Prof. Blumes Tipp des Monats Dezember 1999 (Tipp-Nr. 30)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Unser Tipp für ein Weihnachtsgeschenk:
Lapislazuli - das blaue Wunder

Bild 1: Christels Schmuck aus Lapislazuli
(Foto: Daggi)


Es ist die Zeit der Weihnachtsmärkte. Überall wird der Lapislazuli angeboten. Er ist nicht nur besonders schön, sondern auch wohlfeil. Deshalb ist er einer der beliebtesten Modesteine. Du siehst ihn im Allgemeinen zu hübschen Anhängern, Kettchen oder Trommelsteinen verarbeitet. Vor allem soll derjenige, der ihn trägt, einen ausgeglichenen Charakter bekommen, denn der Stein gilt als Symbol für himmlische Harmonie. Davon gleich mehr.

Wenn du etwas wissen willst, schaust du in ein Lexikon. Das haben wir auch getan.

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Dieser Text stammt aus dem Brockhaus von 1817. Er ist nicht mehr ganz aktuell. Deshalb wird im Folgenden berichtet, was die moderne Wissenschaft über Lapislazuli weiß.

Der Name Lapislazuli kommt aus dem Lateinischen und heißt übersetzt "Blauer Stein". Man sagt oft einfach nur Lapis ("Stein") oder Lasurstein (auch Lazurstein geschrieben). Diesen Halbedelstein gibt es leider nicht kristallin. Er ist hell- bis dunkelblau gefärbt (siehe Bild oben) und nicht transparent. Die meisten Steine, die du heute angeboten bekommst, stammen aus Afghanistan. An die Herkunft aus fernen Ländern erinnert ein anderer Name für den Stein: Ultramarin, womit man auch einen dunklen Blauton bezeichnet. Der Begriff "Ultramarin" ist lateinischen Ursprungs und bedeutet von jenseits des Meeres, also aus Übersee stammend. Die Franzosen sprechen von outremer und meinen damit sowohl ihre überseeischen Besitzungen als auch Ultramarin.

Bemerkenswert ist bei diesem Stein, dass alle möglichen Blautöne vorkommen. Hier ist das Bild eines besonders schönen Beispiels. Es waren viele Foto-Versuche notwendig, um durch Variation von Licht und Untergrund den richtigen Blauton zu treffen!

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Bild 2: 1841 g Lapislazuli (Höhe des Steins 18 cm)
(Foto: Blume)


Lapislazuli - das "himmlische" Gestein
Genau genommen ist Lapislazuli kein Mineral, sondern ein Gestein, also ein Gemenge aus verschiedenen Mineralien. Das eigentliche tiefblaue Mineral heißt Lasurit (oder Lazurit). Der Lasurit gehört zum kubischen Kristallsystem, allerdings ist die Kristallbildung äußerst selten. Wenn, dann ist es meist ein abgestumpftes Rhombendodekaeder mit deutlich sichtbaren Sechsecken. Das folgende Bild zeigt ein besonders schönes und dazu noch sehr großes Exemplar aus der Sammlung des Autors.

Bild 3: Kristalle von Lasurit (Lazurit) in Matrixgestein. Der große Kristall ist 6 cm lang
Fundort: Pandschir, Afghanistan
(Foto: Blume)


(Das Wort Lasurit (Lazurit) stammt aus dem Persischen oder Arabischen lazuward. Dies ist der Ursprung unseres Worts azur für himmelblau. Bei der Entlehnung des Wortes durch die Europäer wurde das I als vermeintlicher arabischer Artikel weggelassen.)

