Prof. Blumes Tipp des Monats Dezember 2013 (Tipp-Nr. 198)


Beim Experimentieren den Allgemeinen Warnhinweis unbedingt beachten.


Fragen und Fakten zur Schokolade

Jetzt ist wieder Weihnachten, Zeit für Schokoladenweihnachtsmänner. Jeder mag Schokolade - nicht nur zu Weihnachten. Unwillkürlich fragt man sich: Wie überhaupt wird Schokolade hergestellt?

Man muss bei Schokolade erst einmal Folgendes festhalten: Am Anfang steht die Kakaobohne. Die Kakaobohne ist der rotbraune Samen des Kakaobaums. Es handelt sich biologisch genau genommen nicht um eine Bohne, sondern um einen Kern. Schokolade sollte somit weitgehend ein Naturprodukt sein. Jedoch muss die Kakaobohne, bevor sie zu Schokolade wird, einiges an physikalischen und an lebensmittelchemischen Prozeduren über sich ergehen lassen. Wenn man sich damit befasst, kann man eine Menge zu Physik und Chemie lernen!

Bild 1: Kakaofrucht (Tobago, Karibik)
(Foto: Daggi)

Mit dieser Webseite wollen wir einen Bogen von der Kakaofrucht zu einem Schoko-Weihnachtsmann spannen.

Ein Hinweis: Das soll kein Fachartikel über Schokolade sein. Er soll vielmehr auf einfache Art und Weise Wissen zum Thema so vermitteln, dass es auch chemisch weniger Vorgebildete verstehen können.


Wie verarbeitet man die Kakaobohnen?
Die ursprünglich säuerlich schmeckende ungeschälte Kakaofrucht wird einer etwa einwöchigen Fermentation unterworfen. Der Ausdruck Fermentation erinnert viele an Gärung, jedoch ist hier der Zutritt von Sauerstoff unerlässlich. Wie in einem Komposthaufen steigt auch bei dieser „Rotte“ die Temperatur stark an. Dadurch werden hitzebedingte chemische Vorgänge ausgelöst, die man unter dem Begriff Maillard-Reaktionen zusammenfasst. Auf diese Weise werden die ersten der kakaotypischen Aromastoffe gebildet und die Farben vertieft.

Die verrotteten Kerne werden anschließend von den Schalen befreit, zerkleinert und gereinigt. Es folgt das Trocknen dieser Kakaomasse, wobei auch flüchtige Rotteprodukte wie Alkoholspuren und Essigsäure entfernt werden. Anschließend erfolgt bei höheren Temperaturen das Rösten, bei dem sich besonders viele für die Kakaomasse typische Aromastoffe und Farbstoffe bilden.


Woraus genau besteht Kakaomasse?
Es stellt sich vielen immer wieder die Frage, ob man die Zusammensetzung von Kakao (oder von Schokolade) auch in der Schule analysieren kann. Hierzu wird in der Literatur eine Reihe von Versuchsvorschriften angegeben. Aber ob sie wirklich Sinn machen, ist bei Schulpraktikern durchaus umstritten. Vor allem arbeitet man mit gefährlichen Lösemitteln wie heißem Aceton. Außerdem ist die Aussagekraft der Versuche doch sehr begrenzt, da es sich bei der Schokolade um ein viel komplexeres Vielstoff-System handelt, als eine schulische Analyse ergeben könnte.

Die folgende Übersicht gibt einen Einblick in die Komplexität des Stoffgemischs:

Überschlägige Zusammensetzung von fermentierter Kakaomasse (Angaben in Masse%)

Fett („Kakaobutter“) 54 Carbonsäuren 2
Proteine 12 Mineralstoffe 2,5
Stärke 6 Polyphenole 6
Cellulose 9 Purinalkaloide
(Coffein und Theobromin)
2
Andere Kohlenhydrate 2,5 Andere Stoffe 4


Glucose ist in so geringen Konzentrationen enthalten, dass der Versuch eines schulchemischen Nachweises entsprechend enttäuschend ausfällt.


Wonach schmeckt Kakaopulver?
Viele Leute verwechseln den Geschmack der Schokolade mit dem Geruch. Hier befassen wir uns nur mit den Geschmacksrichtungen und mit der Wirkung im Mund (Mundgefühl).

