Kurze Fragen - Kurze Antworten
Aus dem E-Mail-Korb von Professor Blume

E-Mail-Gruppe 313
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F: Wie ist das zu erklären, dass im Frühjahr, wenn die Sonne scheint, der Raureif, der im Schatten liegt, nicht von der Sonnen „weggeleckt“ wird?


A: Sie meinen so etwas wie auf dem folgenden Bild.

(Foto: Blume)

Die Luft ist noch kalt. Das dunkle Dach absorbiert die Wärmestrahlung der Sonne und heizt sich auf. Anders die Luft, die dazu einfach zu verdünnt ist. Außerdem ist die Luft arm an IR-Strahlung-absorbierendem Wasserdampf (der ist ja ausgefroren und liegt als Raureif auf den Dächern, Autos und Wiesen). Somit bleibt die Luft kalt. Hinzu kommt, dass Luft ein ausgesprochen schlechter Wärmeleiter ist. Da die Tonschindeln des Dachs auch schlechte Wärmeleiter sind, bleiben die von der Sonne nicht bestrahlten Flächen mit Raureif bedeckt.

Übrigens gilt das auch für Schneeflächen, die von der Sonne bestrahlt werden. Menschen liegen in Liegestühlen am Ski-Hang und wärmen sich in der Sonne, während die Schneedecke unberührt bleibt. Natürlich wird ein Teil der Strahlung an den Eiskristallen reflektiert. Aber zwischen den Eiskristallen, die durchaus IR absorbieren, liegen Luftpolster - die reichen die Wärme nicht weiter in tiefere Schichten. So schmilzt der Schnee nur oberflächlich an.


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F: Eines vorweg: Ihre Website ist eine der besten für (Schul-)Chemie!

Für meine Facharbeit in Chemie habe ich das Thema "Lebensmittelanalytik am Beispiel von Salami" gewählt.
Daher wollte ich Sie fragen, ob Sie Literatur,Tipps,Experimente,... für so etwas empfehlen können. Grob gesagt sollen es sich um Themen wie Inhaltsstoffe, Bestimmung von Mineralstoffen,Wasser,Fett,etc. , Nitrit u. Nitrat, Geschmack,... behandelt werden.


A: Für ein Schullabor denke ich an folgende Möglichkeiten, für die wir in unseren Webseiten Experimente vorschlagen.

Für die Experimente müssen Sie die Wurst möglichst stark zerkleinern. Dazu nimmt man einen Homogenisator. Ihr Lehrer wird Ihnen sicherlich einen zur Verfügung stellen.

Den Fettgehalt ermittelt man durch 6-8stündigen Einsatz eines Soxhlet-Extraktors. Lösemittel ist Heptan. Man spricht auch von „Auskreisen“ des Fetts.

Den Wassergehalt ermittelt man durch längeres vorsichtiges Erhitzen auf etwa 100 °C (vorher und nachher wiegen). Wie lange Sie erhitzen müssen, ist auszuprobieren („Erwärmen bis zur Gewichtskonstanz“).

Die Rötungs- und Konservierungsstoffe Nitrat und Nitrit ermitteln Sie, indem Sie einen wässrigen Auszug untersuchen. Dazu behandelt man das feine Wursthomogenisat einige Zeit im Soxhlet-Extraktor mit Wasser. Man arbeitet qualitativ mit Saltzmans Reagenz. Damit können Sie bei einiger Übung photometrisch auch quantitative Aussagen treffen. Es gibt aber auch die umständlichere, aber wesentlich genauere Methode mit Nitrosalicylsäure.

Den Gehalt an Kochsalz bestimmen Sie durch Titration des eben hergestellten wässrigen Auszugs auf Chlorid (z. B. mit Silbernitrat) oder durch Messung mit einer ionensensitiven Chloridelektrode.

Konservierende Zusätze wie Ascorbinsäure/Ascorbat ermitteln Sie durch Reaktion des wässrigen Auszugs mit Iodat.

Der weiße Überzug der Wursthülle ist Titandioxid. Das können Sie leicht mit Schwefelsäure/Wasserstoffperoxid nachweisen.

