Prof. Blumes Tipp des Monats Juli 2004 (Tipp-Nr. 85)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Bild 1: Wespe auf einer Tellerhortensie
(Foto: Blume)


Chemie um die Wespe

Bald sind sie wieder da, die deutschen Wespen (Paravespula germanica), die kleinen Plagegeister des Sommers und Herbstes. Im Frühjahr bemerken wir zunächst besonders große Wespen. Das sind die Königinnen, die irgendwo in einem geschützten Plätzchen überwintert haben. Sie bauen erste Nester und päppeln die ersten Arbeiterinnen hoch, die dann das Alltagsgeschäft übernehmen, während sich die Königin zurückziehen kann und sich nur noch mit dem Eierlegen befasst.
Die Wespen sind eigentlich friedlich. Sie sammeln entweder wie die Bienen Nektar, süße Säfte aller Art und Pollen, die sie allerdings nur zum Naschen verwenden.

Wichtig für das natürliche Gleichgewicht ist vor allem ihre Funktion als Insektenvertilger. Denn ihre Brut füttern sie ausschließlich mit tierischem Eiweiß. Hier betätigen sich vor allem auch die großen Geschwister der Wespen, die Hornissen (Vespa crabro).

All diese sind also sicherlich ganz liebe Tiere, aber sie stechen, was höllisch wehtut. Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Da gab es ein verstecktes Nest in unserer Magnolie, und wenn man daran vorbei ging, wurde man gnadenlos attackiert - auch wenn man nichts getan hatte.

Bild 2 (Foto: Blume)


Dass das nicht immer so sein muss, sondern auch ein friedliches Nebeneinander von Wespe und Mensch möglich ist, schildern wir hier.


Giftzusammensetzung
Hierzu folgen wir den Webseiten von der Gruppe "Hornissenschutz"

Hauptbestandteile sind biogene Amine sowie basische Polypeptide und Kinine sowie einige Enzyme.

1. Biogene Amine
Aus dieser Stoffgruppe wurden Histamin, Serotonin (5-Hydroxytryptamin), Dopamin, Noradrenalin, Adrenalin sowie der Neurotransmitter Acetylcholin nachgewiesen. Der Anteil an Acetylcholin beträgt etwa 5 % des Trockengewichts und liegt damit in der höchsten Konzentration vor, die bisher bei einem Lebewesen gefunden wurde. Histamin und Serotonin machen weitere 1-3 % des Trockengewichtes aus.
Alle genannten Substanzen haben einen starken Schmerz erzeugenden Effekt. Sie sind außerdem für Hautrötung, Juckreiz und Quaddelbildung verantwortlich. Sie werden im Körper aber sehr rasch wieder abgebaut.

2. Peptide
Die Oligopeptide wirken fast alle wie Kinine, die auch im menschlichen Körper vorhanden sind; Beispiel: Bradykinin. Kinine bilden eine Gruppe von physiologisch hochaktiven Molekülen (griech. kinein, bewegen). Man nennt sie auch Gewebshormone. Ihre bedeutendste Funktion haben sie im Entzündungsprozess, indem sie unter anderem eine Permeabilitätserhöhung der Gefäße auslösen. Sie führen zur Kontraktion der glatten Muskulatur, wirken blutdrucksenkend (hypotensiv), stark schmerzerzeugend und erhöhen die vaskuläre Permeabilität. Die Oligopeptide im Wespengift imitieren sozusagen deren Wirkung.
Die Polypeptide enthalten vor allem basische Aminosäurereste. Sie setzen durch Beeinflussung von Mastzellen Histamin frei und sind dadurch wesentlich für die starke Schmerzwirkung eines Wespenstichs mit verantwortlich.

3. Enzyme
Im Gegensatz zu anderen tierischen Giften enthält Wespengift anteilmäßig nur wenige Enzyme. Die wichtigsten davon sind Phospholipase A und B sowie Hyaluronidase. Außerdem treten saure, alkalische und neutrale DNAsen und Proteasen auf. Die Phospholipasen sowie Hyaluronidase wirken lokal zytolytisch (Zellen zersetzend). Sie erhöhen die Permeabilität des Gewebes und erleichtern dadurch die Ausbreitung des Giftes in das angrenzende Gewebe. Die drei erstgenannten Enzyme sind zudem die wichtigsten Allergene im Hornissen- und Wespengift.

Bild 3: Folgen eines Wespenstichs in die Hand
(Foto: Christel)


Was tun, wenn einen die Wespe gestochen hat?
Die viel zitierte Zwiebel kann man getrost vergessen.
Hier hilft nur eines: Starkes Kühlen. Deshalb haben wir immer die Kühlgel-Beutel im Tiefkühlfach. (Die gibt es in der Apotheke zu kaufen.) Man wickelt sie in ein Handtuch und kühlt damit die Stichstelle. Zwischendurch lässt man die Stelle wieder warm werden, damit sie durchblutet wird. Dadurch werden die Gifte aus dem Stichbereich ausgeschwemmt und dem Abbau in der Leber zugeführt. Auf diese Weise ist der Stich nach einem Tag vergessen.
Wenn man in den Mund gestochen wurde, muss man sofort und während man den Notarzt 112 anruft, Eis aus der Kühltruhe lutschen. Denn eine Schwellung im Mundbereich kann einen ganz schön atemlos machen.

