Kurze Fragen - Kurze Antworten
Aus dem E-Mail-Korb von Professor Blume

E-Mail-Gruppe 277
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F: Neulich war ich zu einer Feuerzangenbowle eingeladen und habe mich am Ende des Abends gewundert, wie wenig Wirkung der Alkohol zeigt. Ich habe mich deshalb gefragt, ob wohl der größte Teil des Alkohols aus dem zugegebenen Rum (54%)und dem Wein entweder verbrannt oder verdampft ist (das Gefäß stand auf einem Stövchen und wurde von Brennpaste angefeuert; ich hatte den Eindruck, das dabei Temperaturen über 70-80°C erreicht wurden, weil die Flüssigkeit kochte).

Deshalb meine Frage an Sie: Verbrennt und verdampft wirklich der gesamte Alkohol (Rum + Wein) oder bleibt ein Teil des Alkohols in der Bowle übrig/zurück?

Ich würde mich über eine Antwort freuen.


A: Die Siedetemperatur der kochenden Feuerzangenbowle liegt sicherlich bei 100 °C. Das heißt schlicht, dass der Alkohol mit seinem relativ niedrigen Siedepunkt von 78,3 °C bei längerem Betrieb der Bowlenapparatur zum großen Teil ausgekocht wird. Dabei kann natürlich auch etwas Alkoholdampf beim Vorbeistreichen am brennenden Zuckerhut verbrennen. Aber – wie gesagt, es dampft nicht der gesamte Alkohol ab! Es handelt sich hier um komplizierte physikochemische Gleichgewichtsprozesse, bei denen der absiedende Alkohol auch Wasserdampf mitreißt. Wichtig ist außerdem auch die Dauer des Erhitzens. Neben dem Trinken wird deshalb auch das Einatmen des Alkoholdampfs ein Übriges zum persönlichen Alkoholpegel beitragen.

Man muss weiterhin an die vielen anderen Inhaltsstoffe der Bowle denken, die z. B. mit dem Rotwein sowie mit dem hochprozentigen Rum (meistens der gute 80%ige „Stroh-Rum“) oder durch das Abtropfen des brennenden Rohrzuckers hineingelangen. Das Stichwort ist Fuselöl. Das hauptsächlich macht den dicken Kopf. Dazu kommen dann noch die Abbauprodukte des Alkohols – vor allem Acetaldehyd.

Last but not least wird - anders als immer angenommen - nur wenig Zucker durch Verbrennen des Zuckerhuts karamellisiert. Umgekehrt gelangen große Zuckermengen in die Bowle. Grund ist, dass der Zuckerhut mit Alkohol übergossen wird. Das und die Wärme sorgen für besonders gute Lösung des Zuckerhuts. Die Flüssigkeit, die unter der Flamme des brennenden Zuckerhuts (brennen tut nur der Alkohol!) abtropft, ist somit eine ziemlich konzentrierte Zuckerlösung. Die Bowle wird zu richtigem Zuckerwasser. Zucker im Körper erschwert angeblich den Alkoholabbau. Obwohl es auch die Meinung gibt, dass der Rohrzuckerbestandteil Fructose den Alkoholabbau fördert. Dass Zucker kaum zum Brennen zu überreden ist, weiß jeder Chemieanfänger. Klicke hier.

Wenn man über die Wirkung von Alkoholika redet, muss man natürlich auch die persönliche Verfassung, also das individuelle Trink- und Lebertraining mit einkalkulieren.

Meine letzte Feuerzangenbowle habe ich übrigens 1963 in den Ruinen von Troja zelebriert. Damals konnte man in der Türkei noch einiges unternehmen, ohne wie heutzutage gleich eingelocht zu werden… Zum Beispiel war es möglich, an der Schwarzmeerküste herrliche Fossilien sammeln, die man dann sogar durch den Zoll (!) bringen und mit nach Hause nehmen konnte. Und dass, obwohl einige Steine wie Pfeilspitzen oder Geschosse (-> Belemniten!) und andere wie griechische Säulenkapitelle (-> Ammoniten!) aussahen.

Dass aber die Wirkung der Feuerzangenbowle als gering einzuschätzen ist, kann ich im Nachhinein wirklich nicht bestätigen. Zwar konnten wir am nächsten Tag problemlos weiterreisen. Vielleicht lag das auch am prächtigen Sternenhimmel über Troja und an der freundlichen und hinsichtlich der Alkoholvernichtung selbstlosen Mitwirkung des türkischen Wachpersonals. Letzteres wirkte allerdings am nächsten Morgen ziemlich angeschlagen.