Bemerkenswerterweise ist der Lasurit immer mit Marmor und weiteren weißen, silicatischen Matrixgesteinen und Pyrit vergesellschaftet. Deshalb sieht der polierte Lapislazuli wie ein (manchmal etwas wolkiger) Sternhimmel aus. Aus diesem Grunde hatte der Stein im Orient eine magische Bedeutung: Als Abbild des Himmels, von dem alles menschliche Geschick abhängt, galt der Stein als heilig. Die Mohammedaner schützt er vor dem bösen Blick. Skarabäen (Bild) und ganze Götterstatuen der Ägypter sind daraus gefertigt worden. Napoleon trug einen solchen Skarabäus, den er aus einem Pharaonengrab in Ägypten "erworben" hatte, als Glücksbringer beim Schlagen seiner unzähligen Schlachten mit sich herum. Auch die berühmte goldene Totenmaske des Tut-anch-amun ist mit Lapislazuli verziert worden. Sumerer und Assyrer schnitten heilige Rollsiegel aus Lapislazuli. Sogar das Blau der Madonnenbilder der Renaissance- und der Barockzeit beruht auf dem feinst zerteiltem blauen Farbpigment des Lasursteins. (Aus der feinsten, fast kolloidalen Zerkleinerung des Pigments bei dessen Herstellung rührt wahrscheinlich der Bedeutungswandel des Begriffs Lasurfarben her, mit dem wir in heutiger Zeit durchscheinende Farben bezeichnen. Mit dem Lapislazuli-Pigment wurde nicht nur der blaue Marienmantel, sondern auch der durchscheinend wirkende Barock-Himmel gemalt. Auch Raffael malte mit dem teuren Ultramarin. Oft zu sehen ist momentan auch Vermeers Mädchen mit dem Perlenohrring, dessen Kopftuch mit kostbarem Utramarin gemalt ist. Hierzu gibt es nämlich neuerdings ein sehr hübsches Genre-Buch, das Einblicke in die tägliche Arbeit in Vermeers Haushalt gestattet und für das mit dem Bild geworben wird [3].)


Die chemischen Eigenschaften von Lapislazuli
Zunächst untersuchen wir die chemischen Eigenschaften unseres blauen Gesteins. Das gelingt schon mit einfachen Methoden: Es reicht das Erhitzen und das Behandeln mit verdünnten Säuren aus, um schon viel über Lapislazuli zu erfahren.

Versuch: Untersuchung von Lapislazuli
Schülerversuch, 10 min.

Geräte
Hammer, festes Leinentuch, Mörser (ca. 15 cm Durchmesser) mit großem Pistill, Reagenzgläser, Glasstab, Tiegelzange, Bunsenbrenner.

Chemikalien
Gesättigtes und filtriertes Kalkwasser (Xi) oder Barytwasser (Xi), Bleiacetatpapier, Salzsäure (c = 2 mol/l) (Xi).

Durchführung
Zerkleinere einige Stückchen von Lapislazuli mit dem Hammer. Zum Vermeiden des Herumfliegens scharfer Stücke bedeckst du den Stein zuvor mit einem festen Tuch. Zerreibe die nunmehr kleinen Stücke in einem Mörser zu Pulver.

a Greife ein größeres Stück Lapislazuli mit der Tiegelzange und erhitze es über dem Bunsenbrenner. Prüfe vorsichtig den Geruch. Glühe das Stück längere Zeit und beurteile dann die Farbveränderung.
b Zu einer Pulverprobe gibst du etwas Salzsäure. Leite das entstehende Gas in Kalk- oder Barytwasser. Du kannst auch einen Glasstab, an dem ein Tropfen Kalkwasser hängt, in das Reagenzglas halten.
Prüfe vorsichtig den Geruch. Halte auch angefeuchtetes Bleiacetatpapier in den Gasraum des Reagenzglases.
c Beurteile, wie die Mischung nach der Säurebehandlung aussieht. Dazu solltest du die Mischung auch filtrieren. Halte das Reagenzglas mit dem Filtrat gegen eine helle Lichtquelle.

