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Tipp des Monats Februar 2020 (Tipp-Nr. 272)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Das große Versprechen: Kosmetische Artikel

Rüdiger Blume

Versuche der Haut- und Haarverschönerung sind nicht neu. Dabei gingen die Leute auch schon mal ganz schön rigide mit ihrem Körper um:

  • Römische Frauen hatten wohl die hellhäutigen, blonden Germaninnen als Vorbilder. Deshalb hellten sie ihren Teint mit Bleiweiß auf. Damit zerstörten sie nicht nur ihre Haut, sondern vergifteten sich nach und nach mit Blei. Dunkle Haare wurden mit Alkalien blondiert und dabei samt Kopfhaut nachhaltig geschädigt.
  • Frauen des Barock und Rokoko vergrößerten die Iris ihrer Augen mit Bella donna-Tropfen – also mit Tollkirschenextrakt (Atropa belladonna). Das führte dazu, dass sie zwar schöne große Augen bekamen – dabei im Hellen aber fast blind waren, weil die Iris sich nicht mehr der Lichtmenge anpassen konnte.

Heute ist eher der Drang nach Bio-Natur und ökologischer Nachhaltigkeit zu spüren. Hinter der modernen Kosmetik verbirgt sich sogar das Versprechen ewiger Jugend – und das soll alles mit Naturkosmetik möglich sein. Die betrifft vor allem die Äußerlichkeiten - also Haut und Haare.

Verfolgt man die Werbung für kosmetische Artikel, wird eines deutlich: Die Stichworte zu verstehen erfordert geballtes naturwissenschaftliches Wissen. Beispiele:

  • Botanik: Pflanzen (Aloe vera, Zaubernuss (Hamamelis)), Blüten (Manuka-Honig, Lavendel), Früchte (Avocado, Granatapfel), Arnika fürs Haar und diverse Öle (z. B. Argan-Öl, Jojoba-Öl)
  • Physikalische Chemie: Tensid-Chemie (Micellen-Wasser), hygroskopische Wirkung von Harnstoff, Adsorption (Aktivkohle, Tonerde)
  • Mikrobiologie: Bakteriengifte (Botox), Lactobacillus bifidus (Sauermilch/Joghurt-Produkte)
  • Organische Chemie: Terpene, Duftstoffe, Bio-Farbstoffe (z. B. Henna), Technische Färbemittel
  • Biochemie: Proteine und Peptide, Lipide und deren Abkömmlinge wie Ceramid, Coenzyme, Vitamine wie vor allem Vitamin D und Vitamin-Vorstufen (hier besonders Carotin und Panthenol)
  • Man könnte das meiste auch unter dem Begriff Nachwachsende Rohstoffe oder Lebensmittelchemie einordnen.

Es gibt also genügend Stoff für alltagsbezogenen naturwissenschaftlichen Unterricht… Heute wollen wir uns besonders um die biochemischen Aspekte kümmern.

Beispiel 1: Kollagen
Mit „Kollagen-Drink“s soll die Haut von innen her aufgefüllt und gestrafft werden. Falten verschwinden sofort. Ähnliches soll für Haut-Cremes gelten.

Wie ist man darauf gekommen, dass von außen oder gar oral zugeführtes Kollagen die Haut aufpolstert? Da kann man nur spekulieren. Vielleicht hängt das damit zusammen, dass es in letzter Zeit immer mehr Veganer gibt, also Menschen, die auf jegliche Fleischkost verzichten. Kann sein, dass diese Menschen besonders zu faltiger Haut neigen…?

Was sagt laut SPIEGEL ein Biochemiker zum Kollagen-Drink? „Sollen die Leute doch stattdessen ein Eisbein essen – das ist billiger…“

Bild 1: Eisbein als Kosmetik-Hilfsmittel?
(Foto: Blume)

Kollagen ist ein Protein („Eiweiß“), das vor allem Bindegewebe aufbaut. Dabei ist Kollagen nicht selten: Ungefähr 25 % aller Körper-Proteine bestehen aus Kollagen. Im Eisbein sollte tatsächlich ausreichend Kollagen enthalten sein. Hier sind es Sehnen und Bänder und Gelenkflächen sowie Bestandteile der Knochenmasse, die aus Kollagen bestehen. Auch die Wände der Schlagadern wie der Aorta enthalten Kollagen. Zu nennen ist weiterhin der Halteapparat von Zähnen.