Andere Mineralstoffe wie Phosphat oder Schwefel (als Sulfat) weisen Sie nach, indem Sie die Wurst (ohne Hülle!) veraschen, das heißt, so stark erhitzen, dass sie zu Asche verbrennt.

Typisch für Salami ist die Herkunft. Echte Salami ist aus Pferde- oder Eselsfleisch hergestellt. (Im damals noch sozialistischen Mangel-Ungarn habe ich schon Salami aus Hühner- oder Gänsefleisch genascht…) Die Herkunft können Sie nur durch Gentests oder durch spezielle Immunessays nachweisen. Es besteht die Möglichkeit, dass Sie aus diesem Grunde zu einem Chemischen Untersuchungsamt Kontakt aufnehmen.

Zum Geschmack kann ich nichts sagen. Ich esse das fette Zeugs nicht. Denn das sieht mein Arzt gar nicht gern…

Noch eine Anmerkung, die Sie auch an Ihren Betreuer weitergeben sollten: Wenn Sie mich fragen, würde allein die saubere Abarbeitung eines dieser Punkte für eine Facharbeit mehr als ausreichen!


Literatur:
(Jeweils neueste Auflage wählen)

W. Baltes: Lebensmittelchemie, Springer-Lehrbuch, Berlin. (Anmerkung: Eine sehr gute, nicht zu ausführliche Einführung in die Lebensmittelchemie.)
H.-D. Belitz, W. Grosch, P. Schieberle: Lehrbuch der Lebensmittelchemie; Springer-Verlag, Berlin Heidelberg New York.


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F: Wissen Sie, auf welchen Effekt es beruht, dass manche Scheiben (häufig in letzter Zeit auch in Bussen zu sehen) von außen undurchsichtig sind, während die Fahrgäste fast ohne Beeinträchtigung nach außen schauen können? Ich vermute, dass es sich hierbei um die Ausnutzung eines Brechungsphänomens handelt und damit physikalischer Natur wäre. Auf ihrem Serverinhalt und im Netz konnte ich dazu leider bisher keine befriedigende Antwort finden. Wissen sie eventuell mehr zu der Erklärung dieses Phänomens - es würde mich sehr freuen.

P.S. Auf ihrem Server sind CD-Rom Publikationen aufgelistet mit der letzten Auflistung:

"28. R. Blume, M. Behrendt, D. Wiechoczek und C. Blume: Prof. Blumes Bildungsserver für Chemie, 28. erg. Auflage 2007"

Wo ist diese CD-Rom (bzw. falls es eine aktuellere Auflage gibt die entsprechende) erhältlich? Ich konnte weder auf ihrem Server noch über das Internet eine Bezugsquelle ausfindig machen.

Mit freundlichem Gruss und riesigem Dank an all ihre Mühe (vor allem auch derer die in der Webseite steckt)
(…)


A: Zu dieser Frage haben wir eine Webseite.
Die CD-ROM bieten wir leider nicht mehr an. Dazu reicht unsere Arbeitszeit nicht mehr.


1724
F: Wie kann man als Laie gekochte Eier konservieren, auf dass sie länger haltbar sind??


A: Wenn man es richtig macht, kann man Eier monatelang aufbewahren. Beim Kochen muss man allerdings einiges beachten: Die Eier müssen hart gekocht werden, aber nicht zu lange, da sich der Eidotter unschön verfärbt. Danach darf man sie nicht abschrecken, sondern muss sie langsam abkühlen lassen. Denn durch das Abschrecken zieht sich das Innere des Eis zusammen, erzeugt dadurch einen Unterdruck, was dazu führt, dass der äußere Luftdruck Wasser in das Ei drückt. Die Folge ist, dass das an sich sterile Ei durch Bakterien (vor allem die gefährlichen Salmonellen) aus dem umgebenden Wasser kontaminiert und rasch verderben kann. Manche legen das Ei kurz in eine verdünnte Lösung (3 %) von Wasserstoffperoxid, um das Äußere des Eis zu desinfizieren. Aus diesen Gründen darf man diese Eier auch nicht vorm Kochen anpieksen!

Danach werden die Eier konserviert. Dazu gibt es im wesentlichen zwei Verfahren.