Ergebnisse
a Beim Erhitzen riechst du deutlich Schwefeldioxid. Der Stein wird bei längerem Glühen bis auf die Pyrit-Einsprengsel fast farblos.
b Mit Salzsäure entsteht Kohlenstoffdioxid, erkenntlich an der Reaktion mit Kalkwasser. Außerdem entsteht Schwefelwasserstoff, der mit dem Bleiacetat zu braunem, metallisch glänzendem Bleisulfid reagiert.
c Das zuvor hellblaue Steinpulver wird grau bis farblos. Es bildet sich Schwefel, der teilweise durch das Filterpapier läuft und das Filtrat milchig erscheinen lässt (Hinweis auf kolloidalen Zustand des Schwefels). Auf der Mischung schwimmen goldene Flitter von Pyrit.

Bild 4: Ergebnisse der Versuche mit Lapislazuli
Oben: Ursprünglicher Stein
Untere Reihe links: Stein 5 min geglüht
Untere Reihe Mitte und rechts: 1 Tag Einwirkung von Salzsäure (c = 2 mol/l)
(Foto: Daggi)


Es wird öfter nach Reaktionsgleichungen zu diesen Versuchen gefragt. Diese aufzustellen ist sehr schwierig, weil es sich beim Lasurit-Schwefel um ein kompliziertes Molekül handelt. Davon im nächsten Abschnitt mehr.


Die Chemie des Lapislazulis
Es handelt sich beim Lasurit um ein Aluminium-Silicat aus der Gruppe der Ultramarine, zu denen auch der Sodalith gehört. Lasurit hat eine recht komplizierte Formel:

Na4[Al3Si3O12]S3

Die blaue Farbe rührt von Schwefel-Ionen her, genau von S3¯-Ionen. (Das ebenfalls blaue Gestein Sodalith enthält pro Formeleinheit statt eines Schwefel-Ions ein Chlorid-Ion.) Der Schwefel ist ziemlich labil gebunden: Wenn du den Stein erhitzt, wird er farblos und es riecht nach Schwefeldioxid (-> Versuch). Gibst du Säuren zu, so bilden sich Schwefelwasserstoff und Schwefel:

2 S3- + 2 H+ ———> H2S + 5 S

Kann der Schwefelwasserstoff nicht auch aus der Zersetzung von Pyrit FeS2 entstanden sein? Pyrit ist gegenüber Salzsäure stabil. Das gilt vor allem natürlich erst recht für verdünnte Salzsäure. (Vergleiche hierzu Versuch 3P zur Untersuchung von Pyrit.)

Bei der Säurebehandlung von Lapislazuli bildet sich außerdem aufgrund des stets mit Lasurit vergesellschafteten Marmors Kohlenstoffdioxid:

CaCO3 + 2 HCl ———> CaCl2 + H2O + CO2

Die Webseite Kristallgitter des Lasurits gibt dir Einblick in den molekularen Feinbau des blauen Minerals.

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Bild 5: Roher Lapislazuli um einen Pyrit-Kern (rechts in der Spitze), eingebettet in Marmor
und in andere farblose Mineralien. Durchmesser 10 cm
(Foto: Daggi)


Wie ist der Lapislazuli entstanden?
Offenbar haben Pyrit und Lapislazuli eine gemeinsame Entstehungsgeschichte. Du erkennst auf dem obigen Bild, dass sich von einem Pyritbezirk ausgehend schalenförmig blaue Bezirke des Lapislazuli bilden. Dies erinnert an die Liesegangschen Ringe. Die weißen Streifen und Nester des Steins bestehen unter anderem aus Calciumcarbonat, genau aus Marmor.
Der Lasurstein ist nämlich in Kalken zu finden, die im Verlauf erdgeschichtlicher Prozesse starken Drucken und hohen Temperaturen ausgesetzt waren. (Klicke hier.) Dabei haben sie sich zunächst zu Marmor umgewandelt. Dann muss es zum Eindringen von eisen- und aluminiumhaltigen Silicaten aus benachbarten Graniten in den Marmor gekommen sein. Das ist unter Mitwirkung von heißem Wasser aus vulkanischen Vorgängen geschehen. (Man spricht hier von hydrothermalen Vorgängen.) Dazu kommt noch vulkanisch entstandener Schwefelwasserstoff - schon haben wir alle Voraussetzungen und Ingredienzien zur Bildung von Lapislazuli und seiner Mineralien Lasurit und Pyrit.

