Prof. Blumes Tipp des Monats April 2008 (Tipp-Nr. 130)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Haarefärben

Folgende Frage wurde an mich gestellt:

Im Auftrag der großen deutschen Forschungsorganisationen, des BMBF und des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft will Wissenschaft im Dialog Wissenschaften für die Öffentlichkeiten begreifbar machen. Über unsere Websites kann man „Fragen an Wissenschaftler“ stellen, und ich suche als Redakteurin jeweils Experten, die sie beantworten können. Jetzt ist eine Frage aus Ihrem Fachgebiet eingegangen und ich will Sie bitten, uns weiter zu helfen.

„Was passiert genau, wenn Haare gefärbt werden? Was geschieht chemisch, damit die Farbstoffe in das Haar eindringen können?“

Können Sie diese Frage für uns beantworten?

Wir können! Vor allem, weil wir wissen, dass der Chemieunterricht immer mehr mit Themen aus dem Bereich „Kosmetische Chemie“ angereichert wird [1]. Aus dem Kurztext für das Wissenschaftsforum (http://www.wissenschaft-im-dialog.de/faq.php4) habe ich dann noch einen längeren Text als Tipp des Monats gemacht.


Gleich vorneweg

Bild 1: Black and White – jeder Haartyp kann umgefärbt werden
(Foto: Blume)


Im Prinzip verläuft das Färben der Haare genauso wie das Färben von Wolle. Denn Wolle und unsere Haare sind biologisch identische Bildungen der Haut. (Wie Haare wachsen, beschreiben wir hier.)

Bei der Herstellung von Färbemitteln muss man aber auch an den Aufbau der Haare denken. Da gibt es viele Hohlräume, in denen Farbstoffmoleküle abgelagert werden können. Außerdem sind Haare Wasser abweisend und in Wasser nur wenig quellfähig.

Haare und Wolle gleichen sich deshalb auch chemisch, was schließlich auch für das Färben gilt.

Ein Unterschied besteht allerdings: Beim Wollefärben geht es manchmal ganz schön ruppig zu: Da wird gekocht, im Heißdampf gebrüht und mit echt harten Chemikalien gearbeitet. Deshalb wohl müssen Schafe vor dem Färben ihrer Wolle geschoren werden. Das alles können wir unserem Kopf natürlich nicht zumuten…


Erste Färbeversuche
Versucht mal in der Schule, ungefärbte, entfettete Wolle mit den käuflichen Haarfärbemitteln zu behandeln. Ihr könnt natürlich auch gleich abgeschnittenes Haar benutzen. Damit könnt ihr nach Herzenslust experimentieren.


Versuch 1: Färbeversuche
Ihr benötigt ungefärbte, mit Alkohol (F) oder Aceton (F) entfettete Wolle oder Haarsträhnen. Die Haarsträhnen könnt ihr vorher entfärben, indem ihr sie mit ammoniakalischem oder sodaalkalischem Wasserstoffperoxid (w = 3 %) (Xi) oder Carbamidperoxid (Xi) behandelt. Hier ist eine Vorschrift.
Die Wolle bzw. Haare werden ausgespült. Dann könnt ihr das Färben mit allen möglichen Färbemitteln, die ihr von Zuhause mitbringt, ausprobieren.
Im Labor gibt es aber auch Farbstoffe wie Fuchsin (siehe unten).


Achtung: Beim richtigen Haarefärben, das heißt, wenn sich die Haare noch auf eurem Kopf befinden, kann das freie Herumexperimentieren rasch zur Folge haben, dass eure Haare stark geschädigt werden. Das gilt vor allem für die so genannten Oxidationshaarfarben (siehe unten).
Deshalb ist es wichtig, dass ihr euch peinlich genau an die Vorschriften, die auf der Verpackung stehen, haltet. Das betrifft vor allem auch Mischungen, die ihr euch selbst aus den Laborbeständen herstellt. Da macht es schon einen Unterschied, ob ihr euch Strähnchen mit 3%igen oder 30%igem Wasserstoffperoxid macht… Bei letzterem verätzt ihr die Kopfhaut, und dazu fallen euch noch die Haare aus.
Außerdem solltet ihr beim Experimentieren immer wasserdichte Handschuhe tragen, denn einige der Substanzen sind nicht gerade gesund, und außerdem könnten auch eure Haut und Fingernägel eingefärbt werden.


