Warum ist Methanol eigentlich so giftig?

Experimente:
Versuch: Analyse des Kondensats bei der Verschwelung von Holz


Ein paar Worte zum Methanol
Methanol - oder auch Methylalkohol genannt - ist eine farblose und für die meisten Menschen leicht fischig riechende Flüssigkeit (Vorsicht! Bei der Probe "chemisch riechen" und keinesfalls die Dämpfe einatmen!).
Früher wurde Methanol als Holzgeist bezeichnet, da es durch trockene Destillation aus Holz gewonnen wurde (-> Versuch).

Verwendung findet Methanol als Kraftstoffzusatz, der zugleich auch Anti-Klopfmittel ist. Auch als Treibstoff für Brennstoffzellen ist Methanol im Gespräch. Man nutzt ihn außerdem als Lösemittel zur Herstellung von Beizen, Polituren und Lacken.

Methanol ist also weit verbreitet. Allerdings hat diese Substanz einen gravierenden Nachteil: Methanol ist ein Gefahrstoff! Erstens ist er brennbar, und dann ist er auch noch giftig - sogar sehr giftig!

 


Über seine Giftigkeit herrscht größtenteils Unkenntnis
Und dabei kann man ihn so leicht aufnehmen! Wegen seines niedrigen Siedepunktes (65 °C) kann es sehr leicht verdampfen und eingeatmet werden. Das kann recht schnell passieren, wenn man zum Beispiel lackiert oder mit Methanol denaturierten Spiritus benutzt. Schon beim Umfüllen von Gefäßen mit Methanol kann man größere Mengen einatmen.

Es hat verheerende Folgen, falls man mit Methanol angereicherten, schwarz gebrannten Schnaps zu sich nimmt, denn bereits 5 bis 10 Milliliter führen zu Erblindung und zur Gehirnschädigung. Ab einer Dosis von 20 bis 50 Millilitern ist Methanol tödlich.

Man kann aber auch aus völlig unerwarteten Quellen viel Methanol zu sich nehmen, zum Beispiel aus Nahrungsmittelbestandteilen wie den Pektinen. Marmeladen-Vielesser sind bedroht.


Methanol macht blind!
Seine volle Giftwirkung entfaltet sich erst nach 15 bis 20 Stunden. Darum erkennt man die Ursache oft gar nicht und es kann zu einer falschen Behandlung kommen.

Zunächst jedoch zeigt Methanol zwar eine ähnlich berauschende Wirkung wie Ethanol, jedoch nicht ganz so stark. Allerdings ist dieser neben Durst, Übelkeit und Erbrechen (was an sich nicht allzu ungewöhnlich wäre) auch mit starken Koliken verbunden. Es kann sogar zu einer Lähmung des Atemzentrums und somit zu Erstickungsanfällen kommen.

Aber zunächst einmal beginnt man zu stottern, das Gehör ist nicht mehr voll funktionsfähig (man hört Rauschen und Piepsen), Gleichgewichtsstörungen treten auf. Die Sehleistung ist stark eingeschränkt, was sich in weiten, starren Pupillen bis zur Erblindung äußert. Da die Sehstörung am auffälligsten ist, wird meist nur dieses Symptom aufgeführt, obwohl es daneben noch die anderen Defekte gibt.

Die Störungen kann man in etwa so erklären: Der Parasympathicus ist ein Bestandteil des vegetativen Nervensystems. Er steuert (genau wie sein Gegenspieler, der Sympathicus) viele Organe und so auch den Kreislauf und sorgt für Ruhe und Erholung. Methanol stört diesen Bestandteil des Zentralen Nervensystems (ZNS).

Die Vergiftungssymptome an sich sind aber nicht nur auf das Methanol als Lösemittel (also als Narcotium) selbst zu beziehen, sondern auf dessen Stoffwechselprodukte.

Zuvor müssen wir aber Folgendes wissen:


Wie Methanol im Körper abgebaut wird
Methanol wird nicht (oder fast gar nicht) von der ADH angegriffen. Dagegen erfolgt sein Abbau durch ein H2O2-abhängiges Peroxidasesystem.

