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Tipp des Monats Februar 2023 (Tipp-Nr. 308)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Kunststofffolien in der Küche fürs Garen und Kochen

Jens Schorn

Bild 1: Kartoffeln und Äpfel in unterschiedlichen Kunststofffolien
(Foto: Schorn)

Nicht nur zur vergangenen Weihnachtszeit kursieren in den Medien verschiedenste Vorschläge, wie der Festtagsbraten und das dazu passende Gemüse zart und aromaschonend vorbereitet werden können. Moderne Küchen bedienen sich für die Zubereitung von Fleisch hierbei schon seit längerem der Methode des Niedrigtemperaturgarens. Hierbei wird das rohe Fleisch in Folie eingepackt und dann bei ca. 80°C je nach Stückgröße mehrere Stunden gegart. Das Ergebnis ist besonders zartes und aromatisches Fleisch, da bei der niedrigen Temperatur die Proteine des Bindegewebes, sogenanntes Kollagen, zersetzt werden und sich in Gelatine umwandeln. Der Bratensaft tritt dank der Folie nicht aus dem Fleisch aus und das gesamte Aroma, das auch durch vorheriges kurzes Anbraten entstanden ist, bleibt im Braten enthalten. Bei der Vielfalt der angebotenen Folien für den Küchenbedarf stellt sich die Frage:


Welche Folien kann man fürs Garen und Kochen verwenden?
Im Supermarkt findet man für die Zubereitung von Fisch, Fleisch und Gemüse neben der bekannten Alufolie diverse Kunststofffolien mit entsprechenden Verbraucherhinweisen zur Verwendung und Vermeidung von Schäden im Ofen oder in der Mikrowelle.

Bild 2: Frischhaltefolie A grün
(Foto: Schorn)

Bild 3: Frischhaltefolie B farblos
(Foto: Schorn)

Bild 4: Bratschlauch
(Foto: Schorn)

Bild 5: Bratbeutel
(Foto: Schorn)

Folienart Gebrauchshinweise Hinweis auf Bestandteile
Frischhaltefolie grün Selbsthaftende Folie zum Frischhalten von Lebensmitteln. Nicht für die Mikrowelle geeignet. Kunststoffart: Polyethylen (PE)
Frischhaltefolie farblos Frischhaltefolie zum Frischhalten von Speisen. atmungsaktiv und aromaschützend.
Kann auch in der Mikrowelle verwendet werden. Die Kern- oder Oberflächentemperatur der Lebensmittelmittel darf 100°C nicht überschreiten. Die Frischhaltefolie darf nicht für fett- oder zuckerhaltige Lebensmittel in der Mikrowelle verwendet werden, da die Folie schmelzen kann.
Besteht aus hochwertigem, recyclingfähigem Polyethylen.
Bratschlauch Einsetzbar in allen Backöfen. Ist hitzebeständig bis 200°C. Direkten Kontakt mit den Ofenwänden vermeiden. Bratschlauch besteht aus Polyester (PET) und enthält keine Weichmacher.
Bratbeutel Nicht einsetzen bei Zuschaltung der Grillfunktion. Direkten Kontakt mit den Ofenwänden vermeiden. Hitzebeständig bis 200°C. Bratbeutel besteht aus Polyamid (PA) und enthält keine Weichmacher.

Der Vergleich zeigt, dass der Einsatzbereich von der Temperatur abhängt, die man zum Zubereiten der Speisen benötigt.


Wieso muss man bei der Verwendung von Folien auf die Temperatur achten?
Die ausgewählten Folien werden mit zwei Methoden auf ihre Temperaturbeständigkeit untersucht.


Experiment 1: Untersuchung der Eignung von Kunststofffolien zum Garen von Kartoffeln und Äpfeln im Backofen

Material: Ausgewählte Back- und Kochfolien. Umluftbackofen mit Temperaturregulation (10°C Einteilung) Backblech. Ungefähr gleichgroße Kartoffeln und Apfelstücke.

Durchführung:

  1. Gleichgroße Apfelstücke und Kartoffeln werden mit Wasser angefeuchtet und in zurechtgeschnittene Folienstücke eingewickelt. Bei den Folien mit Ventiltechnik werden die Ventile lt. Anleitung befestigt. Anschließend wird das verpackte Gargut auf einem Backpapier auf das Backblech gelegt.
  2. Das Backblech wird
    - bei 80°C (60min),
    - bei 120°C (weitere 30min),
    - bei 180°C (weitere 60min) im Backofen aufbewahrt.
    Das Verhalten der Folien und des Garguts wird beobachtet.