Keratin: Der Stoff, aus dem die Haare sind
Haare bestehen aus einem besonderen, stark schwefelhaltigen Protein, aus Keratin. Dieses Makromolekül enthält viele funktionelle Gruppen, an denen Farbstoffe binden können.

Dunkle Haare sind mit körpereigenen Farbstoffen gefärbt. Es handelt sich um Farbstoffe, die durch die Oxidation von phenolischen Aminosäuren wie Tyrosin entstehen. Man spricht von Melanin (griech. melos, schwarz). Will man dunkles Haar färben, so muss man es zuvor oftmals bleichen. Zu dieser speziellen Haarbehandlung haben wir eine besondere Webseite.

Bei der Herstellung von Färbemitteln muss man aber auch an den Aufbau der Haare denken. Da gibt es viele Hohlräume, in denen Farbstoffmoleküle abgelagert werden können. Außerdem sind Haare Wasser abweisend und in Wasser nur wenig quellfähig.

Zur Färbung stehen einmal die äußeren Bereiche des Haars zur Verfügung. Intensive und permanente Färbungen setzen die Einlagerung der Farbstoffe in innere Hohlräume der Haare voraus.

Die Bindungen zwischen Keratin und Farbstoff sind chemischer Natur. Es handelt sich auf der Seite des Keratins um Aminosäurereste, an die die Farbstoffmoleküle andocken müssen.

- Die Bindungen können zum Beispiel auf der Bildung von Wasserstoffbrücken beruhen.
- Andere Farbstoffmoleküle sind Ionen. Als elektrisch geladene Teilchen werden sie durch Coulomb-Kräfte an ebenfalls geladene Reste von einigen Aminosäuren fixiert.
- Nicht zu vergessen sind auch die unpolaren van der Waals-Bindungen.


Entsprechend viele unterschiedliche Farbstoffe gibt es. Die Auswahl erfolgt nach Anforderungen wie Farbton sowie gute Haftung oder umgekehrt leichte Ausspülbarkeit. Hinzu kommt die gesundheitliche Bewertung. Manche Farbstoffe bzw. ihre Reaktionsmischungen wirken nämlich schädigend auf Haut und Haar sowie auf innere Organe.

Nichts scheint langweiliger zu sein als ein einheitlicher Farbton („eintönig“). Deshalb sind viele Haarfärbemittel Mischungen, die aus verschiedenen Farbstoffen zusammengesetzt sind. Das kann man mit einer Dünnschicht-Chromatographie (DC) zeigen.


Versuch 2: Chromatographie eines Haarfärbemittels
Löst ein leicht ausspülbares Haarfärbemittel in wenig Wasser oder Ethanol auf. Dann gibt ihr davon etwas mit einer Kapillare auf eine DC-Platte. Als Laufmittel dient zunächst ein Wasser/Ethanol-Gemisch. Wenn das nicht richtig wirkt, müsst ihr ein wenig herumprobieren. Manchmal hilft auch ein Tropfen Ameisen- oder Essigsäure. Denn es gibt wegen der Vielzahl der Substanzen keine einheitliche Vorschrift.

Die Mischungen müssen so zusammengesetzt sein, dass ein einheitlicher Farbton entsteht. Es könnte ja auch so sein, dass ein Stoff leichter auswaschbar ist; dann verändert sich mit der Zeit natürlich die Haarfarbe.


