Prof. Blumes Tipp des Monats Dezember 2015 (Tipp-Nr. 222)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Wonach Weihnachten duftet

Bild 1: Spekulatius
(Foto: Blume)


Nicht nur Adventkranz und Tannenbaum duften nach Weihnachten. Auf den Weihnachtsmärkten dampft der Glühwein und erfreut die frierenden Besucher. In den Küchen riecht es nach Lebkuchen, Zimtsternen, Spekulatius, Pfeffernüssen und Pfefferkuchen.

All diese Gebäcke enthalten Gewürze. So stammt das Wort „Spekulatius“ vom lateinischen Wort speciaria, Gewürzhandel, ab. (Demnach ist die übliche Bezeichnung „Gewürzspekulatius“ doppelt gemoppelt.) Und ist in den „Pfeffernüssen“ etwa Pfeffer enthalten? Wohl kaum – auch wenn man zunehmend Chili und andere Scharfmacher in süßen Sachen findet. Die Erklärung ist wohl, dass die einfachen Leute früher alle exotischen Gewürze „Pfeffer“ nannten. Man findet daher im Weihnachtsgebäck statt Pfeffer Gewürze wie Anis und Sternanis, Gewürznelken, Muskat, Kardamon, Zimt (Kaneel) und Piment.

Wichtig für die Weihnachtsbäckerei sind weiterhin die Schalen von Citrusfrüchten und die darin enthaltenen Schalenöle. Erinnern sollte man sich außerdem an das Aroma von Bittermandelöl, ohne das das Marzipan geruchlos wäre. Auch wenn sie nicht gerade typisch für die Weihnachtszeit ist, soll die Vanille nicht unerwähnt bleiben.


Man kann Weihnachten religionsneutral als Fest der flüchtigen Terpene bezeichnen
Denn all die weihnachtlichen Duftstoffe gehören bis auf wenige Ausnahmen zur Stoffklasse der Terpene oder leiten sich zumindest von ihnen ab. Der Name entstammt vom griechischen Wort terpein, „erfreuen“. Man nennt die flüchtigen Terpene auch Ätherische Öle oder Duftöle. Darauf beruhen auch die weihnachtlichen Duftlampen. Die darin enthaltenen Öle brennen gut und duften dabei, weil sie wegen der Hitze gleichzeitig etwas verdampfen. Der biochemische Grundbaustein der Terpene ist Isopren; man spricht deshalb auch von Isoprenoiden.

Alle Aromastoffe lassen sich als Reinstoffe aus den Gewürzpflanzen leicht isolieren. Das geschieht im Allgemeinen durch Wasserdampfdestillation. Die so gewonnenen Stoffe fügt man oft anstelle der Gewürze zu den Backwaren hinzu, denn sie sind ja „naturidentisch“. Kenner haben etwas dagegen. Denn jedes Gewürz zeichnet sich durch eine unglaubliche Vielfalt von Inhaltsstoffen aus, die teilweise auch bei anderen Gewürzen vorkommen. Besonders sollen Piment sowie Muskat genannt werden, in deren Geruch man verschiedenste Komponenten („duftet nach…“) entdecken kann. Mit Hilfe der chemischen Analyse kann man sogar den Ursprung der jeweiligen Gewürzart herausfinden und diese von synthetischen („gefälschten“) unterscheiden. Das ist so wie mit den Fingerabdrücken in der Kriminalistik. Wir erklären das am Beispiel der Vanille. Motto: Vanille ist mehr als Vanillin.

Bei der folgenden Besprechung der Komponenten des Weihnachtsduftes werden nur einige der wichtigsten Inhaltsstoffe vorgestellt.


Tannenduft
Destillate des Holzes bzw. Harzes und der Nadeln von Tannen, Fichten und anderen Koniferen sind Grundlage für das Terpentinöl.

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Bild 2: Harz auf Fichtenzapfen und frisch geschnittenem Fichtenholz
(Foto: Blume)


Der frische Duft von Fichtennadelöl beruht z. B. auf Limonen (siehe weiter unten). Die mengenmäßig wichtigsten Stoffe des Terpentinöls sind allerdings die beiden Isomeren von Pinen.


Diese leicht flüchtigen Terpene sind die Ursache dafür, dass Tannenbäume und Adventskranz - einmal in Brand geraten - fast explosionsartig abbrennen und dabei mächtig Ruß entwickeln. Klicke hier.

Bild 3: Wie ein Adventskranz im Ofen brennt. Zwischen den Bildern liegen jeweils nur einige Sekunden
(Fotos: Blume)


Anis und Sternanis
Die Anispflanze ist ein Doldengewächs und heißt Pimpinella anisum. Der damit nicht verwandte Sternanisbaum (Illicium verum) dient als Quelle für ein ähnliches Gewürz, das Sternanis genannt wird. Der Geruch von Anisöl beruht auf Anethol.


Der Geruchsstoff Anethol ist übrigens auch typisch für viele Champignonarten.


Gewürznelken
Die Pflanze, aus der man die Gewürznelken gewinnt, ist ein Baum (Syzygium aromaticum). Es handelt sich bei Gewürznelken um die vierstrahligen Blütenknospen.
In einem Weihnachtslied heißt es „… auf Nelken gebettet“. Dabei handelt es sich nicht um duftende Gartenblumen, sondern um Gewürznelken. Die streute man früher zur Bekämpfung von Erkältungen bzw. zur Prophylaxe ins Bett. Der entsprechend wirksame Aromastoff heißt Eugenol. Er ist mit Vanillin (siehe unten) verwandt.