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F: Wie funktionieren selbstreinigende Oberflächen?


A: Diesen Anwendungen der Nanotechnologie begegnen wir mittlerweile überall um uns herum: Da gibt es Fensterscheiben, Kacheln, Wandanstriche und Dachziegel, die alle gemeinsam haben, dass Schmutz auf ihnen kein Halt findet und Wasser mehr oder weniger spurlos abperlt.

Ihnen gemeinsam ist im Allgemeinen ein Stoff: Titandioxid, TiO2. Der ist in der Außenschicht der angesprochenen Medien äußerst fein dispergiert. Die Partikelgröße liegt im Bereich von 10-9 Metern, also im Nanometer-Bereich (nm). Typische Schichtdicken betragen um 100 nm; solche Schichten sind transparent.

Titandioxid wirkt in dieser feinstverteilten Form katalytisch. Es absorbiert UV-Strahlung der Sonne und aktiviert Sauerstoff so, dass abgelagerte organische Substanzen letztlich zu CO2 und Wasser oxidiert werden. Hinzu kommt, dass diese Oberflächen besonders leicht benetzbar sind, so dass schon Wasserspuren ausreichen, um sie zu reinigen.

Letzte Ursache für dieses fotokatalytische Verhalten von TiO2-Nanoschichten ist, dass sich die Kristalle beim Bestrahlen wie ein völlig einheitlicher Leiter für Elektronen oder Ionen verhalten. Dadurch können sie unter minimalem Energieaufwand Redoxprozesse einleiten, die ja letztlich auf Elektronen- oder Ionenaustausch beruhen. Wir erinnern uns hierbei an die heterogenen Redox-Katalysereaktionen, die in der Chemietechnik eine wichtige Rolle spielen.

Auch die leichte Benetzbarkeit der Kristalloberflächen hat ihre Ursache in der Veränderung des Nano-TiO2 unter Bestrahlung.

Größere Kristalle zeigen diese Eigenschaft nicht; bei ihnen werden nur die Oberflächen durch Bestrahlung verändert.

Es wird immer wieder diskutiert, ob diese Überzüge nicht toxisch sind. Denn es hat sich herausgestellt, dass sie auch gegen Bakterien und Pilze wirken. Eine Toxizität gegenüber höheren Organismen konnte jedoch nicht nachgewiesen werden.


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F: Vor etwa drei Wochen hat unser kleiner Sohn einen "fliegenden" (also wohl mit Helium gefüllten) Werbungsluftballon geschenkt bekommen. Er ist nach wie vor genauso rund und prall wie vor drei Wochen, allerdings ist er schon nach einem oder zwei Tagen nicht mehr geflogen und sieht aus, wie ein ganz normaler, mit dem Mund aufgeblasener Luftballon. Wie kann denn das sein? Wieso ist das Helium plötzlich "schwerer als Luft"? Entwichen ist es aber sichtlich auch nicht (obwohl unpolar), sonst wäre der Luftballon ja geschrumpft (wie bei Luftballons, die mit CO2 gefüllt sind). Ich bin ein bisschen ratlos, gleichzeitig aber wirklich neugierig. Vielleicht haben Sie ja eine gute Idee dazu?

Vielen Dank schon mal für Ihre Mühen. Und auch wenn ich es schon mal gesagt habe (bei meiner letzten Frage an Sie), Ihre Internetseite finde ich nach wie vor toll!!!


A: Ballons dieser Art darf man nur mit dem Edelgas Helium füllen. Denn das früher gern genommene Füllgas Wasserstoff erwies sich wegen der Brenn- und Explosionsgefahr als sehr gefährlich (siehe das Zeppelin-Unglück von Lakehurst).

Helium ist jedoch sehr teuer. Deshalb ist anzunehmen, dass nur ein Teil des Füllgases aus Helium besteht. Die Gasmischung ist so zusammengesetzt, dass der Ballon gerade in der Schwebe gehalten wird.
Das hat aber Nachteile: Das sehr leichte, einatomige Edelgas kann manche Ballonhüllen durchdringen und austreten. Dadurch wird der Ballon schwerer und sinkt ab, ohne sich sonderlich zu verformen.
Gleiches beobachten Sie übrigens auch, wenn Sie statt Helium/Luft eine Mischung von Wasserstoff und Luft einfüllen.