Temporäre Haarfärbemittel
Hierbei handelt es sich um leicht ausspülbare Haarfärbemittel. Diese dringen nicht tief in die Haare ein. Sie sind wasserlösliche, meistens ionische Substanzen wie Fuchsin, oder sie bestehen aus leicht abtrennbaren groben Farbpartikeln (Pigmenten). Hierzu gehören auch die Wimperntuschen.

Fuchsin als Beispiel für ein temporäres Haarfärbemittel


Semipermanente Haarfärbemittel
Diese sind besser haftbar (lat. semi, halb; permanere, ausharren). Man spricht auch von Tönungen. Diese Farbstoffe werden nach und nach wieder ausgewaschen. Jedoch erfahren auch sie beim Färben keine bleibende chemische Umwandlung, weil die meisten, wie der Färber sagt, „direkt aufziehen“.

Das sind zunächst einmal pflanzliche Farbstoffe. Vielen Leuten ist das Henna bekannt, das erstaunlich fest haftet.

Dieser rötliche Farbstoff („Lawson“ nach dem wissenschaftlichen Namen für die Henna-Pflanze Lawsonia inermis) liegt zunächst nicht frei vor, sondern als Glykosid. Das muss im Verlaufe des Färbevorgangs oder davor einem Fermentationsprozess unterworfen werden. Dabei wird das Glykosid durch Bakterien hydrolysiert, indem der Zuckerrest abgespalten wird. Dann wird die Substanz oxidiert. Das ganze erinnert ein wenig an die Küpenfärbung beim Indigo, das (wie es schon bei den alten Ägyptern geschah) aus Gründen der Farbabdunkelung dem Henna oftmals beigemischt wird.


Versuch 3: Färben mit Henna
Achtung: Handschuhe tragen, da Henna auch die Haut und Fingernägel einfärbt!
Hennapulver aus dem Fachgeschäft wird mit einer Mischung aus Wasser, Tee und etwas Olivenöl angerührt. Manche geben noch Eigelb hinzu. Das wirkt letztlich als Tensid.
Haar wird entfettet und dann mit der Paste behandelt. Die Paste muss mehrere Stunden auf dem Kopf verbleiben.

Problematisch ist bei Henna aus unbekannter Herkunft, dass oftmals zur Verstärkung des dunklen Farbtons unerlaubt p-Phenylendiamin beigemischt wird. Dieser Stoff ist (obwohl er bei der Permanentfärbung genutzt wird; siehe unten) gesundheitlich äußerst bedenklich, vor allem, wenn unsachgemäß mit ihm umgegangen wird. Hinzu kommt, dass die Henna-Paste ja stundenlang auf der Haut bleibt - und damit auch das p-Phenylendiamin!

Es gibt aber auch synthetische Tönungsfarbstoffe. Einige von ihnen sind auch als Lebensmittelfarbstoffe bekannt. Gern genutzt werden die Nitrofarbstoffe.

Nitroverbindung als Beispiel für ein semipermanentes, gelbes Haarfärbemittel


Versuch 4: Färben mit einem Lebensmittelfarbstoff
Versucht, entfettete Haare oder Wolle mit einem Lebensmittelfarbstoff zu färben. Ihr könnt auch Farbstoffe zum Eierfärben nehmen, die man zum Eierfärben verwendet.

Ab und zu verwendet man auch noch metallsalzhaltige Farben. Diese aus der Wollfärberei bekannten „Beizenfarbstoffe“ nimmt man nicht mehr so gern, weil die Metallsalze (vor allem von Chrom) giftig sein können. Es gibt aber noch eine Reihe von Pigmentfarben wie den Sulfiden, bei denen man vor allem von Silbersalzen ausgeht.

Bekannt ist auch der Effekt von Kupfer(II)-salzlösungen auf blondes Haar. Man kann es grün färben, da Kupfer(II)-Ionen stark an Keratin binden. Das passiert aber leider auch, ohne dass man es will, oftmals beim Bezug eines neuen Hauses, wenn die frischen Wasserleitungen noch Kupfer abgeben.


