Kunststofffolien in der Küche fürs Garen und Kochen Jens Schorn
Bild 1: Kartoffeln und Äpfel in unterschiedlichen Kunststofffolien
Nicht nur zur vergangenen Weihnachtszeit kursieren in den Medien verschiedenste Vorschläge, wie der Festtagsbraten und das dazu passende Gemüse zart und aromaschonend vorbereitet werden können. Moderne Küchen bedienen sich für die Zubereitung von Fleisch hierbei schon seit längerem der Methode des Niedrigtemperaturgarens. Hierbei wird das rohe Fleisch in Folie eingepackt und dann bei ca. 80°C je nach Stückgröße mehrere Stunden gegart. Das Ergebnis ist besonders zartes und aromatisches Fleisch, da bei der niedrigen Temperatur die Proteine des Bindegewebes, sogenanntes Kollagen, zersetzt werden und sich in Gelatine umwandeln. Der Bratensaft tritt dank der Folie nicht aus dem Fleisch aus und das gesamte Aroma, das auch durch vorheriges kurzes Anbraten entstanden ist, bleibt im Braten enthalten. Bei der Vielfalt der angebotenen Folien für den Küchenbedarf stellt sich die Frage: Bild 2: Frischhaltefolie A grün
Bild 3: Frischhaltefolie B farblos
Bild 4: Bratschlauch
Bild 5: Bratbeutel
Der Vergleich zeigt, dass der Einsatzbereich von der Temperatur abhängt, die man zum Zubereiten der Speisen benötigt. Experiment 1: Untersuchung der Eignung von Kunststofffolien zum Garen von Kartoffeln und Äpfeln im Backofen Material: Ausgewählte Back- und Kochfolien. Umluftbackofen mit Temperaturregulation (10°C Einteilung) Backblech. Ungefähr gleichgroße Kartoffeln und Apfelstücke. Durchführung: Beobachtungen: Bild 6: Gargut nach 60min bei 80°C im Backofen.
Bild 7: Detailaufnahme Apfel im Bratschlauch nach 60min bei 80°C im Backofen.
Bild 8: Detailaufnahme Apfel in Frischhaltefolie farblos nach 60min bei 80°C im Backofen.
Bild 9: Gargut nach weiteren 30min bei 120°C im Backofen.
Bild 10: Detailaufnahme Äpfel in Frischhaltefolie farblos (links) und grün (rechts) nach weiteren 30min bei 120°C im Backofen.
Bild 11: Gargut nach weiteren 60min bei 180°C im Backofen.
Bild 12: Detailaufnahme Äpfel in Frischhaltefolie farblos (links) und grün (rechts) nach weiteren 60min bei 180°C im Backofen.
Bild 13: Detailaufnahme von aufgeschnittenen Kartoffeln in Bratbeutel (links) und Bratschlauch (rechts) nach weiteren 60min bei 180°C im Backofen.
Ergebnis: Die grüne Frischhaltefolie fängt schon oberhalb von 80°C an zu schmelzen. Damit ist sie im Vergleich mit den anderen Folien nur für das Niedertemperaturgaren bei Temperaturen unter 100°C geeignet. Die farblose Frischhaltefolie hält im Temperaturbereich zwischen 80-120°C noch Stand. Es findet aber auch bei diesen Temperaturen schon eine Verklebung mit dem Gargut statt. Im Bereich von 120°C bis 180°C halten nur Bratbeutel und Bratschlauch noch die Folienform und schmelzen nicht.
