Wir mögen Essen mit viel frischem Gemüse. Gerade im Winter ist das wichtig: Damit werden wir auf
echt geschmackvolle Art und Weise mit Vitaminen und Mineralien versorgt.
Am Besten kochen wir das Gemüse schonend in einem dicht verschlossenen Schnellkochtopf.
Damit wird unter erhöhtem Druck gekocht. Bei normalem Druck von1 bar beträgt die Kochtemperatur
bekanntlich 100 °C (Klicke hier.). Der Druck bei den handelsüblichen Schnellkochtöpfen
liegt bei 1,8 bar. Aus diesem Grund siedet das Wasser bei einer höheren Temperatur, in diesem Fall etwa bei
116 °C. Folglich laufen die chemischen Reaktionen, die das Garen bewirken, im Drucktopf schneller ab. Chemiker
kennen die Q10-Regel. Diese besagt,
dass sich die Reaktionsgeschwindigkeit bei einer Temperaturerhöhung um 10 °C etwa verdoppelt. Man spricht auch
von einer RGT-Regel; RGT steht für Reaktionsgeschwindigkeit und
Temperatur.
Die kürzere Garzeit ist von Vorteil: Einmal wird die zerstörende Einwirkung der Hitze auf empfindliche
Nahrungsbestandteile verkürzt. Hinzu kommt, dass der entstehende Wasserdampf die Luft und damit den Sauerstoff
aus dem Topf vertreibt. Damit werden die Nahrungsbestandteile - hier vor allem die Vitamine - vor Oxidation
geschützt. Das gegenüber Sauerstoffeinwirkung empfindlichste Vitamin ist Vitamin C
(Ascorbinsäure).

Aber auch Vitamin A bzw. sein Provitamin namens β-Carotin sind
luftempfindlich.
Man geht beim Beschicken des Kochtopfs so vor: Den Boden bedeckt man mit wenig Wasser. Das zu garende Gut wird in
Siebe oberhalb des Wassers angeordnet. Beim Erhitzen kommt das zu garende Gut kaum mit flüssigem Wasser in Kontakt, denn
gegart wird vor allem mit dem heißen Dampf. Das Garen dauert ungefähr 30 Minuten.
Unser Gemüse stellen wir so zusammen, dass es auf dem Teller schön bunt aussieht. Wie heißt es so schön: „Das Auge isst mit!“.
Beim Kochen haben wir eine Beobachtung gemacht: Radieschen werden beim Garen entfärbt, während Gemüsesorten wie Karotten, rote
Paprika und Tomaten ihre Farbe behalten.

Bilder 1a und 1b: Gemüse - vor und nach dem Garen
(Fotos: Blume)
Wie kommt das?
Zur Erklärung müssen wir uns um die chemischen Eigenschaften der Farbstoffe kümmern
Radieschen (lat. radix, Wurzel) enthalten als Schalen-Farbstoffe
Anthocyane, in diesem Fall besonders das rote Pelargonin.

Pelargonin ist zunächst wegen des Chromenylium-Kations positiv geladen; hinzu kommt, dass das Molekül viele
polare Hydroxyl-Gruppen trägt, von denen eines oder zwei glykosidisch mit Zuckerresten verbunden sind. Es handelt sich somit
um eine insgesamt hervorragend wasserlösliche Substanz, die durch das Dampf/Wasser-Gemisch aus der Pflanze herausgelöst wird.
(Das Gleiche gilt für die Ascorbinsäure.) Der Chemiker spricht von einer Heißdampf-Extraktion. Das Verfahren
ähnelt der Extraktion mit dem Soxhlet-Apparat.
Die Farbstoffe von Karotten, gelber und roter Paprika sowie von Tomaten sind dagegen in Wasser nur schwer oder gar nicht löslich und
lassen sich durch Wasser kaum extrahieren. Deren Farbstoffe fasst man unter der Bezeichnung Carotinoide
zusammen. Es handelt sich um mehr oder weniger unpolare Verbindungen. Sie gehören zur Gruppe der
Terpene und Steroide. Hier ist der Farbstoff der Möhre (Daucus carota),
das β-Carotin:

Carotin ist ein ungesättigter Kohlenwasserstoff. Das gilt auch für das Lycopin, dem hauptsächlichen Farbstoff
der Tomate (Solanum lycopersicum).