Versuch 5: Blondes Haar und Kupfersalzlösungen
Blondes, entfettetes Haar wird in eine Lösung von Kupfersulfat (w = 5 %) gelegt. Ab und zu nehmt ihr die Probe heraus, spült sie ab und stellt fest, in wieweit die Färbung vorangeschritten ist.


Permanent-Färbemittel
Diese halten am besten, ja fast unbegrenzt. Man nennt sie auch Oxidationshaarfarben. Denn die Färbung beruht darauf, dass niedermolekulare, lösliche und farblose Ausgangsstoffe („Farbentwickler“ und „Farbkuppler“) durch ein Oxidationsmittel wie verdünntes Wasserstoffperoxid oder Carbamidperoxid zu großmolekularen, nicht mehr löslichen Farbpigmenten verbunden werden.

Bild 2: Haarproben mit Farbbeispielen (Foto: Blume)


Hier zeigen wir das Prinzip am Beispiel des p-Phenylendiamins. Dieser Stoff ist auch in der Farbfotografie als Entwickler bekannt. Bei dieser „chromogenen Entwicklung“ wirken Silber-Ionen als Oxidationsmittel.

Entstehung von Oxidationsfarben beim Haarefärben

Den genauen Ablauf dieser Farbreaktion zeigen wir hier.

Die Oxidation wird durch alkalisches Milieu gefördert. Denn bei der Oxidation des Entwicklers und des Primärprodukts „Leukofarbstoff“ werden Protonen freigesetzt, die den Fortgang der Oxidation stören.

Entwickler-H2 ———> Entwickler(ox) + 2 H+ + 2 e-

Dass man beim Haarefärben mit alkalischen Lösungen arbeitet, hat aber noch einen ganz anderen Grund: Damit die entstehenden Farbstoffe nicht mehr auszuspülen sind, müssen sie vor allem im Inneren der Haare synthetisiert und abgelagert werden. Um die Ausgangsstoffe sowie das Oxidationsmittel überhaupt erst einmal in die Haare eindringen zu lassen, müssen die Haare aufquellen. Das geschieht durch ein alkalisches Medium wie zum Beispiel stark verdünnte Ammoniaklösung.


Versuch 6: Beispielhafte Synthese eines Farbstoffs im Reagenzglas
Statt eine Haarsträhne zu färben, könnt ihr die Farbstoffsynthese nach dem Packungsrezept auch im Reagenzglas durchführen. Verdünnte Lösungen nehmen!

Probiert auch mal aus, ob die Lösungen reagieren, wenn ihr darauf verzichtet, sie alkalisch einzustellen.

Achtung: p-Phenylendiamin ist toxisch. Deshalb müsst ihr beim Färben mit Handschuhen arbeiten!

Ein beim Haarefärben gern genutzter Farbentwickler ist auch das p-Aminophenol. Diese ungiftige Substanz entsteht, wenn man das Medikament Paracetamol hydrolysiert.

Je nach gewünschtem Farbton verwendet man unterschiedliche Kombinationen von Farbentwicklern und Farbkupplern. So gibt es Farbkuppler für Blaugrün (Cyan), Magenta (Purpur) und Gelb. Die Mischung der daraus gebildeten Farbstoffe ergibt den Farbton des Färbemittels („subtraktive Farbmischung“). Es ist also alles genauso wie bei der Farbfotografie oder beim Farbdruck.

Bild 3 (Foto: Blume)


Dank an unsere Friseurin Britta für die Möglichkeit zum Fotografieren!


Rüdiger Blume


Weitere Tipps des Monats


[1] Zum Beispiel: Chemie-Interaktiv 9/10, Cornelsen Verlag, Berlin 2007. ISBN 978-3-06-014514-0.


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Letzte Überarbeitung: 01. April 2012, Dagmar Wiechoczek