Muskat
Es handelt sich bei Muskat bzw. Muskatnüssen um die Kerne der Samen des Muskatbaums (Myristica fragrans). Der Geruchsstoff heißt Terpinenol-4. Hinzu kommt noch das mit dem Eugenol verwandte Safrol.


Dazu findet man noch Limonen sowie Eugenol und die beiden Isomere des Pinens.

Safrol und einige andere Inhaltsstoffe der Muskatnuss wirken als Haluzinogene - wie das nach Muskat klingende Muscarin, der Giftstoff des Fliegenpilzes.


Kardamon
Die Pflanze heißt z. B. Javakardamon (Amomum kepulaga). Im Kardamon ist der Duftstoff α-Terpineol enthalten (nicht zu verwechseln mit Terpinenol-4!).


Kardamon ist eines der Hauptgewürze für Spekulatius.


Zimt (Kaneel)
Das Gewürz gewinnt man aus der getrockneten Rinde des Zimtbaums (Cinnamomum). Der Duftstoff ist der Zimtaldehyd, daneben enthält Zimt auch das Nelkengewürz Eugenol sowie das in Muskatnuss vorkommende Safrol. Zur Chemie des Zimts haben wir bereits einen Tipp des Monats.


Piment
Die zugrunde liegende Pflanze heißt Pimentbaum (Pimenta officinalis).
Das in den Früchten enthaltene Gewürz (auch Neugewürz oder Nelkenpfeffer genannt) ist quasi ein Alleskönner. Piment riecht nämlich wie eine Mischung aus Zimt, Pfeffer, Nelken und Muskat, weil es alle entsprechenden Duftstoffe enthält.


Citrusschalenöl
Früher pflegte man geriebene Zitronenschalen beim Backen zuzugeben. Das macht man in Zeiten, in denen die Schalen zur Haltbarmachung mit Bioziden „gespritzt“ werden, nicht mehr so gern. In Zucker eingelegt („kandiert“) erhält man das in Weihnachtsstollen enthaltene Zitronat oder Orangeat (Succade genannt). Citrusschalen enthalten duftende Inhaltsstoffe wie z. B. Limonen, Citral und Citronellal. Zu den Duftstoffen der Citrusfrüchte haben wir eine Webseite.


Vanille
Bei der Vanilleschote handelt es sich um die Fruchtkapsel einer Orchidee (Vanilla planifolia). Der Duftstoff heißt Vanillin. Auch hierzu haben wir eine Webseite.


Bittermandelöl
Was wäre der Weihnachtsstollen ohne Marzipan? Das riecht nach Bittermandelöl. Das gewinnt man vor allem aus der bitteren Variante der Mandeln (Prunus amygdalus). Der Duftstoff ist letztlich Benzaldehyd. Dieser gehört nicht zu den Terpenen. Zu den Inhaltsstoffen von Bittermandeln und Verwandten wie Kirschlorbeer haben wir eine besondere Webseite


Synthetisch hergestellter Benzaldehyd wird auch als künstliches Bittermandelöl gehandelt. Es darf aber nicht zu lange aufbewahrt werden, da es wie viele ungesättigte Verbindungen vor allem an hellen Standorten nach Luftzutritt zur Bildung von gefährlichen Peroxiden neigt. Dadurch kann die „Weihnachtsbäckerei“ statt in „Kleckerei“ mit einer Knallerei enden - quasi als Vorgriff auf Silvester.


Glühwein
Was wäre der Besuch eines Weihnachtsmarkts ohne Glühwein? Aus dessen Duft erschnuppert man deutlich Zimt und Nelken heraus. Es liegt also nahe, dass man mittlerweile Teebeutelchen zur Glühweinbereitung („Glühweingewürz“) kaufen kann, die statt Tee Nelkengewürz und Zimtstückchen enthalten. Das Beutelchen muss man dann nur noch in die heiße Flüssigkeit hängen, ziehen lassen - und schon hat man Glühwein. Allerdings sollte man sich zuvor überlegen, was für eine Flüssigkeit man erhitzt. Es reicht nicht aus (wie es eine Bekannte von uns gemacht hat), einfach nur Wasser zu nehmen. Es muss schon Rotwein sein.


Last but not least: Duftende Weihnachtsgeschenke
Was wäre Weihnachten ohne die festlich eingepackte Parfüm-Flasche? Am Parfüm-Duft sind natürlich viele Terpene beteiligt. Hier ist die Zusammensetzung eines sehr guten und deshalb auch überhaupt nicht wohlfeilen Berliner Duftwässerchens:

Bild 4: Zusammensetzung eines Parfüms (Schwarzlose®)


Wir erkennen einige bekannte Substanzen wieder. Zur Interpretation der Liste mit den Inhaltsstoffen haben wir eine besondere Webseite.

Rüdiger Blume


Literatur:
[1] G. Natho: Rohstoffpflanzen der Erde. Verlag Harri Deutsch. Frankfurt/M 1986.
[2] H.-D. Belitz, W. Grosch, P. Schieberle: Lehrbuch der Lebensmittelchemie. Springer-Verlag, 6. Auflage, Berlin Heidelberg New York 2008.
[3] F. Klages: Lehrbuch der Organischen Chemie III (Sondergebiete). Walter de Gruyter. Berlin 1967.
[4] H. Beyer: Lehrbuch der Organischen Chemie. S. Hirzel Verlag, Leipzig (neueste Auflage).


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Letzte Überarbeitung: 09. Februar 2016, Fritz Meiners