Anstelle des Marmors können leider aber auch verschiedenste farblose, säurestabile Silikate auftreten. Aus diesem Grunde kann man die Lasurit-Kristalle nicht durch Säurebehandlung herauslösen.


Ultramarin kann auch künstlich hergestellt werden
Ultramarin galt lange Zeit als der kostbarste Farbstoff überhaupt. Das lag vor allem an der komplizierten Methode, es aus Lapislazuli zu gewinnen (siehe Webseite hierzu) und an der dabei erzielten geringen Ausbeute.
1836 gelang es dem französischen Chemiker J. B. Giumet, das Mineral Lasurit in einem aufwendigen chemischen Verfahren künstlich herzustellen.
Diese Verfahren werden heute mehr denn je angewendet. Denn gegenwärtig schätzt man diesen Farbstoff ganz besonders deswegen, weil er physiologisch völlig unbedenklich ist. Denn er enthält anders als die meisten Buntpigmente keine Schwermetalle. Außerdem lassen sich in leicht abgewandelten Verfahren auch rote, grüne und violette Pigmente ähnlicher Zusammensetzung herstellen. Entsprechend breite Anwendung finden diese Buntpigmente in der Kunststoff-, Lack-, Farben-, Leder -, Papier-, Textil und Kosmetik-Industrie. Lasurit wurde auch früher schon nicht nur als Farbpigment genutzt, sondern diente feinstgemahlen auch als Wäscheblau, das durch einen rein optischen Effekt die gelbliche Farbe von Wäsche (den "Gilb") überstrahlte (Stichworte: Komplementärfarbe und additive Farbmischung).
Heute benutzt man dazu synthetische Substanzen, die so genannten optischen Aufheller, die sich in das Gewebe der Wäsche einlagern und die in der UV-Strahlung der Sonne eine bläuliche Fluoreszenz zeigen. Die überstrahlt den Gilb ganz locker. Aber sauberer ist die Wäsche deshalb nicht geworden... Denn der Gilb ist ja immer noch in der Wäsche!


Kann Lapislazuli die Menschheit retten?
Die vielgerühmte Pisa-Studie zeigt: Zu wenig Wissenschaft verblödet. Das gegenwärtige Auftreten der vielen Esoteriker beweist dagegen, dass zu viel Wissenschaft auch nicht gut ist; sie scheint die Menschen zu verwirren. Sie suchen einen seelischen Halt. Warum soll man es nicht mal mit Edelsteinen versuchen? Ein Blick in die Buchläden beweist: Tatsächlich gibt es eine Flut von Literatur zum Thema "Heilen und positiv Beeinflussen durch Edelsteine".

Da muss sich jeder fragen: Warum eigentlich brauchen wir noch Ärzte und überhaupt die ganze Pharmazeutische Industrie? Importiert stattdessen den "Vorsorgestein" Lapislazuli und verteilt ihn unter die Menschen. Alle bleiben dann bis zum Tode gesund und munter.
Unter diesem Aspekt gewinnt der Krieg um Afghanistan ins Nachhinein ganz neue Dimensionen: Es ging mitnichten um Bin Laden, Öl und so weiter. Es ging den Amerikanern schlicht um den Zugriff auf die afghanischen Lapislazuli-Vorkommen!


Rüdiger Blume


Weitere Tipps des Monats


Literatur

[1] A. F. Holleman, E. Wiberg: Lehrbuch der Anorganischen Chemie, W. de Gruyter, Berlin-New York 1995.
[2] Kestner-Museum: Tut-anch-amun. Katalog zur Ausstellung in Hannover 1981.
[3] Tracy Chevalier: Das Mädchen mit dem Perlenohrring. Econ Ullstein List Verlag, München 2000.


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Letzte Überarbeitung: 05. Februar 2012, Dagmar Wiechoczek