Zunächst kann man sie in Salzlösung einlegen. Man spricht von Soleiern. Das Wort kommt vom lat. sal (Salz). Denken Sie an den Begriff Sole für salziges Wasser. Damit das Salzwasser (man nennt es auch Lake) zusätzlich in das Ei-Innere eindringt und dort konservierend (und würzend) wirken kann, knickt man die Eier vorm Einlegen leicht an.

Wie lange diese Soleier haltbar sind, ist umstritten. Sicher ist, dass das von der Konzentration der Salzlösung abhängt. Denn bei ihrer konservierenden Wirkung steht die Konkurrenz um Wasser zwischen Salz-Ionen und Bakterien sowie der Eisubstanz, die sich enzymatisch auch selbst zersetzen kann, im Mittelpunkt. Die Salzlösung hat einen so starken osmotischen Druck, dass sie die Bakterien und das Eigewebe mehr oder weniger austrocknet.

Kenner geben zu der Salzlösung noch Gewürze. So verkaufte sie früher auch der Kaufmann, der auf seinem Tresen immer ein Schraubglas mit Eiern in trüber Lösung stehen hatte. Aber auch in den Wirtschaften soll es sie wieder geben.

Eine weitere Konservierung erfolgt, indem man die nicht angeknickten Eier mit einer Silicathülle versiegelt. Dazu wird das Ei in eine mit (wenn vorhanden) destilliertem Wasser auf 40-65 %ig verdünnte Wasserglaslösung (zum Beispiel aus der Apotheke) gelegt. Nicht zu stark verdünnen und möglichst auch kein Leitungswasser nehmen, da die Lösung ausflocken kann.

Wasserglas ist die konzentrierte Lösung von Natriumsilicat. Es bildet in der Kalkschale neben schwerlöslichem, hartem Kieselgel auch schwerlösliches Calciumsilicat. Ersteres bildet sich vor allem, wenn man die Eier nach der Imprägnierung noch bis zur Neutralisation in Essig einlegt. Diese Eier sollen monatelang haltbar sein. Zum Wasserglas klicke hier.

Außerdem kann man die Eier auch lackieren. Das spielt eine Rolle bei den Ostereiern. Man muss aber aufpassen, dass dabei keine Lösemittel ins Ei gelangen. So wird Kollodium (Cellulosenitrat) gelöst in Ethanol angeboten.

Diese Konservierungsmethoden spielten früher, als man noch keine Kühlschränke hatte, aber auch in Notzeiten eine wichtige Rolle. In der Industrie greift man stattdessen aber besonders gern auf gefriergetrocknete Eiprodukte („Eipulver“) zurück, die nach exakten lebensmittelrechtlichen Vorschriften hergestellt werden und die besonders lange lagerfähig sind.


1725
F: Ich bin gerade zufällig auf Ihre Seite milch/fettgeha.htm gestossen und habe mich gewundert, warum Sie einen deutschsprachigen Fachbegriff wie "Auskreisen", in kursiver Schrift als "etwas deutschtümelnd" abqualifizieren und damit wohl auch diskreditieren?

Schöne Grüsse,
(…) Dipl.-Chem.


A: (Für unsere Leser hier vorneweg eine Information: Es geht um die Bestimmung des Fettgehalts von Milch mittels eines Soxhlet-Extraktors.)

Danke für Ihren Hinweis.

Ihr deutschsprachiger Fachbegriff „Auskreisen“ ist weder im deutschen Rechtschreibe-Duden noch im sechsbändigen deutschen Römpp-Chemie-Lexikon zu finden. Auch beim großen 13bändigen Brockhaus muss ich passen. Das gilt ebenso für den dreibändigen Brockhaus „Naturwissenschaft und Technik“. Sogar im Standardwerk für den organisch-chemischen Praktiker, dem „Organikum“, gibt es zumindest dem Begriff nach kein Auskreisen. Das sollte für´s erste reichen…

Schließlich habe ich aus Neugier auch noch im Internet „gegoogelt“: Mein Suchbegriff war „Auskreisen“. Ich wurde vom Programm gleich gefragt: „Meinen Sie Aus Kreisen“? Und dann kam alles, was so wichtig zu sein scheint „Aus Kreisen…“ (ehrenamtlicher Richter, Pferdesportler, Verwaltungen…).