Fachleute bewerten die geschmackliche Qualität von Kakaopulver anhand von drei Attributen: Bitter, Sauer und Adstringierend.

1. Der saure Geschmack resultiert aus dem hohen Säuregehalt.

2. Einer der Bitterstoffe ist das Purinalkaloid Theobromin. Hinzu kommen aber auch Diketopiperazine, die beim Rösten aus Proteinen bzw. Peptiden entstehen.

     

Diese sind in der Lage, mit Theobromin durch Wasserstoffbrücken verbundene Komplexe zu bilden. Diese schmecken noch bitterer als die einzelnen Komponenten.

3. Das adstringierende („zusammenziehende“) Mundgefühl ist eine typische Folge von Polyphenolen wie dem Catechin bzw. seinem Stellungsisomeren Epicatechin.

     

Das Attribut Süß kommt erst später bei der Herstellung von Schokolade zur Geltung, und zwar in Form von viel (manche sagen: zuviel) zugesetztem Zucker…


Wonach riecht Kakao?
Man kann den Kakaogeruch nicht an einer Substanz festmachen - wie etwa der Geruch nach Erdbeere oder Zitrone. Bei den Geruchsstoffen handelt es sich um ein Gemisch aus vielen, chemisch völlig verschiedenen Komponenten. So kann man den Geruch von Kakao nur durch eine Mischung von etwa 40 Substanzen näherungsweise imitieren. Beispielsweise sind in großen Konzentrationen flüchtige Säuren beteiligt, darunter besonders viele verzweigte sowie Phenylrest-haltige. Darunter befindet sich auch Buttersäure, das Parfüm des Ginkgobaums. Weitere geruchsbildende Substanzen sind Aldehyde und heterozyklische Verbindungen.


Wie stellt man Schokolade her?
Zunächst wird die feingemahlene Kakaomasse durch Auspressen zum Teil vom Fett (Kakaobutter) befreit. Für die Herstellung von Schokolade aus dem auf diese Weise entstandenen Kakaopulver gibt es viele Rezepturen. Man kann es zum Beispiel mit Milch und Zucker sowie gegebenenfalls unter gezielter Rückfettung mit Kakaobutter verrühren. Man vermischt so lange, bis eine homogene Masse entstanden ist. Dazu gibt es noch zur Reifung Lagerungsphasen, Temperaturbehandlungen und vor allem unablässiges Rühren und Kneten. Dazu hat man spezielle Apparate entwickelt, zu deren Bau man früher scharfkantige Muscheln (franz. conche) eingesetzt hat. Daher spricht man von Conchieren.


Welche Rolle spielt Natriumhydrogencarbonat bei der Herstellung von Bitterschokolade?
Bitterschokolade enthält mehr Bitterstoffe. Die bitter schmeckenden Diketopiperazine entstehen durch Maillard-Reaktionen beim Rösten der Kakaokerne. Natriumhydrogencarbonat verstärkt deren Bildung. Hier haben wir wieder eine Anwendung des Alleskönners Kaisernatron ®.


Warum fühlt sich Schokolade im Mund so weich-schmelzend an?
Gute Schokolade soll bekanntlich auf der Zunge zergehen. Um den Genuss zu steigern, ist man bemüht, die Fließeigenschaft von Schokolade zu verbessern. Das betrifft aber auch Schokoladenschmelzen zum Herstellen von speziellen Formen, wie etwa Schokoladenhohlkörpern (siehe weiter unten).

Ein besseres Fließverhalten erreicht man dadurch, dass man Emulgatoren zusetzt. Diese sind aber auch aus einem anderen Grunde notwendig: Schokolade ist eine Emulsion. Zu deren Herstellung und Stabilisierung muss man einfach Emulgatoren einsetzen.

Man bedient sich zunächst des bekannten Lecithins. Das ist lebensmittelrechtlich unproblematisch, weil es aus Hühnerei oder aus Sojabohnen hergestellt wird. Hinzu kommen kompliziert zusammengesetzte, polymere Ester aus Glycerin und Ricinolsäure. Sie sind bekannt unter der Bezeichnung Polyglycerin-Polyricinoleate (PGPR).

Zu ihrer Herstellung polymerisiert man zunächst Ricinolsäure unter Bildung eines intermolekularen Esters, Polyricinoleat.

