wird es wohl ein Alu-Pfahl sein. Der sieht tatsächlich schon ziemlich angegriffen aus…

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Bild 2: Schaden an einem Laternenpfahl
(Foto: Blume)

Eine Anmerkung: Der Wald ist nur 50 m weit weg, und da hätten die Hunde herrlich viele Bäume zum naturnahen Pinkeln. Dazu täten sie bzw. ihre Herrchen/Frauchen noch etwas Gutes: Die Bäume bekämen Feuchtigkeit und würden dazu noch gedüngt… Und die Hundebesitzer täten etwas für ihre Gesundheit.


Die Schäden sehen nach Korrosion aus
Zur Erinnerung: Aluminium ist ein ziemlich unedles Metall. Ein Blick in die Spannungsreihe verrät Folgendes: Sein Redoxpotential beträgt -1,66 V und liegt damit zwischen dem von Magnesium (-2,36 V) und Zink (-0,76 V). Normalerweise ist Aluminium aber mit einem festhaftenden Oxid/Hydroxid-Überzug versehen, der es viel „edler“ macht, also vor Korrosionsschäden schützt (Stichwort: Passivierung). Bei technisch genutztem Aluminium wird dieser Oberflächenüberzug künstlich verstärkt. Das geschieht meistens elektrochemisch und wird „Eloxieren“ genannt. Hier ist eine beispielhafte Versuchsvorschrift.

Zur Korrosion haben wir eine Reihe von Webseiten im Rahmen der Elektrochemie.


Was verursacht die Schäden?
Es muss mit den Inhaltsstoffen des Hunde-Urins zusammenhängen. Zuerst denkt man an Säureschäden. Aber Hunde-Pipi ist mit einem pH-Wert zwischen 6,5 und 7,2 in etwa neutral. Eine Säure ist wohl nicht die Ursache. Was ist also drin im Urin?

Am meisten ist Harnstoff enthalten. Diese Substanz dient im Körper von Säugetieren zum Entfernen von Stickstoff, der in der Form von Ammoniak bzw. Ammonium-Ionen in zu großen Mengen toxisch ist. Harnstoff wird in einem besonderen Reaktionszyklus (Harnstoffzyklus) hergestellt. Der Mensch produziert täglich ca. 20-35 g davon. Diese Menge hängt allerdings von der Ernährung ab.

Zu Harnstoff (Neudeutsch: Urea) lässt sich viel sagen. Beispielsweise, dass er die erste künstlich hergestellte biochemische Substanz ist (Wöhler 1828).

Harnstoff ist das Diamid der Kohlensäure und chemisch gesehen ziemlich reaktionsträge („inert“). Chemiker bezeichnen ihn als „toten Hund“. Er sollte somit keinen Schaden anrichten. Was ihn auszeichnet ist seine Hygroskopie, das heißt, dass er aus der umgebenden Atmosphäre Wasser anzieht. Das hält den Laternenpfahl schön feucht...

Kurz zurück zum Laternenpfahl aus Aluminium: Wenn man sich die Schadens-Bilder ansieht, stellt man fest, dass die Korrosion direkt über dem Boden stattfindet, und hier leben viele Bakterien. Für diese Bodenbakterien ist der Harnstoff eine leckere Speise, denn er hat noch eine Menge Energie in sich gespeichert. Sie verfügen über ein besonderes Enzym, die Urease, mit dessen Hilfe sie den reaktionsträgen Harnstoff in exothermer Reaktion zerlegen. Das geschieht durch das für Katalysatoren typische Absenken der Aktivierungsenergie. (Zur genauen Beschreibung der Urease-Reaktion klicke hier.) Normalerweise sind die Bodenbakterien ein Segen – zumindest für die Landwirtschaft, denn sie sorgen dafür, dass die stickstoffhaltigen Güllebestandteile in pflanzenverfügbare Düngestoffe umgewandelt werden.

Für Straßenlaternen aus Aluminium gilt das allerdings nicht… Denn beim Abbau von Harnstoff entstehen typische Korrosions-Chemikalien: CO2 und Ammoniak.

CO2 und NH3 reagieren mit Wasser in den bekannten Gleichgewichtsreaktionen weiter. CO2 bildet eine Säure:

NH3 bildet eine Lauge und ein saures Kation:

(Das Gemisch könnte man auch als Backpulver bezeichnen...)

Die entstehenden Ionen reagieren allesamt mit dem schützenden Aluminium-Oxid/Hydroxid, wobei sie es zunächst zersetzen und anschließend das freigesetzte, stark unedle Aluminium-Metall angreifen und zerstören.

Die Zersetzung des Aluminium-Metalls wird zusätzlich durch Folgereaktionen gefördert. Dazu gehört vor allem die Wechselwirkung zwischen einerseits Hydroxid-Ionen sowie Ammoniak-Molekülen und andererseits Aluminium-Ionen. Es handelt sich um eine Folge von Komplex-Reaktionen. Auch die Bildung von farblosen, schlechtlöslichen und farblosen Al-Carbonaten und Al-Phosphaten spielt eine die Korrosion fördernde Rolle.

Noch etwas fällt auf: Das sich zersetzende Aluminium wird schwarz. Das ist nicht nur der Straßendreck, sondern auch freigesetztes Kupfer, das oft in billigem Recycling-Aluminium enthalten ist. Aus diesem Recyclingmaterial werden die Laternenpfähle gefertigt. Cu/Al-Legierungen spielen z. B. in der Elektrotechnik (etwa als Material für elektrische Fernleitungen) eine wichtige Rolle, da sie den Strom fast so gut wie Kupfer leiten, aber viel leichter sind und Strommasten weniger belasten. Sie fallen deshalb in großen Mengen im Aluminiumschrott an.

Jetzt kommt es noch dicker: Kupfer spielt eine wichtige Rolle als Korrosions-Katalysator; es fördert die Korrosion von Aluminium. Das Stichwort lautet: Lokalelement. Bekannt ist wohl jedem Chemielehrer, dass man zur Beschleunigung der Wasserstoffentwicklung aus Al- oder Zn-Granalien einen Tropfen CuSO4-Lösung (nicht mehr!) hinzufügen sollte.


Was kann man zum Schutz der Laternenpfähle machen?
Pinkelverbote für Hunde helfen wohl kaum. In Viersen sollen die Alu-Laternenpfähle deshalb gegen solche aus Stahl ausgetauscht werden. Man hat sich für korrosionsfesten Edelstahl entschieden. Denn Eisen allein hilft nicht. Das wird deutlich, wenn man sich innerstädtische, alte Regenfallrohren aus Eisen ansieht...

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Bild 3: Schaden an eisernen Regenfallrohren
(Foto: Blume)


Last but not least
Wer hätte gedacht, wieviel Chemie hinter diesem Thema „Hunde-Urin fällt Laternenpfähle“ steckt...


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Letzte Überarbeitung: 6. Oktober 2022, Fritz Franzke