Das Hauptproblem der Stiche ist jedoch die Allergie. Auch hier hilft nur rasches Kühlen. Dann aber rasch zum Arzt! Oder besser noch wirkt der lebensrettende 112-Ruf nach dem Notarzt.


Hier ein Privattipp
Damit Wespen nicht in die Getränkeflaschen geraten, decken wir die Öffnungen mit Filmdosen ab. Die passen da genau drauf und helfen garantiert!


Woraus besteht das Wespennest?
Im Herbst kamen die kalten Tage. Die Blätter der Magnolie fielen ab und das Nest war nun in seiner ganzen Schönheit zu erkennen. Da die Wespen ihr Heim aufgegeben hatten, konnten wir es abpflücken und in aller Ruhe untersuchen.

Das Baumaterial ist Holz oder besser noch papierartig geformter Holzschliff. Denn die Wespen raspeln in der Umgebung altes Holz ab. So sind sie zum Beispiel an unserer Pergula zugange.

 

Bild 4: Raspelspuren von Wespen (Fotos: Blume)


Das Holz vermischen sie mit Speichel und benutzen es als Mörtel und Bausubstanz. Sie packen eine hauchdünne Schicht auf die nächste.

Bild 5 (Foto: Daggi)


Das Nest ist ein kleines Bauwunder. Es ist aus vielen Papierschalen aufgebaut; innen enthält es die Waben. In der heißen Sommerzeit haben sich die Tiere sogar ein richtiges Belüftungssystem gebaut! Und wenn es windig ist, bauen die Tiere einen Windabweiser.


Holznachweise im Wespennest
Holz besteht vor allem aus Cellulose (Zellstoff) und aus Lignin (lat. lignum, Holz). Da im Papier von Tageszeitungen ebenfalls viel Holzschliff enthalten ist, kann man die Experimente erst einmal daran testen. Aber auch ein helles Stück Tannenholz lässt sich benutzen.
Der Cellulosenachweis funktioniert am besten mit dem zusatzfreien Filterpapier oder einer Küchenrolle.

Versuch 1: Nachweise von Cellulose
Zum Cellulosenachweis betupft man die zu untersuchende Probe mit Iod-Zinkchlorid-Lösung (Xi). In Gegenwart von Cellulose färbt sich die Stelle schwarzblau.

 

Bild 6: Cellulosenachweis (Fotos: Daggi)


Versuch 2: Nachweis von Lignin
Zum Ligninnachweis in Holz gibt man eine Lösung von Phloroglucin (1,3,5-Trihydroxy-benzol) auf das Holz. In Gegenwart von konzentrierter Salzsäure (C) tritt eine purpurrote Färbung auf.

 

Bild 7: Ligninnachweis (Fotos: Daggi)


Es fällt auf, dass beim Wespennest der Ligninnachweis sehr schwach ausfällt. Das liegt daran, dass hier das fein geraspelte Holz unmittelbar der UV-Strahlung der Sonne sowie der gleichzeitigen Einwirkung von Sauerstoff und Feuchtigkeit ausgesetzt ist. Alle zusammen zerstören Lignin - wie man es vom raschen Vergilben einer Tageszeitung im Sonnenlicht her kennt.

Man kann zur Untersuchung des Wespennests auch ein Holzaufschlussverfahren heranziehen. Erhitzt man wie beim Acetosolv-Verfahren eine Probe des Nestmaterials mit konzentrierter Essigsäure, die zusätzlich etwas konzentrierte Salzsäure enthält, so färbt sich das Holz fast schwarz: Das ist die Farbe von gelöstem Lignin.


Gibt es noch mehr Bezüge zwischen Wespen und Chemie?
Ja, sicherlich eine Menge. So ist der Panzer aus dem Kohlenhydrat Chitin gefertigt. Daraus kann man leicht Chitosan herstellen. Das ist ein nachwachsender Rohstoff, dem man eine große Zukunft voraussagt.

Die mehr oder weniger planaren Waben bestehen aus Sechsecken.

Bild 8: Wespenwabe (Foto: Daggi)


Dieses Bauprinzip kennen wir von bestimmten Kristallen (Hexagonales System) her. Aber auch aromatische Kohlenwasserstoffe wie die polykondensierten Aromaten sind hier zu nennen, von denen die meisten letztlich aus den bekannten sechseckigen Benzolring-Einheiten bestehen.

Die halbkugeligen Wespenaugen dagegen sind als Facettenaugen aus Fünf- und Sechsecken zusammengesetzt. Damit spiegeln sie das Bauprinzip der kugeligen Fullerene wieder.


Es gibt noch mehr Wespenarten
Eine langbeinige Art zum Beispiel schält unsere Lilienblüten.

Bild 9: Wespe auf Lilie (Foto: Blume)


Rüdiger Blume


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Letzte Überarbeitung: 21. Oktober 2013, Dagmar Wiechoczek