Lactose - der Zucker in der Milch

Experimente:
Versuch: Fehling-Reaktion mit Mono- und Disacchariden
Versuch: Nachweis von Glucose in Milchzucker (Lactose)
Versuch: Pyrolyse von Lactose
Versuch: Schleimsäure aus Lactose


Lactose, auch als Milchzucker bekannt, ist das wichtigste Kohlenhydrat in der Milch. Es kommt demnach nicht nur in der Milch von Säugetieren und in der Humanmilch vor, sondern auch in den aus Säugetiermilch hergestellten Produkten.
Der Lactosegehalt in der Milch ist je nach Tierart gewissen Schwankungen unterworfen. Arktische Tiere enthalten rund 2 % Lactose in ihrer Milch. Bei Frauenmilch liegt der Gehalt zwischen 5,5 und 8 %. Kuhmilch enthält rund 4,8 %, Schafsmilch 4,2 % bis 5 %, Stutenmilch 6,2 % und Ziegenmilch 4,4 % Lactose.

Aufbau von Lactose
Milchzucker oder Lactose ist das wichtigste Kohlenhydrat in der Milch. Es ist aus Glucose und Galactose zusammengesetzt und somit ein Disaccharid. Die Verknüpfung der beiden Monosaccharide erfolgt über die b-ständige glykosidische OH-Gruppe am C1-Atom der Galactose mit der alkoholischen OH-Gruppe am C4-Atom der Glucose. Es handelt sich also um eine b-1,4 Verknüpfung. Die glykosidische OH-Gruppe der Glucose bleibt dabei frei, wodurch die reduzierende Wirkung erhalten bleibt.

Aufgrund der freien glykosidischen OH-Gruppe der Glucose existieren von Lactose zwei Anomere, die a- und die b-Form. Die a-Lactose, die im Gegensatz zur b-Lactose als Monohydrat (C12H22O11 · H2O) vorliegt, ist die stabilste Form.
Lactose gehört zu den optisch aktiven Substanzen. Diese haben die Eigenschaft, die Ebene linear polarisierten Lichts um einen ganz bestimmten Betrag nach rechts oder links zu drehen. Die Ursache der optischen Aktivität ist im Molekülaufbau begründet. Besitzt eine Verbindung ein asymmetrisches C-Atom, also ein C-Atom mit vier verschiedenen Liganden, so ist sie optisch aktiv. Das optisch aktive Verhalten der Lactose macht man sich für die quantitative Bestimmung zunutze, bei der man mit Hilfe eines Polarimeters den von der Konzentration abhängigen Drehwinkel misst.
Durch Mutarotation, eine zeitabhängige Änderung des Drehwinkels einer optisch aktiven Substanz, stellt sich in wässriger Lösung zwischen den beiden Anomeren ein temperaturabhängiges Gleichgewicht ein; steigt die Temperatur an, so nimmt die Konzentration der b-Lactose ab.
Auf die Geschwindigkeit, mit der sich das Gleichgewicht einstellt, hat der pH-Wert großen Einfluss. PH-Werte unter 2 und über 7 lassen die Mutarotationsgeschwindigkeit stark ansteigen. Der Grund liegt darin, dass der geschwindigkeitsbestimmende Schritt der Ringöffnung sowohl von H+ als auch von OH- katalysiert wird.

Lactose ist ein wasserlösliches Kohlenhydrat, wobei von den Anomeren die a-Form weniger löslich ist als die b-Form. Im Vergleich zu den anderen bekannten Zuckern wie Fructose, Glucose und Saccharose weist Lactose jedoch eine wesentlich geringere Löslichkeit auf. Vielleicht hast du beim Verzehr von Speiseeis oder beim Probieren von Kondensmilch schon mal so ein sandiges Gefühl auf der Zunge gehabt. Dieser "Sand" ist auskristallisierte Lactose. Letzteres passiert immer dann, wenn die Löslichkeit von Milchzucker überschritten wird. Um solche Auskristallisationen zu vermeiden, verwendet man in der Milchverarbeitung das Enzym Lactase. Lactase bewirkt eine hydrolytische Spaltung der Lactose, wodurch Glucose und Galactose entstehen. Durch die Bildung der beiden Einfachzucker wird sogar eine Erhöhung der Süßkraft erzielt, denn die Lactose ist im Vergleich zu Fructose, Glucose und Saccharose nicht nur weniger in Wasser löslich sondern auch deutlich weniger süß.