Vorstufen dieser Proteine werden in Zellen synthetisiert, dann aber ausgeschleust, um dann ihre typische Struktur zu entwickeln. Man spricht von Extrazellulär-Substanz.

Kollagen zählt man zu den Fibrillären Proteinen, für die eine Faserstruktur typisch ist. Zunächst einmal besteht Kollagen aus den für Proteine üblichen Aminosäure-Ketten. Man spricht von einer Helix (lat. helix, Schraube, Schneckenform). Drei Molekül-Fäden verdrillen sich zu einer Kollagenfaser („Super-Helix“).

Kollagen ist ein ziemlich wertloses Protein. Es besteht aus eher wertlosen Aminosäuren wie Glycin und Prolin. Typisch ist auch das Auftreten zweier Aminosäuren, die sonst nicht in Proteinen vorkommen und für die es keine DNA-Codes gibt: Hydroxyprolin und Hydroxylysin.

Sie werden erst in der Aminosäure-Kette hergestellt, indem die Reste von bereits gebundenen Prolin und Lysin hydroxyliert werden. Bei dieser Reaktion spielt Ascorbinsäure eine zentrale Rolle. Fehlt diese, so wird kein Kollagen aufgebaut - Grund für die Symptome von Skorbut: Allgemeine Körperschwäche, Zahnverlust, Gewebsblutungen.

Die helikale Struktur und die Hydroxylierungen machen Kollagen gegenüber dem Abbau durch Proteasen äußerst stabil. Das betrifft aber nur natives Kollagen. Nach Kochen oder anderer Denaturierung wird es enzymatisch abbaubar und kann verdaut werden. Den Abbau katalysieren Proteasen – also Enzyme, die im Magen und im Darm vorkommen. Dabei wird Kollagen erst in Bruchstücke (Peptide) zerlegt, die dann letztlich zu Aminosäuren aufgespalten werden. Das gilt auch für Peptide, die man oral zu sich nimmt (in der Werbung: „Biopeptide“).

Der Grund für die gründliche Zerlegung aller mit der Nahrung aufgenommener Protein-Moleküle ist vor anderem, dass diese starke Immun-Reaktionen auslösen könnten, wenn sie ins Blut gelangen.

Kollagen landet nach dem Verspeisen also nicht im Ziel-Gewebe, besonders nicht in der Unterhaut. Aus den Aminosäuren muss es erst wieder aufgebaut werden – nach den Regeln der Proteinbiosynthese (Stichworte: DNA, mRNA, tRNA usw.) und zwar an den Orten, wo es gebraucht wird. Dann folgt noch die oben beschriebene Hydroxylierung.

Die Hydroxy-Aminosäuren können nicht wiederverwendet werden; sie werden entweder als Kleinpeptide ausgeschieden oder zu Glutaminsäure umgebaut.

Auch durch Kochen wird die Kollagenstruktur zerstört. Es entsteht ein anderer, in der Lebensmitteltechnologie viel genutzter Stoff: Gelatine. Es ist nicht bekannt, ob die Haut nach länger anhaltendem Gelatine-Genuss glatter wird.

Häufig liest man auch von Elastin. Das ebenfalls ein Faserprotein, das Kollagen begleitet. Wie der Name sagt, ist es besonders elastisch. Typisch ist seine Zusammensetzung aus unpolaren Aminosäuren, die es besonders wasser-unlöslich machen.

Beispiel 2: Coffein
Mit dem Zusatz von Coffein zu Haarpflegemitteln wird geworben. Es soll das Wachstum von Haaren fördern.

Wie ist man darauf gekommen? Hat man vielleicht festgestellt, dass der Haarwuchs von starken Kaffee-Trinkern besonders gut ist?