Eine naturwissenschaftliche Rolle spielt nach Google das Auskreisen als „Einzeichnen der Heuverschen Kreise“, was wohl anscheinend nur für Kunststoff verarbeitende Techniker wichtig ist. Ein anderer Nutzer fragt nach der Gestaltung von „Kreisen aus Kreisen“…

Als einzigen mit der Chemie verbundenen Hinweis auf das Wort Auskreisen fand ich bei Google nur die Übersetzung in einem deutsch-englischen Wörterbuch (auskreisen -> to purge [organic prep.chemistry (Tech/Engineering)]).

Nun überwinden Sie sich und geben Sie bei Goggle doch einmal den Suchbegriff „Soxhlet“ ein. Entsprechend forschen Sie in den Inhaltsverzeichnissen oder Stichwortsammlungen der oben genannten Bücher nach. Da werden Ihnen sicherlich die Augen auf- und übergehen.

Sie sehen also, dass Ihr deutschsprachiger Fachbegriff „Auskreisen“ bei uns in Deutschland nicht mehr sonderlich gebräuchlich ist. Er wurde vielmehr in einer Zeit „geschaffen“, als man gegen die Fremdwörter ankämpfte (Auslaufende Kaiserzeit -> Weimarer Zeit -> Hitlerzeit -> Nachkriegszeit; das letztlich dahinter stehende Motto definierte die satirische Zeitschrift „Simplizissimus“: „Rottet die Fremdwörter aus und pflanzt dafür Gemüse!“).

Mit dem Auskreisen wollte man die damals in Chemikerkreisen schon gebräuchliche Bezeichnung „(Periodisches) Extrahieren mit dem Soxhlet-Apparat/Extraktor“ vermeiden und die deutschen Chemiker vor Unbill bewahren. Denn das klang vielen zu undeutsch. (Denken Sie daran, dass es in dieser Zeit Bestrebungen gab, eine „Deutsche Naturwissenschaft“ zu begründen, für die sich zum Beispiel unrühmlicherweise der ansonsten verdienstvolle Philipp Lenard mit seiner gegen den Juden Albert Einstein gerichteten „Deutschen Physik“ hervortat.)

Dabei war der Erfinder des Extraktors, Prof. Franz von Soxhlet, zwar dem Orte nach gebürtiger Tscheche oder meinetwegen Böhme (aus Brünn), aber damit durchaus ein guter Bürger der K. u. K.-Monarchie, der sogar in Deutschland (Halle) studiert hat und schließlich bis 1926 in München forschte und lehrte.

Noch etwas: Für moderne Chemiker klingt das „Auskreisen“ ähnlich attraktiv wie „Tunke“ als Ersatzbegriff für Sauce. Oder „Meuchelpuffer“ für Revolver, „Gesichtserker“ für Nase und was es sonst noch für Unsinn bei den deutschtümelnden Neusprachlern gab. Die Lokomotive hieß bei denen übrigens „Zieh“, und die Elektrizität wurde ernsthaft in „Bern“ umbenannt. E-Loks wurden auf diese Weise zur „Bernzieh“. Die Perle wurde zur „Schmuckkugel“, das Diapositiv zum „Wurfbild“.

Diese Bestrebungen zu diskreditieren halte ich für meine persönliche Pflicht.

Gehört habe ich den Begriff Auskreisen in meinem Leben übrigens tatsächlich auch schon, das aber bewusst nur einmal, und zwar während einer Tagungspause seitens einer weder bei Referendaren noch Schülern sonderlich geschätzten Fachleiterin. Die ließ dem Vernehmen nach ausgerechnet Schüler im Anfangsunterricht für Chemie stundenlang Salamiwurst mit Benzin - wie sie stolz betonte - auskreisen, um auf diese Weise den Fettgehalt der Wurst zu ermitteln (und erwartungsfrohen Schülern die Freude am Chemieunterricht zu nehmen).

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Letzte Überarbeitung: 11. November 2012, Dagmar Wiechoczek