Lactose und ihre Bedeutung im Körper
In der Muttermilch ist der Milchzucker das mengenmäßig wichtigste Kohlenhydrat und somit für den Säugling ein wichtiger Energielieferant. Weiterhin fördert Lactose die Entwicklung der besonderen Darmflora des Babys, die, anders als beim Erwachsenen, nicht aus E-Coli sondern aus Bifidus-Bakterien besteht.
Um vom Körper resorbiert werden zu können, muss Lactose in seine Einzelbausteine Galactose und Glucose zerlegt werden. Dafür ist das Enzym Lactase (auch als b-Galaktosidase bekannt) zuständig, welches in der Dünndarmschleimhaut gebildet wird.
Im Säuglings- und Kindesalter wird dieses Enzym reichlich gebildet, beim Erwachsenen ist Lactase wenig (Europäer) oder kaum (Asiaten, Afrikaner) vorhanden. Die Folge ist, dass Lactose unhydrolysiert den Dickdarm erreicht und durch Darmbakterien zu Säuren und Gasen abgebaut wird.
Wenn Milchzucker krank macht, spricht man von einer Lactoseintoleranz. Die im Dickdarm durch Darmbakterien gebildeten Säuren, vor allem Milchsäure, haben aber auch ihre guten Eigenschaften. Die Milchsäure schafft ein günstiges saures Milieu, welches - auch bei Erwachsenen - besonders das Wachstum von Bifidus-Bakterien fördert und gleichzeitig das Wachstum von Fäulnisbakterien unterdrückt. Deshalb dient Lactose auch als Mittel zur Wiederherstellung der natürlichen Darmflora, zum Beispiel nach schweren Darminfekten wie sie durch Salmonellen hervorgerufen werden können. Auch als sanftes Abführmittel wird Lactose verwendet, da die Abbauprodukte einen erhöhten Wassereinstrom in den Dickdarm bewirken und so unterstützt durch die Darmgase eine sanfte Druckerhöhung auf die Darmwände ausüben. Die Peristaltik (Darmbewegung) kommt verstärkt in Gang.
Eine weitere gute Eigenschaft von Milchzucker ist die Fähigkeit, die Aufnahme der wichtigen Mineralstoffe Calcium, Magnesium und auch Zink zu verbessern.

Lactose in Milcherzeugnissen
Der Lactosegehalt in Milch und Milchprodukten ist vom Herstellungsverfahren abhängig. Trinkmilch enthält praktisch genauso viel Lactose wie Rohmilch. Durch das Aufkonzentrieren in Kondensmilch und Milchpulver steigt der Lactosegehalt an. In stark fetthaltigen Erzeugnissen sinkt mit steigendem Fettgehalt der Lactosegehalt. In Butter sind nur noch 0,5 bis 0,7 % Lactose enthalten.

Was passiert bei Hitzeeinwirkung?
a-Lactose-Hydrat zersetzt sich beim Erhitzen und färbt sich braun. Bis 130 °C entweicht zuerst das Hydratwasser. Bei weiterem Erhitzen auf höhere Temperaturen wird intramolekular Wasser abgespalten und es entstehen braun gefärbte Reaktionsprodukte. Man bezeichnet die Hitzespaltung als Karamelisation, da bei der Reaktion ein Geruch entsteht, der zunächst karamelig ist, dann aber in brandig-brenzlig übergeht (Versuch). Man hat herausgefunden, dass beim höheren Erhitzen als Abbauprodukt Hydroxymethylfurfural (HMF) entsteht. HMF bewirkt eine Braunfärbung und entsteht durch intramolekulare Wasserabspaltung:

