Kurze Fragen - Kurze Antworten
Aus dem E-Mail-Korb von Professor Blume

E-Mail-Gruppe 333
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1821
F: Ich habe auf Ihrer Homepage hinsichtlich der Gleichgewichtslage bei der Mutarotation von Glucose folgendes gelesen: „Den kleinen Anteil an offenkettigen Formen kann man vernachlässigen. Das kann man mit dem bekannten Aldehydnachweis nach Schiff zeigen.“ Im Versuch 2 ergibt der Nachweis nur eine schwachrosa Färbung der Lösung.

Können Sie mir sagen, warum durch die Reaktion mit Schiffs Reagenz das Gleichgewicht zwischen den Ringformen und der Kettenform der Glucose nicht beeinflusst wird. Denn ansonsten müsste die Reaktion - ensprechend der Fehling Probe - deutlich positiver ausfallen!


A: Halbacetale können gleichermaßen durch Säure- und auch Basenkatalyse gebildet werden. Das sind Gleichgewichtsreaktionen. Sie nehmen deshalb richtig an: Die Halbacetale müssen folglich auch wieder durch Säuren und durch Basen geöffnet werden. Damit sollte auch das saure Schiff-Reagenz die Glucose-Lösung zunehmend röten.

Der ringöffnenden Einwirkung von Säuren auf die Halbacetale schließt sich jedoch als Folgereaktion das Gleichgewicht der (Voll-)Acetalbildung an. Die wasserabspaltende Synthese eines Oligosaccharids wird ausschließlich durch Säuren (Protonen) katalysiert. Hinzu kommt, dass die Rückreaktion (Spaltung des gerade gebildeten Oligosaccharids) unter den Synthesebedingungen nicht sonderlich gut reversibel ist, denn die Hydrolyse des Oligosaccharids erfordert die Anlagerung eines Wassermoleküls. Das bedeutet mehr sterischen Aufwand und erfordert folglich mehr (Freie) Energie als die wasserabspaltende Hinreaktion. Zur Erinnerung: Bei der säurekatalysierten Rückreaktion muss man die Oligo- und Polysaccharid-Lösungen in Mineralsäuren bekanntlich kochen.

Nun verstehen Sie auch, warum man zur Beschleunigung der Einstellung der Gleichgewichtslage der Mutarotation, also zur Halbacetalöffnung, ausschließlich Basen wie Sodalösungen oder Pyridin-Derivate verwendet.

Säuren, also auch das saure Schiff-Reagenz, wirken sich somit nicht förderlich auf die Bildung der offenkettigen Form aus - wie ja auch im Versuch 2 gezeigt wird.

Ich werde nachdenken, wie das Ganze in die vorliegenden Texte zur Mutarotation eingearbeitet werden kann - ohne dass die Leute aufhören zu lesen...


1822
F1: Den Versuch zum Masseerhalt haben wir in der Schule auch gemacht, die Masse war jedoch eindeutig geringer! Natürlich nicht wegen E = m·c²...

Die Lösung ist folgende: Das Volumen vor dem Versuch ist sagen wir mal 50 ml Beim Versuch entstehen diverse Gase auch nach abkühlen ist der Ballon größer als vorher sagen wird 75 ml. 25 ml Luft haben einen Auftrieb von ca. 30 mg (20 °C) um diesen Betrag wird das ganze dann leichter... (wurde mit unseren schönen mg-Waagen gemessen)


A1: Zur Masseerhaltung: Wenn Sie mit Mikrowaagen arbeiten, müssen Sie auch eine vorschriftsmäßige Auftriebkorrektur vornehmen. Danach stimmt das Gesetz des Masseerhalts wieder.


F2: Ja das stimmt natürlich. Ich habe in der Schule jedoch die Erfahrung gemacht das viele Chemiker keine Physiker sind, überzeugt sind das das Experiment funktioniert so wie es ist und deshalb der Meinung sind man habe falsch gemessen (Punkt). Evt. wäre ein Hinweis beim Experiment zu diesem Sachverhalt deshalb sinnvoll.
(Natürlich könnte man als Physiker sagen, dass man mit einer Mikrowaage nicht genau genug messen kann. Energiefreisetzung von 100J nach E = m·c² macht ein minus von ca. 1·1x10-9 mg.)