Beobachtungen:

  • Bei 80°C (60min)

    Bild 6: Gargut nach 60min bei 80°C im Backofen.
    (Foto: Schorn)

    Bild 7: Detailaufnahme Apfel im Bratschlauch nach 60min bei 80°C im Backofen.
    (Foto: Schorn)

    Bild 8: Detailaufnahme Apfel in Frischhaltefolie farblos nach 60min bei 80°C im Backofen.
    (Foto: Schorn)

  • Bei 120°C (weitere 30min)

    Bild 9: Gargut nach weiteren 30min bei 120°C im Backofen.
    (Foto: Schorn)

    Bild 10: Detailaufnahme Äpfel in Frischhaltefolie farblos (links) und grün (rechts) nach weiteren 30min bei 120°C im Backofen.
    (Foto: Schorn)

  • Bei 180°C (weitere 60min)

    Bild 11: Gargut nach weiteren 60min bei 180°C im Backofen.
    (Foto: Schorn)

    Bild 12: Detailaufnahme Äpfel in Frischhaltefolie farblos (links) und grün (rechts) nach weiteren 60min bei 180°C im Backofen.
    (Foto: Schorn)

    Bild 13: Detailaufnahme von aufgeschnittenen Kartoffeln in Bratbeutel (links) und Bratschlauch (rechts) nach weiteren 60min bei 180°C im Backofen.
    (Foto: Schorn)

  1. Bei 80°C (60min): Die Äpfel in allen Folien sind schon bei 80°C nach einer Stunde gar und könnten zum Versehr serviert werden. Die Kartoffeln sind in allen Fällen noch fest. Die Folien zeigen keine Veränderungen.
  2. Bei 120°C (weitere 30min): Die Äpfel sind in allen Folien so weich, dass sie in sich zusammenfallen. Die Kartoffeln sind weiterhin noch hart. Die Frischhaltefolie (gerade die grüne Folie) beginnt zu schmelzen und verklebt mit der Oberfläche des Garguts. Das Gargut wird dadurch ungenießbar.
  3. Bei 180°C (weitere 60min): Die Äpfel in den Folien, gerade in den Frischhaltefolien sind z.T. verbrannt und die Kartoffeln vertrocknet. Die Kartoffeln im Bratbeutel und im Bratschlauch sind nun weich genug, um sie als Backkartoffeln genießen zu können. Die beiden Foliensorten haben sich nicht verändert.

Ergebnis: Die grüne Frischhaltefolie fängt schon oberhalb von 80°C an zu schmelzen. Damit ist sie im Vergleich mit den anderen Folien nur für das Niedertemperaturgaren bei Temperaturen unter 100°C geeignet. Die farblose Frischhaltefolie hält im Temperaturbereich zwischen 80-120°C noch Stand. Es findet aber auch bei diesen Temperaturen schon eine Verklebung mit dem Gargut statt. Im Bereich von 120°C bis 180°C halten nur Bratbeutel und Bratschlauch noch die Folienform und schmelzen nicht.


Experiment 2: Untersuchung der Schmelztemperatur von Kunststofffolien zum Garen und Kochen.

Material: Ausgewählte Back- und Kochfolien, Waage, 4 Reagenzgläser, elektrische Heizplatte, Infrarotkamera (Messbereich bis 270°C).

Durchführung:

  1. Folienstücke mit der Masse von 0,9g abwiegen und aufgerollt in jeweils ein Reagenzglas stecken.
  2. Die Reagenzgläser nebeneinander mittig auf die Heizplatte legen und die Heizplatte bei voller Leistung einschalten.
  3. Mit der Infrarotkamera die Temperatur bestimmen bei der die Folien schmelzen.

Beobachtungen:

Foto Infrarotbild Beobachtung
Bei ca. 70 Grad sind alle Folien fest.
Die grüne Frischhaltefolie schmilzt bei ca. 85°C. Alle weiteren Folien sind fest.
Die farblose Frischhaltefolie schmilzt bei 107°C.
Der Bratschlauch beginnt bei über 200°C zu schmelzen.
Bei Temperaturen über 230°C sind alle Folien geschmolzen.

Ergebnis: Die Folien schmelzen in der Reihenfolge 85°C (grüne Frischhaltefolie), 107°C (farblose Frischhaltefolie), 200°C (Bratbeutel), 230°C (Bratschlauch). Beide Frischhaltefolien sind nur für das Niedertemperaturgaren im Backofen geeignet, während die anderen Foliensorten Temperaturen über 200°C standhalten.


Woran liegt es, dass die Folien bei unterschiedlichen Temperaturen schmelzen?
Die Angaben der Hersteller enthalten die verwendeten Kunststoffe für die unterschiedlichen Foliensorten. Frischhaltefolien bestehen aus Polyethylen (PE), der Bratbeutel aus Polyamid (PA) und der Bratschlauch aus einem Polyester (sogenanntes Polyethylentherephthalat oder PET).

Da sich alle Kunststofffolien durch Temperaturerhöhung schmelzen lassen, ordnet man sie den Thermoplasten zu. Im Gegensatz dazu gibt es noch Duroplaste und Elastomere, die bei Temperaturerhöhung nicht schmelzen, sondern sich meist zersetzen. Genaueres zur Einteilung findet man hier.

Polyethylen ist ein Kunststoff, der aus langkettigen Kohlenwasserstoffketten besteht. Er wird aus Ethylen durch Polymerisation gewonnen.

Abbildung 1: Polymerisation von Ethylen [1]

Hierbei entstehen je nach Herstellungsprozess lineare oder verzweigtkettige Kohlenwasserstoffketten. Die verschiedenen Polymerisationsarten können hier näher studiert werden.