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F: Vorab vielen Dank für die interessanten Versuche auf Ihrer Webseite. Als Stammleser vom "Tipp des Monats" verfolge ich besonders die Brandversuche. Spektakulär der "chem. Flammenwerfer" (ging aber am Anfang nicht so gut).

Für die Kameraden unserer Freiwilligen Feuerwehr führe ich die Ausbildung im Bereich der Brandlehre (Grundlagen der Verbrennung mit ein paar kleinen Versuchen zu den Voraussetzungen -Sauerstoffentzug bei der Kerze usw.) durch. Schwierig war immer die Rolle des Katalysators bei der Verbrennung zu erklären.
Da kennt man noch den Versuch mit dem Zucker und der Asche aus dem Chemieunterricht.
Nun gib es auch bei der Feuerwehr einige Leute die es besonders genau wissen wollen warum das so ist, bzw. brennt ja nicht jeden Tag eine Zuckerfabrik in der geraucht wurde.
Soll heißen der Versuch mit dem Zucker ist für Feuerwehrleute nicht so praxisnah.

Können Sie uns die Wirkung der Asche beim Zucker für Feuerwehrleute einfach erklären? Und welche Versuche schlagen Sie sonst vor?

PS: Was ich schon immer wissen wollte! Wie lautet die chemische Formel für Holz bei der vollständigen (idealen) Verbrennung?


A: Statt Zigarettenasche sollten Sie schon aus erzieherischen Gründen Pflanzenasche oder Holzasche nehmen. Dann haben Sie auch Argumente gegen die Einwände Ihrer Männer: Wenn eine Zuckerfabrik abbrennt, wird wohl irgendwann mal der Dachstuhl brennen, und Holzasche mit brennendem Holz wird in die Zuckervorräte fallen – und so weiter… Naja, war nur ein Spaß.

Die Pflanzenasche besteht aus den Oxiden von Alkali- und Erdalkalimetallen; Beispiele sind Kaliumoxid K2O und Calciumoxid CaO sowie Magnesiumoxid MgO. Die reaktionsfördernde Wirkung beruht darauf, dass diese Oxide in der Lage sind, Sauerstoff aus der Atmosphäre zu absorbieren und zu aktivieren, das heißt, ihn reaktionsbereiter zu machen. Dann kann er auch Zucker angreifen. Genau genommen sind diese ionisch aufgebauten Oxide Halbleiter. Als solche vermögen sie Elektronen auf den Sauerstoff zu übertragen. Hierbei handelt es sich um den Grundmechanismus einer heterogenen Redox-Katalyse.

Sonstige Versuche zur Katalyse? Hierzu haben wir eine große Webseitengruppe. Schauen Sie da mal hinein. Da sind Texte und Experimente zu den allgemeinen Grundlagen der Katalyse zu finden.

Zu Ihrer PS-Frage wegen des Holzes: Holz ist ein Verbundstoff aus vielen chemischen Verbindungen, die eigentlich fast alle der organischen Chemie (der Kohlenstoffchemie) angehören. Als Modellsubstanz können Sie Traubenzucker nehmen (Formel: C6H12O6). Dessen „ideale“ Verbrennungsgleichung ist:

C6H12O6 + 6 O2 ———> 6 CO2 + 6 H2O + Energie

Der interessante Aspekt dieser Gleichung ist, dass sie umgedreht die Fotosynthese durch die Pflanzen beschreibt.


1545
F: Ihre Beschreibung zum Verspiegeln von Christbaumkugeln aus Glas hat mir sehr gefallen - interessieren würde mich, ob das Verfahren auch für durchsichtige Kunstoffe, insbeondere Plexiglas geeignet ist?


A: Sie beziehen sich auf den Tipp des Monats Dezember 2000. Ich glaube nicht, dass man Plexiglas auf diese Art verspiegeln kann, denn es fehlt die charakteristische, Ionen austauschende Oberfläche wie beim Glas, an der die Silber-Ionen primär andocken können. Vielleicht gibt es aber transparente Kunststoffe, die solche Oberflächen haben. Wenn Sie die Möglichkeiten haben, probieren Sie es einfach mal mit verschiedenen Kunststoffen aus.

Ansonsten werden Kunststoffspiegel hergestellt, indem man Kunststoffe in einer inerten (nicht reagierenden) Atmosphäre mit Metallen wie Aluminium bedampft. Oder Kunststoffe werden mit Graphit und anderem leitenden Material überzogen und dann galvanisch versilbert.

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Letzte Überarbeitung: 26. November 2014, Dagmar Wiechoczek