A2: Den Hinweis habe ich eingefügt...
Mit dem E = m·c2 ist das in der Chemie "so eine Sache": Man sollte die Masse/Energie-Äquivalenz ausschließlich kernphysikalischen Prozessen zuordnen. Denn bei chemischer Energie handelt es sich ausschließlich um die Summe von Energieumwandlungen, denen man kaum einen Masseverlust zuschreiben kann. Höchstens bei der Bildung von Lichtquanten bei Verbrennungen.
Aber spekulieren kann man ja... Das habe ich früher auch getan, als ich 1958 meine ersten Begegnungen mit der Kernphysik hatte (übrigens schon in der gymnasialen Oberstufe).


F3: Ja das stimmt natürlich. Ich meinte ja nur, weil man ja zeigen will, dass keine Masse verloren geht. Wissenschaftlich gesehen ist ein so einfacher Versuch ja kein Beweis. Soviel ich weiß gehen bei chemischen Reaktionen überhaupt nie Masse verloren. Auch die Abstrahlung von Quanten beruht auf Änderungen der Orbitale der Elektronen. Gammaquanten aus dem Kern wären natürlich etwas anderes.
Aber beim anderen handelt es sich ausschließlich um potentielle elektromagnetische Energie die abgestrahlt wird (im Gegensatz zur schwachen und starken Kernkraft die bei Kernphysikalischen Ereignissen eine Rolle spielen).


1823
F: Ich denke, ich übersehe etwas grundsätzliches, finde aber unter meinen Kollegen und schlauen Büchern gerade keinen Rat: Warum kommt Sauerstoff (2-) als Ligand in der spektrochemischen Reihe nicht vor?

Ich bedanke mich im Voraus für Ihre Zeit mit dieser Frage!


A: Sie haben Recht, dass der Ligand O2- in der Spektrochemischen Reihe (SCR) nicht vorkommt. Viele Chemiker meinen sogar, das wäre gar kein echter Ligand... Es gibt aber z. B. das Komplex-Ion [TiCl4O]2-. Der Ligand wird mit Oxo benannt. In der SCR gibt es zwar den Liganden ox, aber das steht für Oxalat.

Man muss bedenken, dass das einfache Schema der Komplexbindung, nämlich dass es nur stark heteropolare, quasi ionische Bindungen vom Liganden L zum Metall gibt, also Me <- L, seine Grenzen hat. Es gibt darüber hinaus bei vielen Komplexen auch noch deutlich kovalente Bindungsanteile z. B. bei den ungeladenen Ligandenmolekülen wie H2O und NH3. Das wirkt sich als Rückbindung aus. Diesen Typ schreibt man so: Me <- -> L, also mit Doppelpfeil. Und dann gibt es noch das System mit doppelter Rückbindung Me <- <- L. Das Beispiel ist das Oxid-Ion O2-.

Aufschluss gibt die MO-Theorie der Komplexe. Die Art der Rückbindungen beeinflussen sehr stark die Aufspaltung der energiereichsten d-Zustände des Zentral-Ions bzw. -Atoms, also den Wert von Delta-Null. Die einfache, klassische Bindung hat ein kleines Delta-Null, die einfache Rückbindung ein großes Delta-Null. Die doppelte Rückbindung ist mit einem besonders kleinen Delta-Null ausgestattet.

Noch eine persönliche Anmerkung: Ich finde, dass man der SCR viel zu viel Bedeutung beimisst. Z. B. darf man nicht den Einfluss der Zentralatome vernachlässigen, deren Wechselwirkung mit Liganden deren Reihenfolge in der SCR verschieben kann. Die SCR ist somit genauso nützlich wie die EN-Skala... Beispielsweise ist der EN-Wert des Kohlenstoffs je nach Bindungsart und -umgebung verschieden.

Falls Sie die Frage im Rahmen der Lehrerausbildung gestellt haben oder gar für Schulzwecke benötigen, empfehle ich Ihnen, diesen Punkt rasch aus Ihrem Unterrichtsprogramm zu streichen.