Eine andere Bräunungsursache ist die Maillard-Reaktion. Bei dieser Art von Reaktion verbinden sich Aminosäuren mit Kohlenhydraten. In Milch und Milchprodukten reagiert also das Lysin der Milchproteine mit der Lactose. Die Bräunung kann schon unter 100 °C beobachtet werden, verläuft dann aber nur sehr langsam. Ab 100 °C erfolgt sie innerhalb von Minuten, und sie schreitet um so schneller voran, je höher die Temperatur steigt. Wird aus irgendwelchen Gründen z. B. Milchpulver sehr lange gelagert, kommt es trotz Raumtemperatur im Laufe der Zeit zu einer Qualitätsminderung durch den Abbau der essentiellen Aminosäure Lysin.
Als Letztes soll noch kurz die in erhitzter Milch und Milchprodukten vorkommende, sich aus Lactose bildende Lactulose erwähnt werden. Sie ist süßer und deutlich besser löslich als Lactose. Kondensmilch enthält z. B. bis zu 1 % Lactulose. Es handelt sich dabei um eine Lactose, die statt Glucose eine Fructose gebunden trägt.

Beim Erhitzen in Gegenwart von konzentrierter Salpetersäure bildet sich aus Lactose Schleimsäure. Diese ist ein Oxidationsprodukt des „Schleimzuckers“ Galactose. Schleimsäure ist schwer löslich. Ihre Bildung diente früher als Nachweisreaktion für Lactose (-> Versuch).

Gewinnung und Verwendung von Lactose
Milchzucker wird aus der Molke, dem Milchserum gewonnen. Das ist die Flüssigkeit, die bei der Käseherstellung nach dem Abscheiden des Käsestoffes Casein und des Fettes aus der dickgelegten Milch übrig bleibt. Aus der Molke wird die Lactose über spezielle Trocknungsverfahren gewonnen.

Da Milchzucker viele nützliche technologische Eigenschaften besitzt, findet er immer mehr Verwendung in der Arznei- und Lebensmittelindustrie. Lactose dient als Trägerstoff von Aromen, Süßstoffen und Geschmacksverstärkern, als Umrötemittel bei der Wurstherstellung und als Ummantelung von Gewürzmischungen. Weitere Verwendung findet sie bei der Herstellung von Kindernährmitteln, als Nährsubstrat bei der Penicillinherstellung und aufgrund seines hohen Bindevermögens als Bindemittel für Lebens- und Arzneimittel. Auch Käse hat seinen Nutzen von noch verbliebener Lactose, da diese von Milchsäurebakterien zu Milchsäure abgebaut wird, die den Käse vor Fäulnis schützt.
Aufgrund dieser vielfältigen Einsatzmöglichkeiten ist Lactose in den verschiedensten Produkten enthalten, die von Fleisch- und Wurstwaren über Desserts, Eiscremes, Backwaren, Schokoladenerzeugnissen, Dressings, Instantsuppen- und Soßen, Senf, Ketchup bis hin zu Medikamenten, Süßstoffen und sogar Zahnpasten reichen.
Menschen mit Milchzuckerunverträglichkeit haben so kein leichtes Spiel, da Lactose nur bei verpackten Lebensmitteln als Zugabe im Zutatenverzeichnis kenntlich gemacht werden muss. Als Nicht-Zusatzstoff unterliegt er jedoch keiner Anwendungsbeschränkung (außer bei Diabetiker-Lebensmitteln) und braucht auch mengenmäßig nicht angegeben zu werden.

Lactosefreie Milch
Wie man Milch lactosefrei macht, beschreiben wir in der Antwort auf die Frage 1810.


Weitere Texte zum Thema „Milch“


Diese Seite ist Teil eines großen Webseitenangebots mit weiteren Texten und Experimentiervorschriften auf Prof. Blumes Bildungsserver für Chemie.
Letzte Überarbeitung: 22. April 2013, Dagmar Wiechoczek