Spaß beiseite: Es handelt sich wohl nur um nachgewiesene Wirkung von Coffein auf Haarbildungs-Zellkulturen. Neuerdings gibt es auch „medizinisches Coffein“.

Sportler müssen übrigens aufpassen: Häufiges Nutzen von Coffein-haltigen Haarpflegemitteln sorgen für einen Doping-verdächtigen Coffein-Blutspiegel.

Beispiel 3: Cystin
Cystin ist eine Aminosäure, die im Haarprotein Keratin enthalten ist. Die soll das Haar stärken und wird deshalb manchen Haarpflegemitteln zugesetzt.

Cystin ist eine schwefelhaltige Aminosäure, die normalerweise nicht frei vorkommt und für die es auch keinen DNA-Code gibt. Sie ist jedoch Bestandteil des Haarproteins Keratin. Wie kommt das?

Keratin ist tatsächlich ein auffallend schwefelreiches Protein. Seine Vorstufen bestehen zunächst aus einzelnen Aminosäure-Ketten mit einem größeren Anteil von Cystein - wohlgemerkt: nicht Cystin. (Nur ein e macht den Unterschied…!) Bei der endgültigen Keratinsynthese werden Cystein-Reste benachbarter Aminosäure-Ketten oxidativ über S-S-Brücken verbunden und damit die Einzelfäden zu mechanisch stabilem Haar oder Hornmasse verknüpft.

(Hier greift auch die Dauerwelle an: Man öffnet reduktiv die S-S-Brücken, legt die Haare wie gewünscht in eine neue Form und schließt anschließend mit Oxidationsmitteln die Brücken wieder.)

Woher bezieht man eigentlich Cystin? Das fällt beim Abbau von Haarprotein an. Der Abbau von Haarproteinen lohnt sich, denn Haare und Horn fallen in großen Mengen an – beispielsweise beim Friseur und bei der Aufarbeitung von Schlachttieren. Daraus gewinnt man das gesamte Aminosäure-Spektrum. Nur mit dem Cystin kann man eigentlich nichts anfangen – es sei denn, man gewinnt daraus durch Reduktion Cystein. Das kann wieder zu Hustenmitteln wie ACC (N-Acetyl-Cystein) umgesetzt werden.

Also sind auch Cystin-haltige Haarpflegemittel nichts für Veganer.

Beispiel 4: Q10
Das Q kommt vom angelsächsischen Wort für Chinon, quinone. Hinter Q10 verbirgt sich ein biologisch wichtiger Stoff, Ubichinon. Es handelt sich um ein Benzochinon-Derivat. Davon gibt es je nach Kettenlänge mehrere Formen. Mit 10 Isoprenoid-Einheiten ist das Q10 das größte Molekül.

Ubichinon ist ein wichtiges Coenzym, das vor allem bei der Zellatmung (Atmungskette, ETC = Electron Transfer Chain) eine wichtige Rolle spielt. An dieser Stelle trennen sich Protonen- und Elektronen-Transport. Klicke hier.

Welche biochemische Rolle es bei der Hautpflege spielen könnte, ist nicht ganz klar. Vielleicht ist es die Tatsache, dass sich aus Q10 unter Lichteinfall gelbbraune Farbstoffe bilden, die Ubichromenole. Diese vermitteln der Haut eine gesunde Bräune.

Beispiel 5: Ceramid
Diese Substanz wird einigen Haarpflegemitteln zugesetzt. Es handelt sich um die Grundstruktur von Lipiden, die vor allem in den Nerven zu finden sind (Sphingolipide). Sie enthalten statt Glycerin einen langkettigen ungesättigten Aminoalkohol.

R in der Strukturformel bezeichnet den Alkylrest einer C24-Säure wie die Lignocerinsäure.

Welche Rolle spielen Ceramide in der Hautkosmetik? Sie zeigen die Eigenschaften von nicht-ionischen Tensiden, sind also weniger aggressiv als normale Seifen.