Zum Thema empfehle ich übrigens den Holleman-Wiberg, Lehrbuch der Anorganischen Chemie. Im Kapitel XX.2 „Bindungsmodelle der Übergangsmetalle“ wird die SCR besprochen (in der mir vorliegenden 101. Auflage S. 1252 f).


1824
F: Das Kollodium-Nassverfahren ist ein historisches fotografisches Verfahren. Eine Glasplatte wurde mit einer Lösung von Kollodiumwolle in Alkohol und Diethylether bestrichen, in der Iod- oder Bromsalze (z. B. KBr und KI) suspendiert waren. Nachdem die Platte getrocknet ist, taucht man sie in eine Silbernitratlösung, damit sich lichtempfindliche Silberhalogenide bilden. Die Platte musste dann sofort belichtet werden, während sie noch nass war, und dann auch gleich entwickelt werden, bevor sie getrocknet war. Warum durfte die Platte nicht trocken belichtet und entwickelt werden?

Vielen Dank für Ihre übersichtliche und gut erklärte Seite.


A: Das liegt daran, dass frisch gefälltes, also feuchtes Silberbromid bzw. -iodid lichtempfindlicher ist als trocknes. Bei den Redoxprozessen im Rahmen der Belichtung und Entwicklung spielt auch der Wassergehalt der Kristalle und ihrer Oberflächen eine Rolle.
Ursache für die Vorteile durch die Feuchtigkeit ist vor allem wohl, dass sich die Emulsion aus Kollodium/Silberhalogenid im feuchten Zustand als physikalisch stabiler erweist. Somit können besonders viele Silberhalogenidkristalle belichtet werden; die Platte ist somit empfindlicher.

Zur Chemie des fotografischen Prozesses haben wir eine Webseitengruppe.


1825
F1: Erstmal Gratulation zu der tollen Seite!

Da sie anscheinend der Einzige sind der was über Schleimsäure weiß, folgende Frage: Bei ihrem Versuch wird ja Salpetersäure als Oxidator verwendet, ginge das auch mit anderen Oxidationsmitteln? Wasserstoffperoxid oder Kaliumpermanganat.
Ich habs mal versucht, Lactose (3.5 gramm) in 30% H2O2 (5 ml) erhitzen...
Nach Eindampfen ergab es eine Hochviskose Flüssigkeit die beim abkühlen hart wurde.
Geschmackstest: Sauer.
Wasser mit Natriumcarbonat dazu => Auflösung unter Blasenbildung.
Könnte das Schleimsäure sein oder eher was total anderes?


A1: Man kann nicht jeden beliebigen Oxidator nehmen. 30%iges H2O2 ist zu aggressiv. Es bilden sich zwar auch Säuren - aber durch Spaltung der Zuckermoleküle. Schleimsäure ist bekanntlich ausschließlich D-Galactonsäure. Übrigens dürfen Sie auf keinen Fall H2O2-haltige Lösungen eindampfen! Es besteht Explosionsgefahr. Auch ist für Chemiker ein Geschmackstest nicht immer angezeigt...


F2: Ah oke das ist interessant. Aber theoretisch würden auch andere Oxidationsmittel funktionieren, sofern sie nicht zu agressiv sind, also eher endotherme reaktion, oder sehe ich das falsch? (wie NO3- zu NO2- etc.)
Ich würde nämlich diesen versuch gerne erfolgreich durchführen, nur ist es leider nicht gerade einfach an konz. Salpetersäure zu kommen...


A2: Sie können oxidieren, womit Sie wollen. Ihr Problem ist nur, dass Sie die Produkte analysieren müssen. Das geht nicht ohne apparativen Aufwand. Und Salpetersäure bekommen Sie als Normalbürger schon mal gar nicht. Die kann man ja im Sinne eines Dual Use auch als Stoff zur Herstellung von Sprengstoffen nutzen.


F3: Schade... Ja das mit den anderen Verwendungen kenne ich. Wobei wenn wer will kann er das auch herstellen oder holt sich was anderes.

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Letzte Überarbeitung: 05. Februar 2014, Dagmar Wiechoczek