Einige Carotinoide der roten und gelben Paprika (Capsicum sp.) enthalten Hydroxylgruppen, die aber wegen der
langen unpolaren Kohlenwasserstoffkette kaum zur Wasserlöslichkeit der Farbstoffe beitragen. Beispiele sind
Capsanthin und Capsorubin.

Gelbe Paprikaschoten enthalten u. a. auch Curcumin, das wir vom Curry her
kennen.
Kann man die Carotinoide nicht doch noch irgendwie extrahieren? Dazu benötigt man unpolare Lösemittel, wie z. B. Benzin.
Erinnert sei auch an die gute Gemüsesuppe mit einem Schuss an farblosem Pflanzenöl, deren Fettaugen orangegelb gefärbt sind -
aufgrund der extrahierten Carotinoide.
Man sollte auch dem Wasser im Schnellkochtopf Beachtung schenken
Denn es enthält eine Menge extrahierter und durchaus wertvoller, wasserlöslicher Stoffe. Dazu gehören Vitamine - hier vor
allem das Vitamin C. Man findet darin aber auch die Anthocyane, denen man ja als Polyphenolen allerlei positive Wirkung auf
unsere Gesundheit nachsagt. Es lohnt sich auch, nach löslicher Stärke zu fahnden - vor allem, wenn Kartoffeln mitgegart worden
sind.

Bild 2: Garwasser aus dem Schnellkochtopf
(Foto: Blume)
Versuche: Untersuchung des Wassers nach dem Garen
Das Kochwasser lässt man abkühlen. Proben der rotgefärbten, etwas trüben Lösung gibt man in eine Reihe von Reagenzgläsern.
Bei den Nachweisen mit Tropfpipetten arbeiten.
1. Anthocyane
Die rote Lösung wird mit nicht zu verdünnter Säure (z. B. Citronensäure (w = 30 %) (Xi), Salzsäure (c = 1 mol/l) (Xi), Essigsäure-Essenz
(C)) versetzt. Die Probe färbt sich tiefrot. Eine andere Probe wird mit Soda oder Lauge (w = 5 %) (C) alkalisch eingestellt. Sie
färbt sich zunächst dunkel, dann langsam orangegelb. Zur genaueren Untersuchung der pH-abhängigen Änderung der Farbe des
Pelargonidins klicke hier und betrachte dort das Bild 4.

Bild 3: pH-Änderung des Garwassers aus dem Schnellkochtopf.
Links: Zugabe von Salzsäure. Mitte: Garwasser. Rechts: Zugabe von Kalilauge
(Foto: Blume)
2. Stärke
Zu einer Probe tropft man in kleinen Portionen etwas Iod-Iodkalium-Lösung (Lugolsche
Lösung) und verrührt nach jeder Zugabe. Die Lösung färbt sich zunehmend blau.
3. Vitamin C (Ascorbinsäure)
Zum Nachweis nutzt man am Besten Ascorbinsäure-Test-Sticks, z. B. Aqua-Merck®. Damit ist eine quantitative Aussage verbunden. Unser
Kochwasser z. B. enthielt eine Konzentration von etwa 250 mg/l.
Man kann aber auch die Fehling-Probe versuchen: Da Vitamin C bereits in der Kälte reagiert, wird zur Unterscheidung von reduzierenden
Zuckern die Reaktionsmischung nicht erhitzt. Klicke hier.
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Im Gar-Wasser aus dem Schnellkochtopf sind also noch viele wertvolle Substanzen enthalten. Es lohnt sich also, die Brühe aufzubewahren,
damit vielleicht ein Süppchen zu kochen oder sie als Grundlage für eine Sauce zu nutzen.
Wie schmecken gegarte Radieschen?
Sie sind gar nicht mehr scharf. Vielmehr erinnert der Geschmack an Kohlrabi. Schließlich sind beide verwandt; sie gehören zur Gruppe
der Kreuzblütler (Brassicaceae). Die Scharfstoffe heißen Senföle oder Isothiocyanate mit der
allgemeinen Formel R-N=C=S. Hier ist der Scharfstoff des Radieschens:

Der Scharfstoff ist offenbar zersetzt worden und/oder hat sich ebenfalls heiß extrahieren lassen.
Rüdiger Blume
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