     


Polyglycerin wird so hergestellt:

     


Beide Verbindungen lässt man dann zum polymeren Ester PGPR reagieren.

Der praktisch eingesetzte PGPR-Emulgator enthält dazu noch eine Menge Glycerin, Polyglycerin und auch Ricinolsäure. Diese wirken quasi als Weichmacher.

Wenn sich die Schokoladen-Emulsion trotzdem entmischt, bildet sich Fettreif aus. Davon mehr im nächsten Abschnitt.


Was ist das für ein weißer Belag auf länger gelagerter Schokolade?
Man spricht von Fettreif. Dabei handelt es sich um schuppenförmige Fettkristalle. Sie entstehen, wenn sich die Emulsion der Schokolade durch langes Stehen an wärmeren Orten entmischt.

Es können sich oberflächlich aber auch Zuckerkristalle bilden. Schließlich handelt es sich bei Schokolade wegen des hohen Zuckergehalts um eine übersättigte Zuckerlösung, die auf die Dauer instabil ist. Man denkt hier auch an Zuckerrübensirup („Rübenkraut“) oder an flüssigen Honig, die als übersättigte Zuckerlösungen ein ähnliches Verhalten zeigen.


Warum ist weiße Schokolade weiß?
Als Grundsubstanz der Schokoladenzubereitung dient anstelle von rotbraunem Kakaopulver die farblose Kakaobutter. Diese enthält nämlich einen großen Teil der typischen Schokoladen-Aromastoffe. Ansonsten verfährt man wie bei der Zubereitung brauner Schokoladen, nur nimmt man im Allgemeinen statt der mit Fett schlecht mischbaren wasserhaltigen Milch trocknes Milchpulver.


Ist Schokolade gesund?
Das sagt man der Schokolade wegen ihres hohen Gehalts an Polyphenolen nach. Bei denen handelt es sich um Radikalfänger. Radikale spielen eine gewisse Rolle bei der Auslösung von einigen Krebsformen. Polyphenole dienen deshalb als Substanzen für die Chemoprävention. In der Schokolade sind vor allem Catechin und sein Stellungsiomeres Epicathechin,  Anthocyane und Flavone und dazu noch Leukoanthocyane. Letztere sind farblose Vorstufen der Anthocyane.

Gesundheitlicher Nachteil von Schokolade ist der hohe Gehalt an Fetten und an Zucker, die das Genussmittel zu einer wahren Kalorienbombe machen. Das kann man auch chemisch nachweisen, wie im folgenden Abschnitt gezeigt wird.


Brennt Schokolade?
Wegen ihres hohen Fettanteils brennt Schokolade ausgesprochen gut. Wir zeigen das im Tipp des Monats 186. So demonstriert man auf einleuchtende Weise, dass Schokolade viele „Kalorien“ enthält.


Wie ist das mit dem Coffein im Kakao?
Coffein ist nur in Spuren (0,2 %) vorhanden. Mit einer Tasse Trinkschokolade soll man gerade 0,01 g Coffein aufnehmen. Die Konzentration von analogem Theobromin ist mit 1,6 % etwa zehn Mal höher. Letzteres wird nach der Rotte ganz besonders in den Kakaofruchtschalen gefunden, aus denen es sogar gewonnen wird.

     


Es gibt aber Zubereitungen von Schokolade, denen Coffein zugesetzt wird. Man sprach früher von Fliegerschokolade, da sie vor allem im Kriege zum Wachhalten von Bomberpiloten auf Langstreckenflügen diente.


Macht Schokolade glücklich?
Viele Menschen sind geradezu süchtig danach und fühlen sich erst nach dem Einwerfen von einer oder zwei Tafeln so richtig wohl. Das kann natürlich am Geschmack liegen. Aber dahinter ermuten viele Leute auch eine gute Portion Neurophysiologie. Denn in Schokolade findet man den Neurotransmitter Serotonin.

     


Dagegen spricht, dass Schokolade mit 1 ppm (d. h. 1 μg/g Kakaomasse) viel zu wenig Serotonin enthält, um besonders auffällige Wirkungen auszulösen. Walnüsse etwa sind schon viel besser geeignet: Ihr Gehalt an Serotonin beträgt mehr als 300 ppm.