Das für die Methanoloxidation benötigte H2O2 wird durch spezielle Enzyme zur Verfügung gestellt. Bei den Enzymen dieser Oxidasegruppe wird der Substratwasserstoff direkt auf ein O-Molekül übertragen. Ein Beispiel von vielen ist die Aldehyd-Oxidase:

Zu dieser Enzymgruppe gehört auch die aus Glucosticks her bekannte Glucose-Oxidase.

Der beim Methanolabbau entstehende Formaldehyd wird durch die Aldehyd-Oxidase weiter zu Ameisensäure oxidiert. Dabei kann wieder H2O2 entstehen.

Die Ameisensäure wird von der Tetrahydrofolsäure (einem Vitamin aus dem B-Komplex) unter Bildung von Formyl-Tetrahydrofolsäure übernommen und so "entgiftet". Diese Verbindung ist unentbehrlich zum Beispiel bei der Synthese von DNA-Basen.


Die Giftwirkung des Methanols
Zunächst ist Methanol ein Narcotikum, das als gutes Fettlösemittel die Markscheiden der Nervenzellen angreift.

Die Giftigkeit beruht nun einerseits auf den Reaktionen des Formaldehyds. Das ist schließlich eine Substanz, die mit vielen funktionellen Gruppen der Proteine und Peptidhormone reagieren kann.

Vor allem aber auch die Ameisensäure führt als stark wirkende Säure in zu großen Konzentrationen zur Acidose, also zur Versauerung von Blut und Gewebewasser, was deren Pufferkapazität überfordert. Darauf sind viele der Symptome der Vergiftung durch Methanol zurückzuführen.


Die merkwürdige Alkohol-Therapie
So ungewöhnlich es auch klingt: Durch intravenöse Verabreichung von Ethanol mit dem Ziel, einen konstanten Blutalkoholspiegel von 0,5-1 ‰ über einige Tage aufrechtzuerhalten, kann die Oxidation von Methanol zu Formaldehyd und schließlich zur Ameisensäure vermieden werden. Dazu muss man wissen, dass Ethanol nicht nur durch die ADH, sondern wie das Methanol auch durch Peroxidasen abgebaut wird. Ethanol gewinnt wegen seiner hohen Konzentration im Kampf um die aktiven Zentren der Enzyme, die Methanol und Ethanol abbauen. So kann die Oxidation von Methanol weitgehend unterbunden werden. Das ist ein Beispiel für eine kompetitive Hemmung.

Das nicht umgesetzte Methanol wird dann über die Lunge abgeatmet oder mit dem Urin ausgeschieden.

(Zur relativen Giftigkeit der beiden Alkohol-Arten gibt die Berechnung der Promillewerte Aufschluss.)

Es gibt aber auch Zusatztherapien. So steigert eine Behandlung mit Folsäure die Ausscheidung von Ameisensäure, so dass der Übersäuerung des Blutes zuvorgekommen wird.


Vorsicht also beim Schnaps-Kauf im Ausland!
Sagenhaft sind die indischen Hochzeitsfeste, bei denen gleich Hunderte von Leuten ins Krankenhaus kommen: Sie haben schwarz gebrannten Alkohol getrunken. Teilweise verabreicht man ihnen auch den gesammelten Vorlauf der Alkohol-Destillationen oder sogar reines Methanol.

Falls ihr einmal nach Russland fahrt und dort den landestypischen Wodka trinkt, solltet ihr aufpassen! Oft wird nämlich selbst gebrannter Wodka angeboten, der sehr gefährlich sein kann. So sind schon Zigtausende daran erblindet, weil sie die Gefahr des Selbstbrennens unterschätzt haben. In geringen Mengen entsteht neben dem erwünschten Ethanol beim Gärprozess von alkoholischen Getränken immer auch Methanol. Beim Destillieren verdampft das giftige Methanol aufgrund seines niedrigen Siedepunktes zuerst. Zwar sollte der erste Teil des Destillats unbedingt verworfen werden! Aber das ist ja ein Verlust für den Brenner...

Gleiches gilt für Indien und... und... und...

In Baden-Württemberg schätzt man bekanntlich die Sparsamkeit. Vorsicht ist geboten! Denn das bedeutet, dass man beim "Obschtler-Brennen" in der Hütte hinter dem Haus sicherlich am Vorlauf gespart hat.


Also: Hände weg von hochprozentigem Alkohol unbekannter Herkunft!


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Letzte Überarbeitung: 24. Juni 2009, Dagmar Wiechoczek