Da sich alle Kunststofffolien durch Temperaturerhöhung schmelzen lassen, ordnet man sie den Thermoplasten zu. Im Gegensatz dazu gibt es noch Duroplaste und Elastomere, die bei Temperaturerhöhung nicht schmelzen, sondern sich meist zersetzen. Genaueres zur Einteilung findet man hier. Polyethylen ist ein Kunststoff, der aus langkettigen Kohlenwasserstoffketten besteht. Er wird aus Ethylen durch Polymerisation gewonnen. Abbildung 1: Polymerisation von Ethylen [1] Hierbei entstehen je nach Herstellungsprozess lineare oder verzweigtkettige Kohlenwasserstoffketten. Die verschiedenen Polymerisationsarten können hier näher studiert werden. Polyamid und Polyethylenterephthalat sind Kunststoffe, die ebenfalls aus langen Ketten bestehen. Sie werden jeweils aus zwei unterschiedlichen Ausgangsstoffen herstellt, wobei bei der Entstehung dieser Kunststoffe immer ein unbedeutendes Nebenprodukt (Wasser oder Chlorwasserstoff), ein sogenanntes Kondensat, entsteht. Deshalb nennt man die Produkte der Polykondensation auch Polykondensate. Polyamide und Polyester (hier das PET) sind solche Polykondensate. Abbildung 2: Polykondensation von Terephthalsäure und Glykol zu PET [1] Um die Entstehung solcher Kunststoffe näher zu verstehen findet man hier weitere Informationen. Entscheidend für die Schmelztemperatur bei der ein Kunststoff schmilzt ist der Zusammenhalt und Wechselwirkung zwischen den sehr langen Molekülketten. Der Zusammenhalt entsteht durch sogenannte zwischenmolekulare Wechselwirkungen. ChemikerInnen sprechen auch von intermolekularen Wechselwirkungen. Zu diesen Wechselwirkungskräften zählen die Van-der-Waals Kräfte, die auch gerne als Kleber unpolarer Moleküle bezeichnet werden und die Wasserstoffbrückenbindungen. (Genaueres zu Van-der-Waals-Bindungen und Wasserstoffbrückenbindungen findet man hier bzw. hier) Die Wirksamkeit dieser Wechselwirkungen zwischen den Molekülketten hängt von der Kontaktfläche benachbarter Molekülketten ab. Je größer die Kontaktfläche zu den Nachbarmolekülen, desto stärker ist der Zusammenhalt zwischen den Ketten und desto höher ist die Schmelztemperatur, um die Ketten voneinander zu lösen. Dies lässt sich an einem Modell mit Spaghetti-Nudeln einfach veranschaulichen. Bild 16: Nudelmodell für die grüne Frischhaltefolie
Einfaches Polyethylen mit vielen Verzweigungen bildet nur eine kleine Kontaktfläche zwischen den benachbarten Molekülketten aus. Die gegenseitige Anziehungskraft ist gering und die Schmelztemperatur ist sehr niedrig. Bild 17: Nudelmodell für die farblose Frischhaltefolie
Hochwertiges Polyethylen hat weniger Verzweigungen und bildet eine größere Kontaktfläche zwischen den benachbarten Molekülketten aus. Die gegenseitige Anziehungskraft ist größer und die Schmelztemperatur ist ebenfalls größer. ChemikerInnen sprechen hierbei von kristallinen Bereichen des Polyethylens, weil die Molekülketten regelmäßiger, wie in einem Kristall, nebeneinanderliegen. Bild 18: Nudelmodell für den Bratbeutel
Polyamide bilden im Vergleich zum Polyethylen größere Kontaktflächen zwischen den benachbarten Molekülketten aus. Zusätzlich zu den Van-der-Waals-Bindungen bildet dieser Kunststoff mit Hilfe der Amidbindung Wasserstoffbrücken zwischen den Nachbarmolekülen aus. Diese Anziehungskräfte sind insgesamt viel größer und die Schmelztemperatur ist ebenfalls viel höher. Abbildung 3: Nylon 6,6. Die Amidbindung befindet sich in der Mitte [2] Bild 19: Nudelmodell für den Bratschlauch
Polyester haben keine Verzweigungen und bildet somit eine größere Kontaktfläche zwischen den benachbarten Molekülketten aus. Zusätzlich zu den Van-der-Waals-Bindungen bildet dieser Kunststoff mit Hilfe der polaren Esterbindung Wasserstoffbrücken zwischen den Nachbarmolekülen aus. Diese Anziehungskräfte sind insgesamt viel größer und die Schmelztemperatur ist ebenfalls viel höher. Abbildung 4: Polyethylenterephthalat. Die Esterbindung befindet jeweils links und rechts von den Ringstrukturen [1] Abschließend kann man sagen, dass die bislang eingesetzte Alufolie sehr gut durch die angebotenen Kunststofffolien zum Garen und Kochen ersetzen kann. Die Herstellung von Alufolie ist im Vergleich zur Kunststofffolie auch energetisch viel aufwändiger, sodass der sicheren Verwendung von Bratbeutel und Bratschlauch der Vorzug gegeben werden sollte. Aufgrund der Untersuchungsergebnisse sollte die Verwendung von Frischhaltefolien aber unbedingt auf das Garen bei Temperaturen unter 100°C beschränken werden.
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