Und was die Glückseligkeit beim Genuss von Schokolade angeht: Zwar wird Serotonin wegen seiner Wirkungen auf das Gehirn gern als Ruhe- oder Glückshormon bezeichnet. Bei Serotonin handelt es sich jedoch um ein physiologisches Multitalent. Deshalb sind seine Ansatzpunkte und damit die Aufgaben in unserem Körper je noch Zielorgan so vielfältig und teilweise auch zu widersprüchlich, als dass man eine entsprechende Glücksgefühle steigernde Wirkung festmachen könnte.

Hinzu kommt aber etwas anderes: Physiologisch wirksam ist nur körpereigenes Serotonin, das in den Zellen, in denen sie wirken sollen, hergestellt wird. Das Serotonin aus der Nahrung gelangt gar nicht in die Gehirnzellen, da Serotonin nicht die Blut-Hirn-Schranke überwinden kann. Vielmehr meint man, dass es sich bei der als positiv empfundenen psychologischen Wirkung des Schokoladengenusses um die Aktivitätssteigerung des Hirns aufgrund der Aufnahme großer Mengen von Kohlenhydraten handelt. Schließlich gehört das arbeitende Gehirn zu den Organen, die am meisten Kohlenhydrate verbrauchen.


Wie ist das mit Akne und Schokolade?
Viele schwören auf die folgende Beobachtung: Der Genuss von Schokolade führt nach ein-zwei Tagen zum Auftreten von Pickeln.

Der Genuss von Schokolade gilt nach genauen Forschungen jedoch nicht als Grund für Pickel, sondern nur als auslösende Ursache. Das Auftreten von Akne zeigt vielmehr grundlegendere Störungen an, wie z. B. des Fettstoffwechsels. (Gleiches gilt übrigens auch für Kaffee, dem man ebenfalls Akne fördernde Eigenschaften zuschreibt.)


Schokolade in Notzeiten
Wer Krieg oder die Nachkriegszeit bewusst miterlebt hat, erinnert sich bestimmt noch an die sandige Konsistenz der Schokolade. Die rührte daher, dass man beim Reinigen der gerösteten Kakaomasse gespart hat. Beim „Sand“ handelt es sich um Reste der harten Schalen der Kakaobohne.

In der DDR gab es aus Devisenmangel für die werktätige Masse zunächst kein Kakao. Deshalb erhielten in den 1950er Jahren Lebensmittelchemiker den Auftrag, Kunst-Schokolade herzustellen. Ein Produkt der Bemühungen hieß Vitalade. Hergestellt wurde Vitalade dem Vernehmen nach aus Sojamehl, Haferflocken und gehärtetem Pflanzenfett. Der Zusatz von Braumalz sorgte für süßen Geschmack und einen merkwürdigen braunen Farbton.

Diese Kunstschokolade war sicherlich nahrhaft, aber nicht lecker. Gutmeinende Verwandte schickten uns des Öfteren diese Ersatzschokolade. Wir Kinder mochten das Kunstprodukt nicht. Es wurde sogar von unserer Katze verschmäht, nachdem sie sich nach erstem Probieren erbrochen hatte.


Viel diskutiert: Wie macht man eigentlich Schokoladenhohlfiguren?
Man stellt eine Hohlform her, die aus zwei auseinandernehmbaren Hälften besteht. (Deshalb hat eine Schokoladenhohlfigur immer eine Naht.) In die eine Hälfte füllt man eine genau abgewogene Menge an Schokoladenmasse. Deren Temperatur muss ebenfalls genau stimmen, meistens 28 °C. Man klappt die vorgewärmten Formen aufeinander und spannt sie in eine Maschine, die die Form in alle Richtungen dreht. Das sieht so aus, als wenn die Form taumelt. Dadurch verteilt sich die geschmolzene Schokolade gleichmäßig an der ganzen Innenseite. Während des Drehens wird die Form langsam auf etwa 12 °C abgekühlt. Dann braucht man sie nur noch aufzuklappen und den fertigen Hohlschokoladen-Weihnachtsmann herauszunehmen.

Bild 2: Schokoladenhohlfigur
(Foto: Blume)

Rüdiger Blume


Literatur
H.-D. Belitz, W. Grosch, P. Schieberle: Lehrbuch der Lebensmittelchemie; Springer-Verlag, 6. Auflage, Berlin Heidelberg New York 2008.

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Letzte Überarbeitung: 28. November 2013, Dagmar Wiechoczek