Beispiel 6: Hyaluronsäure
Es handelt sich um ein Polysaccharid, das zu den schleimbildenden Mucopolysacchariden gehört (lat. mucus, Schleim). Dessen Disaccharid-Einheit ist Glucuronsäure - (1,3) - N-Acetyl-Glucosamin. (Zur Glucuronsäure haben wir eine Webseite.)

Hyaluronsäure begleitet Körperproteine wie etwa Kollagen. Vor allem ist sie im Glaskörper des Auges (griechisch hyalos, Glas) und in der Gelenkflüssigkeit enthalten. Auch in menschlichen Nabelschnüren findet man sie. Aus denen wird sie auch heute noch isoliert. Also: Veganer – Finger weg von der Hyaluronsäure!

Warum soll die äußere Zufuhr von Hyaluronsäure helfen? Man muss wissen, dass die samtig-weiche Haut von Babys viel Hyaluronsäure enthält. Der Gehalt nimmt mit dem Alter ab. Das macht sich als unschön empfundene Faltenbildung bemerkbar. Wenn man sich die Hyaluronsäure aufträgt, legen sich deren Moleküle zwischen die Bindegewebezellen der Haut, füllen die Falten quasi auf und machen die Haut geschmeidiger.

Beispiel 7: Panthenol
Diese Substanze ist die Vorstufe von Panthotensäure, die als Vitamin B5 eine wichtige Rolle beim Aufbau des Coenzyms A (CoA-SH) spielt.

Panthenol erhöht nicht nur das Feuchthaltevermögen der Haut, sondern hat auch entzündungshemmende und wundheilungsfördernde Eigenschaften. Damit entspricht Panthenol in seiner Wirkung auch den Inhaltsstoffen auf der Basis von Hamamelis (Virginische Zaubernuss). Zu nennen sind auch neuseeländischer Manuka-Honig bzw. -Öl.

Beispiel 8: Urea
Urea ist das englische Wort für Harnstoff. (Zum Begriff „Urea“ haben wir eine Webseite.)

Zu seiner Gewinnung müsste man eigentlich Pipi aufarbeiten. Die Herkunft des kosmetisch genutzten Harnstoffs ist jedoch nicht biologisch.

Harnstoff war zwar die erste biochemische Substanz, die künstlich hergestellt wurde. Zu Wöhlers Entdeckung der Synthese aus Ammoniumcyanat NH4OCN klicke hier.

Die moderne chemische Synthese geht heute von Substanzen wie ätzendem Chlor und giftigem Kohlenmonoxid aus. Die bilden giftiges Phosgen. Das lässt man mit ätzendem Ammoniak reagieren. Alles bildet eine harmlose Substanz, die mit der biologisch erzeugten identisch ist und deren einziger Vorzug ist, dass sie hygroskopisch ist: Sie zieht Wasserdampf aus der Haut und auch aus der Luft an. Die Folge ist, dass sich nach dem Auftragen die Haut nicht mehr trocken anfühlt. Man könnte auch Glycerin nehmen – aber das fühlt sich etwas klebrig an.


Last but not least: Was wirklich hilft
Leider ist es unabwendbares Schicksal, dass die Haut mit dem Menschen altert – wie der Mensch insgesamt… Das ist zunächst einmal auch von der Genetik abhängig: Manche Menschen altern schneller als andere. Dagegen lässt sich wenig machen.

Um das sowieso schon ablaufende Altern jedoch nicht noch zu beschleunigen, hilft am besten, die Haut vor Schäden zu bewahren. Eine der Ursachen ist vor allem zu starke UV-Bestrahlung durch die Sonne – typisch für unsere Freizeit-Gesellschaft. Hinzu kommt Störung des Schutzes durch die Fettschicht durch übertriebene Reinigung. Weiter wird die Hautalterung wohl auch durch exzessiven Alkohol-Genuss („Abusus“) beschleunigt. Man sollte schließlich auch darauf achten, genug zu trinken – pro Tag werden mindestens 1,5 bis 2 Liter Wasser empfohlen.


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Letzte Überarbeitung: 27. Januar 2019, Fritz Meiners