Polyamid und Polyethylenterephthalat sind Kunststoffe, die ebenfalls aus langen Ketten bestehen. Sie werden jeweils aus zwei unterschiedlichen Ausgangsstoffen herstellt, wobei bei der Entstehung dieser Kunststoffe immer ein unbedeutendes Nebenprodukt (Wasser oder Chlorwasserstoff), ein sogenanntes Kondensat, entsteht. Deshalb nennt man die Produkte der Polykondensation auch Polykondensate. Polyamide und Polyester (hier das PET) sind solche Polykondensate.

Abbildung 2: Polykondensation von Terephthalsäure und Glykol zu PET [1]

Um die Entstehung solcher Kunststoffe näher zu verstehen findet man hier weitere Informationen.

Entscheidend für die Schmelztemperatur bei der ein Kunststoff schmilzt ist der Zusammenhalt und Wechselwirkung zwischen den sehr langen Molekülketten. Der Zusammenhalt entsteht durch sogenannte zwischenmolekulare Wechselwirkungen. ChemikerInnen sprechen auch von intermolekularen Wechselwirkungen. Zu diesen Wechselwirkungskräften zählen die Van-der-Waals Kräfte, die auch gerne als Kleber unpolarer Moleküle bezeichnet werden und die Wasserstoffbrückenbindungen. (Genaueres zu Van-der-Waals-Bindungen und Wasserstoffbrückenbindungen findet man hier bzw. hier)

Die Wirksamkeit dieser Wechselwirkungen zwischen den Molekülketten hängt von der Kontaktfläche benachbarter Molekülketten ab. Je größer die Kontaktfläche zu den Nachbarmolekülen, desto stärker ist der Zusammenhalt zwischen den Ketten und desto höher ist die Schmelztemperatur, um die Ketten voneinander zu lösen.

Dies lässt sich an einem Modell mit Spaghetti-Nudeln einfach veranschaulichen.

Bild 16: Nudelmodell für die grüne Frischhaltefolie
(Foto: Schorn)

Einfaches Polyethylen mit vielen Verzweigungen bildet nur eine kleine Kontaktfläche zwischen den benachbarten Molekülketten aus. Die gegenseitige Anziehungskraft ist gering und die Schmelztemperatur ist sehr niedrig.

Bild 17: Nudelmodell für die farblose Frischhaltefolie
(Foto: Schorn)

Hochwertiges Polyethylen hat weniger Verzweigungen und bildet eine größere Kontaktfläche zwischen den benachbarten Molekülketten aus. Die gegenseitige Anziehungskraft ist größer und die Schmelztemperatur ist ebenfalls größer. ChemikerInnen sprechen hierbei von kristallinen Bereichen des Polyethylens, weil die Molekülketten regelmäßiger, wie in einem Kristall, nebeneinanderliegen.

Bild 18: Nudelmodell für den Bratbeutel
(Foto: Schorn)

Polyamide bilden im Vergleich zum Polyethylen größere Kontaktflächen zwischen den benachbarten Molekülketten aus. Zusätzlich zu den Van-der-Waals-Bindungen bildet dieser Kunststoff mit Hilfe der Amidbindung Wasserstoffbrücken zwischen den Nachbarmolekülen aus. Diese Anziehungskräfte sind insgesamt viel größer und die Schmelztemperatur ist ebenfalls viel höher.

Abbildung 3: Nylon 6,6. Die Amidbindung befindet sich in der Mitte [2]

Bild 19: Nudelmodell für den Bratschlauch
(Foto: Schorn)

Polyester haben keine Verzweigungen und bildet somit eine größere Kontaktfläche zwischen den benachbarten Molekülketten aus. Zusätzlich zu den Van-der-Waals-Bindungen bildet dieser Kunststoff mit Hilfe der polaren Esterbindung Wasserstoffbrücken zwischen den Nachbarmolekülen aus. Diese Anziehungskräfte sind insgesamt viel größer und die Schmelztemperatur ist ebenfalls viel höher.

Abbildung 4: Polyethylenterephthalat. Die Esterbindung befindet jeweils links und rechts von den Ringstrukturen [1]

Abschließend kann man sagen, dass die bislang eingesetzte Alufolie sehr gut durch die angebotenen Kunststofffolien zum Garen und Kochen ersetzen kann. Die Herstellung von Alufolie ist im Vergleich zur Kunststofffolie auch energetisch viel aufwändiger, sodass der sicheren Verwendung von Bratbeutel und Bratschlauch der Vorzug gegeben werden sollte.

Aufgrund der Untersuchungsergebnisse sollte die Verwendung von Frischhaltefolien aber unbedingt auf das Garen bei Temperaturen unter 100°C beschränken werden.


Quellen:
[1] https://www.chemieunterricht.de/dc2/auto/kunstst1.htm
[2] Leicht verändert nach: https://www.chemieunterricht.de/dc2/nh3/nylon.htm
[3] Elemente Chemie 2; Liebenow, K; Glaser, M.; u.a.; 1. Auflage 2010; Klett Verlag; Stuttgart


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Letzte Überarbeitung: 15. Februar 2023, Fritz Franzke